Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer
vom 12. Oktober 1854
erg�nzt durch
Verordnung, betreffend die definitive Erledigung der Vorbehalte
wegen Bildung der Verb�nde des alten und des befestigten Grundbesitzes -
Landschafts-Bezirke - und wegen Wahl der Seitens dieser Verb�nde und der
Provinzial-Verb�nde der Grafen zu pr�sentirenden Mitglieder des Herrenhauses vom
10. November 1865 (GS. S. 1077)
Gesetz, betreffend eine Zusatzbestimmung zum Artikel 74 der Verfassungs-Urkunde
vom 31. Januar 1850 und zur Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12.
Oktober 1854, vom 27. M�rz 1872 (GS. S. 277)
aufgehoben durch
Aufruf der Preu�ischen Regierung vom 13. November 1918 (GS. S. 187)
Verordnung, betreffend Aufl�sung des Abgeordnetenhauses
und Beseitigung des Herrenhauses vom 15. November 1918 (GS. S. 191)
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ec. ec.
verordnen, im Verfolg des Gesetzes vom 7. Mai 1853 (Gesetz-Sammlung Seite 181), betreffend die Bildung der Ersten Kammer, was folgt:
§ 1. Die Erste Kammer besteht:
1) aus den Prinzen Unseres Königlichen Hauses, welche Wir, sobald
sie in Gemäßheit Unserer Hausgesetze die Großjährigkeit
erreicht haben, in die Erste Kammer zu berufen, Uns vorbehalten.
2) aus Mitgliedern, welche mit erblicher Berechtigung,
3) aus Mitgliedern, welche auf Lebenszeit von Uns berufen sind.
Die Berufung der K�niglichen Prinzen ins Herrenhaus nach Nr. 1 fand nie statt.
§ 2.
Mit erblicher Berechtigung gehören zur Ersten
Kammer:
1) Die Häupter der fürstlichen Häuser von Hohenzollern-Hechingen
(ab 3. September 1869 erloschen)
und Hohenzollern-Sigmaringen;
2) die nach der Deutschen Bundes-Akte vom 8. Juni 1815 zur Standschaft
berechtigten Häupter der vormaligen Deutschen reichsständischen
Häuser in Unseren Landen
(ab 1854 waren das 16, ab 1867 20 Standesherren);
3) die übrigen nach Unserer Verordnung vom 3. Februar 1847, zur
Herren-Kurie des Vereinigten Landtags berufenen Fürsten, Grafen und
Herren
(es gab 55 landtagsf�hige Besitzt�mer, die jedoch bis 1918 nie alle im
Herrenhaus vertreten waren).
Außerdem gehören mit erblicher Berechtigung zur Ersten Kammer diejenigen Personen, welchen das erbliche Recht auf Sitz und Stimme in der Ersten Kammer von Uns durch besondere Verordnung verliehen wird. Das Recht hierzu wird in der durch die Verleihungs-Urkunde festgesetzten Folgeordnung vererbt (1911: 41 Personen).
siehe hierzu die Verordnung über die Bildung des Vereinigten Landtages vom 3. Februar 1847 (GS. 34).
§ 3. Als Mitglieder auf Lebenszeit wollen Wir berufen:
1) Personen, welche Uns in Gemäßheit der folgenden Paragraphen
präsentirt werden;
2) die Inhaber der vier großen Landes-Aemter im Königreich
Preußens
(das waren der Kanzler im
K�nigreich Preu�en; der Landhofmeister; der Obermarschall; der Oberburggraf);
3) einzelne Personen, welche Wir aus besonderem Vertrauen ausersehen.
Aus denselben wollen Wir „Kron-Syndici“ bestellen, welchen Wir wichtige
Rechtsfragen zur Begutachtung vorlegen, imgleichen die Prüfung und
Erledigung rechtlicher Angelegenheiten des Hauses anvertrauen werden
(1911: 88 Personen).
§ 4.
Das Präsentationsrecht steht zu:
1) den nach Unserer Verordnung vom 3. Februar 1847 zur Herren-Kurie
des Vereinigten Landtags berufenen Stiftern
(das waren
die drei
Evangelischen Dom-Kapitel zu Brandenburg, Merseburg und Naumburg)
2) dem für jede Provinz zu bildenden Verbande der darin mit Ritterg�tern
angesessenen Grafen, für je einen zu Präsentirenden
(das waren bis 1867 8 Ritter, danach 11 Ritter, an 1878 dann 12 Ritter);
3) den Verbänden der durch ausgebreiteten Familienbesitz ausgezeichneten
Geschlechter, welche Wir mit diesem Recht begnadigen;
4) den Verbänden des alten und des befestigten Grundbesitzes
(das waren zuletzt ca. 90 Vertreter);
5) einer jeden Landes-Universität
(das waren zuerst die Universit�ten Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Halle und
K�nigsberg, 1867 kamen dann die Universit�ten G�ttingen, Kiel und Marburg hinzu);
6) denjenigen Städten, welchen Wir dieses Recht besonders beilegen
(das waren zuerst 29 St�dte, ab 1860 dann 34, ab 1867 40 St�dte; bis 1918 wurden
weiteren St�dten das Recht erteilt, einen Vertreter in das Herrenhaus zu
entsenden).
§ 5. Die von den Stiftern zu präsentirenden Vertreter werden von den Mitgliedern derselben aus ihrer Mitte, die von den Universitäten zu präsentirenden von dem akademischen Senate aus der Zahl der ordentlichen Professoren, die von den Städten zu präsentirenden von dem Magistrate, oder in Ermangelung eines kollegialischen Vorstandes von den übrigen kommunalverfassungsmäßigen Vertretern der Stadt aus der Zahl der Magistratsmitglieder erwählt.
§ 6. Die näheren reglementarischen Bestimmungen wegen Bildung der Verbände des alten und des befestigten Grundbesitzes - Landschafts-Bezirke (§ 4 Nr. 4) und wegen Ausübung des Präsentationsrechts (§ 4 Nr. 1 bis 6) werden von Uns erlassen.
siehe hierzu die Verordnung vom 10. November 1865.
§ 7. Das Recht auf Sitz und Stimme in der Ersten Kammer kann nur von Preußischen Unterthanen ausgeübt werden, welche sich im Vollbesitze der bürgerlichen Rechte befinden, ihren Wohnsitz innerhalb Preußen haben und nicht im aktiven Dienste eines außerdeutschen Staates stehen.
Ferner ist dazu - außer bei den Prinzen Unseres Königlichen Hauses - ein Alter von dreißig Jahren erforderlich.
§ 8. Das Recht der Mitgliedschaft der Ersten Kammer erlischt bei denjenigen Mitgliedern, welche in Gemäßheit der §§ 4 bis 6 präsentirt werden, mit dem Verluste der Eigenschaft, in welcher die Präsentation erfolgt ist.
§ 9. Das Recht der Mitgliedschaft der Ersten Kammer geht außer den Fällen der §§ 12 und 21 des Strafgesetzbuchs verloren, wenn die Kammer durch einen von Uns bestätigten Beschluß einem Mitgliede das Anerkenntniß unverletzter Ehrenhaftigkeit oder eines der Würde der Kammer entsprechenden Lebenswandels oder Verhaltens versagt.
aufgrund von § 9 wurde als einziger der Botschafter Fürst Karl Max von Lichnowsky (1860 – 1928) durch Beschluß des Hauses vom 12. Juli 1918 ausgeschlossen.
§ 10. Wenn die Kammer mit Rücksicht auf eine gegen ein Mitglied eingeleitete Untersuchung oder aus sonstigen wichtigen Gründen der Ansicht ist, daß demselben die Ausübung des Rechts auf Sitz und Stimme zeitweise zu untersagen sei, so ist zu dieser Maaßregel Unsere Genehmigung erforderlich.
§ 11. Hat ein Mitglied der Ersten Kammer das Recht der Mitgliedschaft verloren, so wird, falls dieselbe auf erblicher Berechtigung beruht, wegen der Wahl eines anderen Mitgliedes der betreffenden Familie von Uns Bestimmung getroffen werden. Wenn ein solches Mitglied ein Gemäßheit der §§ 4 bis 6 präsentirt worden ist, so werden Wir eine anderweite Präsentation anordnen.
Durch Gesetz vom 27. März 1872 wurde
zu der Verordnung folgender Zusatz erlassen:
„Der Präsident und die Mitglieder der Ober-Rechnungskammer
können nicht Mitglieder eines der beiden Häuser des Landtages
sein“.
Urkundlich unter Unserer H�chsteigenh�ndigen Unterschrift und beigedrucktem K�niglichen Insiegel.
Gegeben Sansouci, den 12. Oktober 1854.
Friedrich Wilhelm
v. Manteuffel. v. d. Heydt. Simons. v. Raumer. v. Westphalen.
v. Bodelschwingh. Gr. v. Waldersee.