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1999, Forum für osteuropäische Ideen -und Zeitgeschichte
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Meine Aufgabe ist es, die feindlichen Kräfte zu beseitigen. Wenn ich sie alle beseitigt habe, kommt es von selber so, wie es muß. A. Platano ν, Cevengur Anfang 1940 wurde Stalin zu seinem 60. Geburtstag Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und ,JHeld der Arbeit". Am 2. Februar 1940 bedankte sich der Jubilar in der Pravda für die vielen Glückwünsche, die er erhalten hatte, u.a. von Tschiang Kai Tschek, von Jozef Tiso und von Adolf Hitler. Stalin hatte das Land in den letzten fünf Jahren nach innen terroristisch pazifiziert, nach außen militärisch isoliert. Sein Land, "ein Sechstel der Erde", schien mächtig und sicher wie nie zuvor. Staatliche Ämter hatte er 1940 keine inne; erst im kommenden Jahr wurde er (wie einst Lenin) Vorsitzender des Rats der Volkskommissare. Stalins Aufbau des Sozialismus "in einem Land", hatte sich wohl gegen all die gelehrten Diskurs-Marxisten aus dem ersten Kabinett Lenin von 1917 als einziges einigermaßen praktikables Konzept erwiesen. Die Revolution, wie Stalin sie verstand, als gewissermaßen "permanente Revolution" im Inneren, war jetzt, erst jetzt beendet. Er hatte zuletzt auch den "Parteitag der Sieger"-wie er euphemistisch hieß-besiegt, er hatte die Gründergeneration liquidiert, er allein war jetzt der "Chozjain", der Herr im Hause, wie er von seinen Gefolgsleuten im Führungszirkel genannt wurde. Das allerdings mußte ihm schon als eine Forum für osteuropäische Ideen-und Zeitgeschichte, 3. Jahrgang, 1999, Heft 2 Brought to you by | INSEAD Authenticated Download Date | 12/23/18 1:52 PM ' Stalin war im ersten Rat der Volkskommissare zuständig für Nationalitätenfragen, also-Ironie der Geschichte-fur jene Konstellationen, an denen dann dereinst die Sowjetunion überhaupt auseinanderbrechen sollte.
Können Revolutionäre glücklich sein? Können diejenigen, denen man meist zuschreibt nach dem Glück aller und für alle zu streben, diejenigen, deren Enthusiasmus sich in der Regel mehr auf die Gleichheit denn auf die Freiheit richtet, jenseits der revolutionären Realisierung ihres politischen Strebens ein Glück kennen, das nur ihnen zukommt?
Neben dieser alten separatistischen Strömung, die in einer ziemlich starken " föderalistischen" Partei ihren Ausdruck fand, gab es noch die sozialistische Bewegung. Alle die großen Gruppierungen, die in der allgemeinen Freiheitsbewegung in Rußland bestanden, bildeten sich ziemlich schnell auch im Kaukasus aus. Nach der Niederlage im Krimkrieg von 1856 (es sind immer die Kriege, die die Völker am tiefsten aufwühlen)-kam es zu einer Gegenbewegung gegen den Absolutismus, der Rußland im Vergleich mit den großen Ländern des Westens im Zustand einer besonderen und privilegierten Barbarei hielt. Eine reformistische Bourgeoisie, die die besten Absichten verfolgte, richtete ihre Blicke auf das " Licht aus dem Westen". 1860-1869: Reformen kommen diesen Tendenzen entgegen. Die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Schaffung der Semstwos (Gemeindeselbstverwaltung), eine Reorganisation des Gerichtswesens. Aber so viel Staub diese Reformen aufwirbelten, man konnte bald feststellen, dass sie nicht viel an der Lage änderten. Die Aufhebung der Leibeigenschaft war von nichts weniger diktiert als von Gleichheitsbestrebungen. Sie verfolgte finanzielle Zwecke, kam praktisch dem Grundbesitz zugute und war schließlich aus politischen Erwägungen geboren: " Damit die Befreiung der Bauern nicht von selbst, nicht von unten kommt" (so sagte der Zar selbst). Aus der Enttäuschung entstand die große Bewegung der Narodniki: Nicht mehr hypnotisiert auf den Westen blicken, sondern im Gegenteil die spezifisch russischen Traditionen aufnehmen, den Mir (die alte Dorfkommune) und das Artel (die alte Produktionsgenossenschaft); auf diesem Wege sollte das russische Volk zum Sozialismus kommen, " ohne durch die Schrecken des Kapitalismus hindurchzugehen". Die große Zeit der Narodniki (ihre Verbände " Land und Freiheit", " Volkswille" und andere) war die Periode zwischen 1870 und 1881. Die Narodniki, die man in Europa meist Nihilisten nannte, rannten mit Bomben-und Revolverattentaten gegen das Regime der Herrscher im Winterpalais an. Die Verfolgungen, die 1881 nach der Ermordung Alexander II. einsetzten, zerstörten die Organisationen. Nur die literarischen Theoretiker blieben übrig. In seiner frühen Jugend hatte Lenin mit diesen Kreisen in Verbindung gestanden. Sein älterer Bruder Alexander nahm an der Arbeit im " Volkswillen" teil und wurde 1887 für seine Teilnahme an einem Attentat auf Alexander III. durch den Strang hingerichtet. Maria Uljanowa, die Schwester, berichtet uns, dass, als die traurige Nachricht von der Hinrichtung die Familie Uljanow erreichte, Wladimir Iljitsch, damals 17 Jahre alt, mit einem unbeschreiblichen Gesichtsausdruck sagte: " Nein, wir werden andere Wege gehen. Dieser Weg ist nicht der richtige." Dieser andere Weg war der des wissenschaftlichen Sozialismus, hervorgegangen aus dem alten Ideal der politischen Freiheit, der Abschaffung der Privilegien, der Gleichheit und allgemeinen Brüderlichkeit, jenem Ideal, das Karl Marx in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgenommen und umgeschmiedet hat. Einer der Grundzüge der marxistischen Lehre, die den alten Sozialismus von seinen lächerlichen und gefährlichen Kindereien befreit hat, war die Verbindung von Wirtschaft und Politik, von Sozialismus und Arbeiterbewegung. Die Notwendigkeit dieser Verschmelzung scheint uns heute unzweifelhaft. Aber sie war es nicht immer, und in dem Augenblick, wo alles neu zu schaffen war, musste dieser Gedanke gefunden werden. Der Sozialismus war eine internationale Organisation geworden. Auf die I. Internationale, die, von Marx und Engels selbst gegründet, " die ideologischen Grundlagen des proletarischen Kampfes geschaffen" hatte, war die II. Internationale gefolgt, die " den Boden für die Entfaltung einer breiten Massenbewegung der Arbeiterschaft vorbereitete". Der marxistische Sozialist bediente sich-im Gegensatz zu den " Sozialrevolutionären" und den Anarchisten, von denen es zahlenmäßig kleine, aber gewalttätige Gruppen gab-nicht des Terrorismus oder des Attentats. Diese blinden, chirurgischen Methoden, die fast immer wild über ihr Ziel hinausschießen und zu anderen als den gewollten Resultaten führen, waren nicht seine Sache. Seine Sache war es, durch die Erkenntnis des wahren Interesses, durch die bewusste Disziplin 12 Dieser letzteren trat Joseph oder vielmehr Sosso Dshugaschwili, von ihren Ideen heftig angezogen, bei. Wie sah er aus? Als Kind war er klein, zart, von kühnem, beinahe etwas frechem Aussehen und trug den Kopf immer hoch erhoben. Später, als er mit den Jahren aufgeschossen war, erschien er ziemlich gebrechlich und zart: das Gesicht eines sehr verfeinerten Intellektuellen, dichtes, borstiges, tintenschwarzes Haar. Seine jugendliche Magerkeit ließ das georgische Oval seines Gesichts und das etwas längliche Auge seiner Rasse noch stärker in Erscheinung treten. Zu jener Zeit stellte der junge Kämpfer eine interessante, weil sehr vollkommene Mischung von Arbeiter und Intellektuellem dar. Nicht sehr groß, schmale Schultern, längliches Gesicht, ein feiner Bart, etwas schwere Augenlider, eine schmale und gerade Nase, auf den üppigen schwarzen Haaren die flache Mütze, ein wenig zur Seite geschoben-so stellte er sich damals dar, dieser Eroberer der Massen, dieser Weltumstürzer. Seitdem hat das Gesicht Stalins endgültig feste Formen angenommen, und besonders heute, wo das immer noch starre, zu einer Bürste geschorene Haar leicht ergraut ist, ist man versucht zu glauben, dass seine Züge noch proletarischer. ja militärisch geworden sind-vielleicht zum Teil, weil man der Suggestion seiner Kleidung unterliegt. Aber man kann nicht sagen, dass er sich viel verändert hat, eher, dass man jetzt die Energie und die kämpferische Kraft, die dieses Antlitz auch früher zeigte, stärker erkennt. Denn wenn ein Mensch sich im Grunde seines Wesens nicht geändert hat, so ist er es. Schon in der Zeit, vor etwa 35 Jahren, in der er für Ketskoweli " ein guter Kerl" war, erkannte man ihn an der Sauberkeit seiner Ausdrucksweise. Dieser eigentümliche junge Mann hasste alle Phrasen. Er war das Gegenteil von denjenigen, die mit volltönenden Reden und kühn in die Luft gezeichneten Gesten nach vielen Effekten haschten. " Knappheit, Klarheit und Exaktheit waren seine kennzeichnenden Merkmale." Zum Unglück für seine Ruhe studierte er in dem Tifliser Seminar im geheimen naturwissenschaftliche und soziologische Bücher. Er trug das geschriebene Gift exakter Kenntnisse in dieses Haus der frommen Denkart. Die Herren des Hauses entdeckten diesen Skandal. Der Drang zum wirklichen Lernen war unvereinbar mit den reinen Traditionen des Seminars: der junge Sosso wurde als " politisch unsicheres Element" relegiert. " Er ging, ohne sieh umzusehen, geradewegs zu den Arbeitern." 1898 trat er in die Tifliser Organisation der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ein. Das war, wie wir gesehen haben, gerade das offizielle Geburtsjahr dieser russischen Sektion der II. Internationale. Jetzt war er auf seinem Wege. Er hatte nicht lange zu suchen brauchen, er war sofort gradlinig auf ihn zugegangen. Dieser Intellektuelle, Sohn eines bäuerlichen Arbeiters, wählte das Metier des " Berufsrevolutionärs"; zuerst unter den Eisenbahnern von Tiflis, später unter den Tabak-und Schuharbeitern, dann unter den Arbeitern der meteorologischen Station: ein Arbeiter der Arbeitersache. Einer von seinen Gefährten der damaligen Zeit, der in jenen Tagen viel mit Sosso Dshugaschwili zusammen war, berichtet uns, wie sein Freund " zu den Arbeitern zu sprechen verstand". Diese Gabe, für jedermann verständlich zu sein, war auch eine charakteristische Eigenschaft Lenins, der, zehn Jahre älter, damals in den Hauptzentren der russischen sozialistischen Bewegung tätig war. Dieser Lenin, der die Elektrifizierung der Hälfte des alten Kontinents voraussah in einem Augenblick, wo ganz Rußland nur ein von innen und außen beranntes, schuttbedecktes Ruinenfeld war, dieser Seher, der die größten irdischen Pläne, die je ein Gehirn geschmiedet hat, in ihrer ganzen Größe und bis zum letzten I-Punkt zu erfassen verstand, wusste ebenso zu den Arbeitern zu sprechen, selbst individuell: die Mütze tief über den runden und kahlen Schädel gezogen, mit listigen Augen, die Hände in den Taschen, mit dem Aussehen eines gutmütigen, aber dickköpfigen und gewitzten kleinen Kaufmanns trieb er sich an den Fabriktoren herum. Er sprach einen Arbeiter an, unterhielt sich vertraulich mit ihm-und hatte ihn fürs Leben gewonnen. Aus einem Gleichgültigen machte er einen 14 13 Aufrührer, aus einem Aufrührer einen Revolutionär. (Und der Bauer sagte von ihm: " Dieser kleine Mann da, mit den Pockennarben, weißt du, das ist einer wie du und ich. Er könnte geradewegs vom Felde gekommen sein.") Joseph Wissarionowitsch war vom selben Schlage, und das lässt diese beiden Silhouetten unter der Menge der anderen vor unseren Augen noch näher aneinanderrücken. " Die natürliche Einfachheit Sossos, seine absolute Gleichgültigkeit gegenüber seiner persönlichen Lebenslage, seine innere Festigkeit, seine schon damals bemerkenswerte Bildung gaben ihm Autorität und machten, dass seine Umgebung ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte und bewahrte. Die Arbeiter von Tiflis nannten ihn: ,unser Sosso'." Diese fast geniale Gabe, sich mit den Zuhörern auf dasselbe Niveau stellen zu können, war die tiefere Ursache für das Vertrauen und die Liebe, die die Massen diesem Mann entgegenbrachten, und für die gewaltige Rolle, die zu spielen ihm bestimmt war. Wir sollen uns aber nicht täuschen: sich auf die gleiche Höhe stellen bedeutet nicht, sich herablassen, sich billig machen, eine formlose Familiarität genießen. Durchaus nicht. Orachelaschwili gibt uns eine klare Definition: " Er war weder schematisch, noch vulgär." Der Parteifunktionär war für ihn ein Transformator, der dieselben Dinge sah, wie der weiseste Theoretiker, nur angepasst an den Geist und die Bildung des Hörers. Wie? Durch Bilder, durch lebende Beispiele. Wir anderen, erklärt Orachelaschwili, die mit ihm zu den...
Eine der düstersten Perioden in der Geschichte des Tallinner Konservatoriums war die vom Jahre 1948 bis ungefähr zur Mitte der 1950er Jahre. Die Reformierung des dortigen Musiklebens nach den sowjetischen Modellen hatte zwar bereits im Jahre 1940 begonnen, als Estland als Ergebnis des im Vorjahr geschlossenen Molotow-Ribbentrop-Paktes in die Sowjetunion eingeschlossen worden war. Damals unterbrach der Krieg die Änderungen, doch nach 1944 setzten diese fort. Direkt nach dem Krieg war die Aufmerksamkeit dortiger Machthaber mehr auf die Brechung militärischen Widerstandes und auch auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau gerichtet, der geistige Druck begann im Winter 1947/48 wesentlich zuzunehmen. Es gab auch internationale Gründe dafür, warum die Sowjetmacht im ganzen Baltikum aggressiver wurde – in 1948 hatte sich Jugoslawien, geführt durch seinen damaligen Leader Jossip Broz Tito, von der Einflusssphäre von Moskau und Stalin losgelöst. Die Reaktion von Moskau daraufhin umfasste auch verstärkte Angriffe gegen Nationalkulturen und besonders gegen die Machthaber, lokale Kommunisten in den neuen Sowjetrepubliken.
Forum für osteuropäische Ideen -und Zeitgeschichte, 2012
Stalin-Kult 2.0. StaUn-Kult in russischen Medien des 21. Jahrhunderts In einer Fernsehsendung am 30. Dezember 2010 äußerte der Rektor der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums, Evgenij BaZanov, sichtlich erregt: Niemand will unsere Vergangenheit. schmähen, es geht darum, daß man nicht wieder in den Stalinismus hineinschlendert! [sie!] Und niemand der hier Anwesenden, und überhaupt niemand in unserem Land wiirde das wollen. Sogar wenn jemand nicht weiß, daß er es nicht will, will er es nicht! 1 Wer sind jene, die nicht wissen, daß sie es nicht wollen? Es sind nicht wenige-bei dem großangelegten Fernsehprojekt Der Namß Rußland: Die histon:sche Wahl 2008 (Imja Rossija: Istoriceskij vybor 2008) stimmte 2008 über eine halbe Million russischer Zuschauer fiir Stalin als dem identitätsstiftenden Patron des heutigen Rußlands, womit er bei der Endabstimmung immerhin auf den dritten Platz kam. 2 Es drängt sich die Frage auf: Was wissen russische Fernsehzuschauer, Zeitungs leser und Intemetnutzer über Stalin? Welches Stalin-Image dominiert die russische Medienlandschaft? Im folgenden soll die Genese des Stalin-Kultes in den russischen Medien der letzen fUnf Jahre anhand von Fernsehsendungen, Presseberichten und der Blogosphäre analysiert werden. Dem vorliegenden Beitrag liegen zwei Überlegungen zugrunde. 1 Wir werden später noch Gelegenheit haben auf das Femsehprojekt Sud vremeni (Gericht der Zeit) zu sprechen zu kommen, bei dessen letzter Sendung diese Worte gefallen sind. http:// 5-tv.ru/video/506078/ (10 .1.2012). Die Übersew.ungen stammen jeweils vom Verfasser.
2019
Die bolschewistischen Revolutionäre führten nach ihrem gewaltsamen Umsturz von 1917 ein koloniales Unterfangen fort, das bereits unter den Zaren betrieben worden war: die Expansion der russischen Metropole an die südliche Peripherie. Dabei waren es insbesondere übertragbare Krankheiten, die es ihnen erschwerten, ein neues Regime zu etablieren und sich die lokale Wirtschaft zunutze zu machen. Eine Malaria- und Pestepidemie auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschan veranlasste die bolschewistische Führung in den frühen 1930er-Jahren, eine ganze Reihe hygienepolitischer Maßnahmen eilig ins Werk zu setzen. Dazu gehörten die wissenschaftliche Vermessung bislang unerforschter Naturräume, der forcierte Aufbau einer zentralisierten Hygienebürokratie und die medizinische Ausbildung einheimischer Experten. Von Menschen und Mikroben erzählt davon, wie bolschewistische Hygienepolitiker und Experten unter Stalin ihren Kampf gegen Malaria und Pest als zivilisatorische Mission führten. Denn sie sahen die Ursachen für übertragbare Krankheiten vor allem in »kulturlosen« Lebensweisen, die »modernen« und »aufgeklärten« Maßstäben nicht genügten. Wer krank war, so die Annahme, lebe falsch und verfüge nicht über das »richtige« Bewusstsein. Nur wer »Dunkelheit«, »Schmutz« und »Armut« hinter sich ließe, dürfe darauf hoffen, »Licht«, »Reinheit« und »Wohlstand« zu gewinnen. Wer es aber ablehnte, sich bolschewistischen Normen zu unterwerfen, galt als »Volksfeind« und »Saboteur«.
Meilensteine der Soziologie, 2019
Für die eilige Leserin Im Verlauf der Geschichte der Soziologie traten verschiedene Varianten von Erklärungen sozialen Handelns auf. Manche von ihnen beanspruchten, dahinterliegende, nicht unmittelbar zugängliche Faktoren identifizieren zu können, die ein besseres Verständnis von Verhalten oder Institutionen ermöglichen. Zu diesen gehören so genannte funktionale Erklärungen. Funktionale Erklärungen waren in den Sozialwissenschaften an der Wende zum 20. Jahrhundert weit verbreitet. Sie passten sich gut den Gesellschaftsbildern an, die im aufgeklärten europäischen Kulturraum des 19. Jahrhunderts verbreitet waren. Hier dominierte eine Vorstellung von Gesellschaft, die den menschlichen Organismus zum Modell nahm und daher fragte, welche gesellschaftlichen Teile welchen Organen des Körpers entsprechen. Ein wenig anders war die Schwerpunktsetzung beim Studium außereuropäischer Kulturen. Die verschiedenen Facetten der damals noch ohne Zögern "Primitiven" genannten versuchte man sich verständlich zu machen, indem man unbefangen Kategorien aus der westlichen Weltdeutung benutzte, um sich das Tun der "Wilden" verständlich zu machen. Was in Europa Tausch von Waren gegen Geld war, fand man anderswo als Transaktion von Kultgegenständen und suchte nach deren wirtschaftlicher Bedeutung. Robert K. Merton (1910-2003) unternahm es in den 1940er Jahren, den Stand der Diskussion über die funktionale Analyse zusammenzufassen und Ideen zu ihrer Fortführung zu formulieren. Zwei miteinander verbundene Begriffe spielten dabei eine große Rolle: Latente Funktion und Dysfunktion. Während manifeste Funktionen Folgen absichtsgeleiteten Handelns hervorbringen, steht "latent" für alle → nicht-beabsichtigten Nebenfolgen unseres Handelns, von denen man dennoch sagen kann, dass sie nützlich für etwas sind. Mit dem Begriff Dysfunktion wird darauf aufmerksam gemacht, dass es negative Folgen geben kann, die nicht-beabsichtigt waren, aber auch nicht vorhergesehen werden konnten. Vorgeschichte Das Bemühen aller Sozialwissenschaften zielt auf die Beantwortung einer der beiden folgenden Fragen: Was ist der Fall? und: Was steckt dahinter? (vgl. dazu Luhmann 1993) Begnügt man sich bei ersterer mit der möglichst getreuen Schilderung von Ereignissen, strebt man bei der zweiten danach, etwas nicht gleich Sichtbares als Ursache für das Auftreten des Sichtbaren zu benennen. Manches Mal wird das, was dahintersteckt, allein durch seine Benennung sichtbar; man hätte es selbst sehen können. Oftmals verbleibt das, was man meint, als Ursache/Grund/Wurzel identifiziert zu haben, allerdings ein Gedanke, eine Idee, ein Begriff oder eine Theorie. Solche Entitäten, also "Dinge" im weitesten Wortsinn, kann man nicht sehen oder angreifen, weshalb der Versuch der argumentativen Überzeugung hier andere Wege einschlagen muss. Wegen der geringeren Anschaulichkeit kann es im Streitfall schwierig sein, eine neutrale Ebene ausfindig zu machen, die beide Seiten des Streits akzeptieren. Statt eines "Schau doch hin!" muss sich der Dahinterblickende damit begnügen, seinem skeptischen Gegenüber ein "Das muss dich doch überzeugen…" entgegen zu halten. Im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte haben sich die Argumentationen darüber, was das Dahintersteckende ist und wie es gefasst werden könnte, stark gewandelt: der "Wille Gottes" und die "Kraft des Blutes" haben deutlich an Überzeugungskraft verloren. Eine Variante, die mehr Raum eroberte, sind so genannte funktionale Erklärungen. "Was man sieht, ist nur die Oberfläche, eigentlich handelt es sich doch darum, dass …" beginnen solche Belehrungen, die umso erfolgreicher wirken, je mehr sie den anderen zu überraschen vermögen. In der biblischen Geschichte von Abraham, den Gott aufforderte, seinen Sohn zu opfern, lesen wir, dass es dem Allmächtigen nicht um die Tötung des Unschuldigen ging, sondern nur um die Prüfung der Intensität von
Die kultische Verehrung Stalins nahm in seinem Heimatland Georgien besondere Züge an: Er wurde als Nationalheros stilisiert.
Katyn 1940, 2015
The book not only presents the current state of research on the reconstruction of the murder of more than 22,000 Polish prisoners of war by the Soviet secret service NKVD, but also explores the question of why the Soviet fake news campaign on Katyn was so successful with the Western Allies. For the first time, it also presents the role of German opponents of Hitler in the background of the first Nuremberg trial: They convinced the US delegation that after all Katyn was a Soviet and not a German crime. Extended versions of the book are available in English, Spanish and Polish.
in: Jörg Ganzenmüller, Raphael Utz (Hrsg.): Sowjetische Verbrechen und russische Erinnerung. Orte – Akteure – Deutungen (Europas Osten im 20. Jahrhundert. Schriften des Imre Kertész Kollegs Jena, Band 4). Oldenbourg Wissenschaftsverlag München 2014, S. 197-216.
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Totalitarismustheorien in der jungen BRD, 2022
Stalin und die Deutschen. Neue Beiträge der Forschung, edited by Jürgen Zarusky, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006
In Stalins Gefolgschaft: Moskau und die KPD, 1928-1933, 2007
Konferenzpaper, BpB, 2015
Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung, 2010
Jakob Tanner, "Die Ereignisse marschieren schnell". Die Schweiz im Sommer 1940, in: Andreas Suter, Manfred Hettling (Hg.), Struktur und Ereignis, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 19, Göttingen 2001, S. 257-282., 2001
https://minlittera.hypotheses.org/, 2022
Journal of Modern European History, 2012
SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen