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2020
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2014 veröffentlichte Barbara Yelin ihre Comicerzählung »Irmina« 2. Darin erzählt sie die Geschichte einer ehrgeizigen jungen Frau in Deutschland, die auf der Suche nach Freiheit und sozialem Aufstieg Mitte der 1930er Jahre nach Großbritannien aufbricht, um dort ihr Glück zu versuchen. Nachdem sie in London eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin begonnen hat, lernt sie Howard, einen aus der Karibik stammenden Studenten aus Oxford, kennen; die beiden verlieben sich. Die Freundschaft bricht jäh ab, als sie einige Zeit später in das nationalsozialistische Deutschland zurückkehrt. In Deutschland heiratet sie einen SS-Mann, wird Mutter und arrangiert sich mit dem Dritten Reich und seiner Ideologie, wird zur Mitläuferin. An eine Rückkehr nach London denkt sie nicht mehr. Ihre Träume von einst scheinen begraben. Howard wird derweil Generalgouverneur auf Barbados. In der Bundesrepublik wurde »Irmina« mit Begeisterung aufgenommen. »Ein Frauenleben im Nationalsozialismus: Barbara Yelin legt das Comic-Glanzstück ›Irmina‹ vor«, rühmte Christian Schlüter in der »Frankfurter Rundschau« 3. Ein Meisterwerk, mit dem die Autorin Yelin alle Erwartungen übertroffen habe, die man in sie setze, lobte Andreas Platthaus in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« 4 , »nicht nur eine Graphic Novel über ein außergewöhnliches, unbequemes Thema, sondern auch über eine starke Frau von einer der wichtigsten Comic-Künstlerinnen ihrer Generation«, meinte Thomas Steinaecker in der »Süddeutschen Zeitung« 5. Auch von staatlicher Seite wurde »Irmina« Außergewöhnlichkeit attestiert. 2015 erhielt Barbara Yelin den Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur, der damit erstmals für einen Comic verliehen wurde. Die Jury habe, so das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst in seiner Pressemitteilung vom 22. Juli 2015, die »überaus gelungene, zwanglose Verbindung von individuellem Schicksal und historischem Hintergrund« gewürdigt. Die umfangreiche 1 Der vorliegende Beitrag wurde zunächst in polnischer Sprache veröffentlicht: Bettina Severin-Barboutie, Opowiadanie historii przez komiks. Sprawozdanie z badań, übers. v. Izabela Drozdowska-Broering, in:
2018
Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie Comicschaffende Geschichte im Comic inszenieren. Welche textuellen und bildlichen Strategien kommen zum Einsatz, um historische ‚Authentizität‘ zu simulieren? Nach der Einordnung des Begriffs der historischen Authentizität in den aktuellen geschichtswissenschaftlichen Forschungsdiskurs werden sieben Modi der Inszenierung von Geschichtlichkeit im Comic vorgestellt. Diese Modi sind immer sowohl als Strategie der Comicschaffenden, wie auch als Erwartungshaltung der Lesenden zu verstehen und geben schließlich darüber Auskunft, wie Geschichte im Comic transformiert wird und welche populären Vorstellungen von Geschichtswissenschaft sich letztlich in Geschichtscomics widerspiegeln.
2015
Comics begleiten die Menschen weltweit schon seit mehr als 100 Jahren in verschiedensten Formen, sei es als Strip in Zeitungen, als klassisches Comic-Heft, als Album und „graphic novel“ oder nunmehr auch in digitaler Form im Internet. Sie sind nicht nur Unterhaltung, sondern immer auch Spiegel unserer Gesellschaften. Als historische Quelle wurden sie jedoch erst relativ spat entdeckt. Wie mit ihnen als Quelle umgegangen werden kann, wird im folgenden Artikel beleuchtet, indem in chronologischer Folge an ausgewahlten Beispielen ihre Potenziale als text-bildliche Quelle vorgestellt werden.
2013
In Deutschland hatte der Comic es lange Zeit schwer, von Eltern und Erziehern akzeptiert zu wer-den. Nach 1945 war der Import aus Amerika, ebenso wie Kaugummi, Rock'n'Roll und Coca Cola, als ›Unkultur‹ der Besatzer verschrieen, und man war der Meinung, das triviale ›Blasenfutter‹ mit seiner primitiven Sprache behindere den kindlichen Spracherwerb und vor allem auch den Zugang zu ›richtiger‹ Literatur. Noch in meiner Kindheit in den späten 1960er--Jahren gab es nur ein Comicheft, das meine Eltern duldeten, die Illustrierten Klassiker. Jede Folge der Serie, in der Monat für Monat auf 64 Seiten etwas hölzerne Adaptionen von Werken der Weltliteratur erschienen, endete mit der Mahnung: »Jetzt hast Du die ›Illustrierte Klassiker‹--Ausgabe gelesen. Vergiß auf keinen Fall, Dir die Original--Ausgabe dieses Buches zu besorgen!« Nur als ›Brücke zur Literatur‹, die man natürlich als-bald hinter sich abbrechen sollte, war der Comic also halbwegs tolerabel -bleibt die Frage, wie viele der halbwüchsigen Leserinnen und Leser diese Aufforderung wirklich beherzigten, ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, sie jemals ernst genommen zu haben … Die vielleicht paradoxe Hoffnung, durch Comics zur humanistischen Bildung beizutragen, ist bis heute nicht erloschen, ebensowenig wie das zwiespältige Verhältnis zu diesem Medium. Allerdings scheint sich das einstige Negativ--Image etwas zu verlieren, mittlerweile versuchen Lehrerinnen und Lehrer ganz offiziell, ihren Schülern Literaturklassiker mit Comic--Adaptionen schmackhaft zu ma-chen, und sogar der vornehme Suhrkamp Verlag hat begonnen, geeignet erscheinende Titel aus seinem Verlagsprogramm zur Umsetzung in Auftrag zu geben -durchaus nicht ohne ein erstes beachtliches Ergebnis (Nicolas Mahler: Alte Meister, nach Thomas Bernhard), aber eben hauptsäch-lich mit dem Gedanken im Hinterkopf, den Originalen neue Leser zu verschaffen.
Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics., 2011
Jedes Erzählen interpretiert das Erzählte neu, sowohl historisch kritisches, als auch mythisierendes. Die oben gezeigten Beispiele der Fotoverwendung in Maus zeigt, dass auch um historische Korrektheit bemühtes Erzählen von narrativen Konventionen beeinflusst wird. Differenzierte Auseinandersetzungen stehen dabei neben verzerrten Darstellungen und beide wirken gemeinsam auf das kollektive Erinnern und den Umgang der einzelnen Kulturen mit der eigenen und der gemeinsamen Weltgeschichte. Die Mythisierung der Nazi-Zeit durch ihre Einbindung in andere narrative Zusammenhänge hat es deutlich schwieriger gemacht, die historischen Ereignisse, Verhältnisse und Zusammenhänge im kollektiven und kulturellen Gedächtnis zu bewahren, ohne sie fiktional zu verzerren. Die Beispiele aus amerikanischen Abenteuer- bzw. Superhelden-Comics verdeutlichen, wie ein Themenbereich Zeichen, Motive und Stoffe liefert, als absolut böse klassifiziert, ausgeschlachtet und mit anderen aus beliebigen Zusammenhängen, nicht zuletzt der Popkultur, stammenden Motiven und Figuren verbunden wird. Etablierte Erzählmuster verlangen nach stereotypen Figuren, die mit entsprechend vereinfacht konstruierten und bewerteten Typen gefüllt werden. Witzfiguren oder Horrorpersonal, übermächtige hemmungslose Ultraschulken oder lächerliche Größenwahnsinnige dominieren. Beide Extreme finden sich mit Nazi-Attributen ausstaffiert, beide tragen dazu bei, dass die historischen Verhältnisse und Personen immer weniger bedeutsam sind, sondern mythisch überhöht werden: Angesichts von Superkräften bei Helden und Feinden reichen normale Schurken und Verschwörungen nicht mehr aus, die Erkenntnis der "Banalität des Bösen" verschwindet, da der Gegner unbegrenzt machtvoll werden muß, denn nur dann kann der Kampf immer weiter gesteigert werden. Und je hemmungsloser böse und mächtiger der Feind gezeigt wird, um so schwieriger ist zwar der Sieg des Guten, das sich zugleich aber als noch stärker als dieser unbezwingbar wirkende Feind erweist. Leser ohne Wissen über diese historische Vorlagen sind kaum in der Lage, die Verdichtung zu decodieren, einzuordnen oder kritisch zu reflektieren. Aber auch bei Lesern mit Hintergrundwissen werden die überzeichneten Schurken und Nazi-Ableitungen ins Bildgedächtnis aufgenommen und werden Teil des Erinnerns, das durch bestimmte Zeichen und Situationen ausgelöst werden kann. In wie weit dies in solchen Situationen reflektiert wird oder unterschwellig geschieht, ist unklar. Klar ist, dass die Sicht aller auf diesen Themenbereich durch die Ablösung der Attribute und Etablierung bestimmter themenbezogener Typen vom Historisieren zum Emotionalisieren verklärt wird. In: in: Klaus Farin, Ralf Palandt (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics. Berlin: Archiv der Jugendkulturen, 2011; 419-427.
TanzScripte, 2016
Zeiten und Phänomene können grundsätzlich nicht ohne eine Strukturierung beschrieben werden. Eine Wiederholung im Sinne eines mimetischen Abbilds von Vergangenheit ist nicht möglich, es braucht für die Vermittlung von Geschichte gewisse Ordnungssysteme, die nach vorab festgelegten Kriterien funktionieren. Auf diesen Umstand verweist Alexandra Carter, wenn sie schreibt: »The writing of history is the writing of stories about the past.« 33 Das ›Schreiben von Geschichte‹ -die ›Historiografie‹ -weist als Strukturmerkmal narrative Formen auf, das heißt Ereignisse und Erfahrungen erhalten mittels einer Erzählstruktur eine Form, die wiederum bestimmte Ordnungen festlegt und bestimmte Bedeutungen generiert. Diese Sichtweise von der ›Geschichte als Erzählung‹ findet ihren prominentesten und radikalsten Vertreter in Hayden White, dessen Theorie paradigmatisch für den auch als ›Linguistic turn‹ beschriebenen Umbruch in den 1970er Jahren steht und die oben skizzierten Veränderungen massgeblich mitgeprägt hat. 34 Ausgehend von der Analyse von Klassikern des Historismus arbeitet der US-amerikanische Literaturwissenschaftler narrative Erklärungsmuster und ideologische Implikationen in der Geschichtsschreibung heraus. Ausgangspunkt bildet dabei die Tatsache, dass dasselbe historische Ereignis unterschiedlich interpretiert werden kann und auch dann noch plausibel erscheint, wenn sich zwei Interpretationen gegenseitig ausschließen. White folgert daraus, dass jede Darstellung historischer Zusammenhänge zwingend narrativ sei und nie eine ›historische Wahrheit‹ beschreiben könne. 35 Er unterscheidet drei Interpretationsebenen in der Geschichtsschreibung, die alles Faktische immer schon zur Fiktion machten:
Politik & Kultur - Zeitung des Deutschen Kulturrates, 2023
Christian Alexius »Wenn Sie eine Geschichte in Hollywood verkaufen wollen, schreiben Sie einen Comic-Strip. Statistiken zufolge sollte das Ihre Chancen um etwa 30 Prozent erhöhen.« Unabhängig davon, inwiefern diese Zahlen der Wahrheit entsprechen, scheint sich die US-amerikanische Filmindustrie heute noch an diesen Ratschlag aus den 1940er Jahren von Whitney Bolton zu halten, dem ehemaligen Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der Columbia Studios. Zumindest bietet der Blick auf die in Deutschland zehn erfolgreichsten Filme des letzten Kinojahres insofern ein gewohntes Bild, als dass sich darunter drei Comic-Verfilmungen finden lassen. Wenig überraschend ist auch, dass es sich bei »Doctor Strange in the Multiverse of Madness«, »Thor: Love and Thunder« und »The Batman« allesamt um Verfilmungen von Superhelden-Comics handelt, die seit Jahren zu den teuersten und kommerziell erfolgreichsten Produktionen aus Hollywood gehören. Die immense Popularität von Superheldenfilmen führt in der öffentlichen Wahrnehmung häufig zu dem Eindruck, dass es sich bei Comic-Verfilmungen grundsätzlich um Superheldenfilme handelt. Dass dem nicht so ist, führt der ebenfalls 2022 erschienene »Wo in Paris die Sonne aufgeht« vor Augen, bei dem viele im Publikum vermutlich gar nicht wussten, dass es sich bei ihm um eine Comic-Verfilmung handelt. Die Adaption zweier Graphic Novels von Adrian Tomine um die miteinander verflochtenen Lebensund Liebesgeschichten dreier junger Menschen könnte mit seinen in schwarz-weiß erzählten Alltagsepisoden zumindest kaum weiter von den bunten, lauten und fantastischen Welten entfernt sein, für die die Comics aus den Verlagshäusern Marvel und DC Pate stehen. Abgesteckt ist damit zumindest ansatzweise das weite Feld, innerhalb dessen sich Comics, sprich Comic-Strips, Comic-Serien und Graphic Novels, und ihre Verfilmungen thematisch und ästhetisch bewegen können. Daher gilt es einer Gleichsetzung von Comic-Verfilmungen mit Superheldenfilmen aktiv entgegenzuwirken. Schließlich reduziert sie den Comic zu Unrecht auf ein einziges Genre und läuft dadurch Gefahr klischeebehaftete Vorstellungen von Superheldengeschichten auf Comics insgesamt zu übertragen. Dazu zählt das Stereotyp von einem ausschließlich jugendlichen Lesepublikum oder einer eingeschworenen Gemeinde weißer und männlicher Fans wie den Protagonisten der US-amerikanischen Sitcom »The Big Bang Theory«. Der Hinweis von Whitney Bolton ist daher insofern wertvoll, als dass er auf die historische Dimension von Comic-Verfilmungen aufmerksam macht. So greift schon der in »L'arroseur arrosé« (1895) von den Brüdern Lumière inszenierte Sketch um einen Gartenschlauch ein Thema auf, das zuvor in unterschiedlichen Bildgeschichten wie Christophes »Histoire sans paroles-Un Arroseur public« (1889) dargestellt wurde. Heraussticht in der Frühzeit des Kinos zudem der USamerikanische Comic-Zeichner Winsor McKay. Er wurde zu einem Pionier des Animationsfilms, als er in dem 1911 erschienenen »Winsor McCay, the Famous Cartoonist of the N.Y. Herald and His Moving Comics« Figuren aus seinem Comic-Strip »Little Nemo in Slumberland« adaptierte. Spricht man von »moving comics« oder von einem »in Bewegung Versetzen« von Comics mit den Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2023.
DIEGESIS 8.1, Sonderausgabe mit Gastherausgebern: Christian Klein, Matías Martínez, Lynn L. Wolff
Großerzählungen des Extremen
ISIS und der Westen erzählen scheinbar sehr unterschiedliche Geschichten über den Dschihad bzw. den »War on Terror«. Während die Forschung sich bereits intensiv mit der diskursiven Formation des »War on Terror« beschäftigt hat (Jackson, 2005; Jarvis, 2009; Spencer, 2010), erscheinen die Narrative von ISIS über den Dschihad weit weniger Beachtung zu finden. Dieses Kapitel möchte sich dieser Lücke widmen und insbesondere die Erzählungen untersuchen, die ISIS über sich selbst erzählt, um sich gegenüber potenziellen Unterstützern zu legitimieren. Wir zeigen, dass, obwohl sich die Erzählungen des »War on Terror« und des Dschihads unterscheiden, ISIS interessanterweise westliche Erzählstrukturen und Genres nutzt, um eine Geschichte über den Dschihad und seine eigene Rolle in diesem Konflikt zu erzählen, die viele Elemente einer klassischen romantischen Geschichte beinhaltet. Um dies zu illustrieren, werden wir im ersten Teil des Kapitels, basierend auf Einsichten aus der Literaturwissenschaft und Narratologie, auf das Konzept des Narratives eingehen und zeigen, was ein romantisches Narrativ ausmacht. Der zweite Teil des Kapitels illustriert diese Behauptungen durch die Analyse eines Bekennervideos eines kanadischen Konvertiten, der sich ISIS im Jahre 2012 anschloss. Durch die Herausarbeitung der romantischen Elemente im Narrativ dieses Videos wird deutlich, dass sich die kulturelle Ausdrucksform von ISIS in Form seiner Propagandamaterialien westliche Sehund Erzählgewohnheiten zu eigen macht, um die Geschichte eines Helden zu entfalten, der nach einem Erweckungserlebnis gegen einen ungerechten Feind und für eine moralisch überlegene Ordnung kämpft. Die Transformation von einem ›normalen‹ Kanadier zu einem vorbildlichen Märtyrer geht einher mit dem Verlassen einer vordergründig heilen westlichen Welt und dem
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Neues historisches Erzählen. Hg. v. Monika Wolting. Göttingen: V & R unipress, 2019
kultur leben 2/2022: Korrekt? Vom Umgang mit sensiblen Inhalten und Objekten, 2022
Markus Janka/Michael Stierstorfer (Hgg.), Verjüngte Antike. Griechisch-römische Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien (Studien zur europäischen Kinder- und Jugendliteratur 5, Heidelberg 2017), 2017
kids+media : Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung, 2011