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Die famose Hexenepoche,

Abstract

Mit "famose Hexen Epoche" bezeichnet der in Rom weilende Goethe am 4. August 1787 gegenüber Charlotte von Stein (B 8, 239) keineswegs das "finstere Mittelalter", sondern seine Zeit-die man rückblickend als Spätaufklärung sieht. 1 Allerdings war Kants "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" erst drei Jahre zuvor in der "Berlinischen Monatsschrift" erschienen. Obwohl dies etwas spät für eine Programmschrift des Jahrhunderts war und entgegen der Kantschen These, daß die Aufklärung noch keineswegs vollendet sei, gilt heute das 18. Jahrhundert-nicht nur in Deutschland-als "siècle des lumières". Historiker und Philologen können kaum der Versuchung widerstehen, von Kants später "Beantwortung" auf das gesamte vorausliegende Jahrhundert zu schließen (den Blick auf nachfolgende Zeiten sperren Epochenbegriffe wie "Klassik" und "Romantik"). Gewiß ist es "bequem", Kant als Gewährsmann zu zitieren, aber auch dies ist so gar nicht im Sinne des Philosophen (ThW 11, 53), ja es ist historisch falsch. Auch die weiter ausgreifende "Dialektik der Aufklärung" der Horkheimer und Adorno ist viel zu spekulativ, um die Probe aufs (historische) Exempel zu bestehen, denn kein "Rückfall in Mythologie" 2 drohte, die Aufklärung hat und hatte den mythischen Diskurs nie ganz verlassen. Zwar gefielen sich viele Zeitgenossen im Bewußtsein, es "zuletzt so herrlich weit gebracht" (MA 6.1, 551) zu haben-und das ist heute nicht anders als damals-, aber Goethes Skepsis, die schon eingangs anklang, steht weder allein-wenn auch nicht in der Majorität-, noch können die zahllosen Erscheinungen übersehen werden, die seine Zeit geradewegs verfinsterten: obskure Geheimgesellschaften, krasser Wunderglaube, fehlgedeutete Na