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Freiheit und Kausalität bei Leibniz (2011)

Abstract

Please do not quote. I. Einleitung. Im Folgenden möchte ich auf einen Zusammenhang zwischen Leibniz' Theorie der Kausalität und seinem Freiheitsbegriff hinweisen. Es soll verdeutlicht werden, dass wir in Leibniz' Philosophie dem heute in den Vordergrund gerückten Konzept der transitiven Kausalität die Idee einer immanenten Kausalität gegenüberstellen müssen, um die Frage nach Freiheit angemessen beantworten zu können. In transitiven Kausalrelationen geht die Ursache in der Wirkung auf, etwa wenn ein bewegter Körper seinen Impuls an einen anderen Körper abgibt und dabei selbst an Geschwindigkeit verliert. Immanente Ursachen jedoch können ihre Wirkungen realisieren, ohne selbst vermindert zu werden: So galt etwa in der Wärmetheorie vor der Thermodynamik das Feuer als eine konstante Quelle der Qualität der Wärme; ebenso schrieb man in der platonischen Seelenlehre der Seele den unverminderbaren Ursprung aller körperlichen Bewegungen zu. Da sich Leibniz bereits in seinen frühen Jahren zur Rehabilita-tion von Aristoteles' substanziellen Formen im Kontext moderner Wissenschaft bekannt hat 1 , können wir große Teile seiner Naturphilosophie als den Versuch ansehen, transitive Ursachen und damit die quantitative empirische Wissenschaft, vor allem die Mechanik, mit immanenten Ursachen und damit irreduziblen qualitativen Veränderungen zu versöhnen. Heute wird der Freiheitsbegriff normalerweise im Zusammenhang mit transitiv-kausaler Determination konzipiert. Dies wurde durch Peter Bieri präzise auf den Punkt gebracht in Form des nach ihm benannten Bieri-Trilemmas, das aus drei heute geläufigen Grundannahmen besteht, die nicht alle zugleich wahr sein können: 1.) Die physische Welt ist kausal geschlossen. 2.) Geistige Zustände wie Willensakte sind von physischen Zuständen unterschieden. 3.) Geistige Zustände wirken auf physische Zustände ein 2 . Eine solche Problematisierung auf Leibniz zu beziehen ist nichts als ein Anachronismus unter dem Deckmantel der Systematizität, denn Leibniz konzipiert Freiheit vor allem in Bezug auf die Frage nach der Möglichkeit und Urheberschaft von Schuld und Strafe gegenüber Gottes Wissen und Gerechtigkeit 3 . Dennoch soll dieses Trilemma hier als Einstieg in die Frage nach dem Zusammenhang von Kausalität und Freiheit bei Leibniz dienen, und sei es nur als kontrastierende Gegenposition. Leibniz postuliert die Äquipollenz zwischen transitiver Ursache und Wirkung 4 und betont, dass selbst Gott nicht in den Weltablauf eingreift. Damit ist die Welt faktisch kausal geschlossen und physisches Geschehen stets determiniert. Leibniz kann auch annehmen, dass geistige Zustände von physischen Zuständen verschieden sind. Zwar finden sich erstaunlich wenig Bemerkungen von ihm zu diesem Sachverhalt, doch lässt sich aus den verschiedenen Schriften die relevante Differenz problemlos rekonstruieren: Geistige Zustände (oder Akte) sind im Prinzip nichts anderes als die einer individuellen Substanz zugehörigen und spontan hervorgebrachten Perzeptionen, während körperliche Zustände wohl fundierte Phänomene sind, deren Realität durch ein zugrundeliegendes Substanzenaggregat garantiert wird und die in den genannten Perzeptionen der Substanz phäno-1