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Das Vertrauen und die Vertraute

2005, Frühmittelalterliche Studien

Die emotionalen Anteile am Vertrauen sichern seine eigentümliche Macht: Im Vertrauensakt, so rational er auch begründet sein mag, kommt es immer zu einer emotionalen Rückkopplung an die eingegangene soziale Beziehung. Diese Rückkopplung herzustellen, ist heute ein allgegenwärtiges Anliegen gesellschaftlicher Institutionen. Gleichwohl ist es ein Indiz für eine Krise, wenn dieses Anliegen offensichtlich wird: Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit eines Vertragspartners emotional zu sichern, die Zufriedenheit mit den politischen Systemvoraussetzungen zu steigern oder das Wohlgefühl beim Kauf eines bestimmten Produktes zu beteuern, das alles sind Maßnahmen, die nötig sind, wenn Vertrauen vorab in Frage steht. Mit Blick auf die jüngeren Diskussionen um den Vertrauensbegriff könnte man versucht sein, für die nachmoderne Situation von einer neuen Fraglichkeit des Vertrauens zu sprechen. Folglich läge es nahe, nach früheren, fraglos gegebenen Bedingungen des Vertrauens zu suchen 1. Daß in einer solchen historischen Hinsicht den vertrauensbildenden Akten im Mittelalter ein besonderer Aussagewert zukommen kann, scheint zwar auf der Hand zu liegen: In einer Gesellschaft, die keine durchgreifend schriftlich verfaßte, staatlich sanktionierte Rechtsordnung besitzt, müßten vertrauensbildende Maßnahmen noch eine größere Rolle spielen. Aber in dieser Annahme steckt ein leicht einzusehendes Mißverständnis. Die Suche nach Ursprung und Bedingungen von Vertrauensverhältnissen läßt sich nicht einfach in die Frage nach 1 Vgl. den Anstoß zu einer dezidiert historischen Vertrauensforschung durch Ute Frevert, Vertrauen.