Die Kompetenzlehren des EU-Rechts1 sind der Königsweg zu einem adäquaten Verständnis der europäischen Integration. Mit keiner anderen Kategorie lassen sich Gestalt und Wirken der EU besser erfassen als mit jener der EU-Kompetenz. In den Kompetenzen der EU drücken sich ihr Sein und ihr Auftrag, ihr Antrieb und ihre Finalität aus. Die Kompetenz ist der Sitz des Wesens der EU und ihres politischen Charakters. Kompetenz ist eine rechtliche Kategorie, mit der die Befähigung eines Kompetenzträgers bezeichnet wird, kompetenzgemäße Handlungen vornehmen zu können. Kompetenznormen sind Rechtsnormen, die den Berechtigten in die Lage versetzen, bestimmte Handlungen vornehmen zu können. Kompetenz ist nicht Aufgabe oder Ziel; sie ist auch nicht Rechtsmacht. Kompetenz ist vielmehr Grundlage und Voraussetzung von Rechtsmacht. In der Kompetenz liegt, soweit es um öffentlich- rechtliche Rechtsmacht geht, die Voraussetzung für die Ausübung von Hoheitsgewalt. Handeln des Hoheitsträgers, dessen Kompetenzlosigkeit feststeht, ist Willkür oder Gewalt, nicht aber Ausübung legaler (und damit legitimer) Hoheitsmacht. Vom Inhalt der Kompetenznorm hängt es ab, ob sie zum Erlass von Rechtsnormen, zur Vornahme von Realhandlungen oder zu sonstigen Entscheidungen befähigt. Kompetenznormen berechtigen notwendig einen Rechtsträger und begründen damit eine Zuständigkeit; adressatenlose Kompetenznormen sind ebenso wenig denkbar wie Kompetenznormen, die keine Zuständigkeit begründen. Welche Organe einer durch eine (Verbands-)kompetenz berechtigten juristischen Person zur Wahrnehmung der Kompetenz befugt sind, richtet sich nach den verbandsinternen Zuständigkeitsund Verfahrensbestimmungen.
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