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Großerzählungen des Extremen
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ISIS und der Westen erzählen scheinbar sehr unterschiedliche Geschichten über den Dschihad bzw. den »War on Terror«. Während die Forschung sich bereits intensiv mit der diskursiven Formation des »War on Terror« beschäftigt hat (Jackson, 2005; Jarvis, 2009; Spencer, 2010), erscheinen die Narrative von ISIS über den Dschihad weit weniger Beachtung zu finden. Dieses Kapitel möchte sich dieser Lücke widmen und insbesondere die Erzählungen untersuchen, die ISIS über sich selbst erzählt, um sich gegenüber potenziellen Unterstützern zu legitimieren. Wir zeigen, dass, obwohl sich die Erzählungen des »War on Terror« und des Dschihads unterscheiden, ISIS interessanterweise westliche Erzählstrukturen und Genres nutzt, um eine Geschichte über den Dschihad und seine eigene Rolle in diesem Konflikt zu erzählen, die viele Elemente einer klassischen romantischen Geschichte beinhaltet. Um dies zu illustrieren, werden wir im ersten Teil des Kapitels, basierend auf Einsichten aus der Literaturwissenschaft und Narratologie, auf das Konzept des Narratives eingehen und zeigen, was ein romantisches Narrativ ausmacht. Der zweite Teil des Kapitels illustriert diese Behauptungen durch die Analyse eines Bekennervideos eines kanadischen Konvertiten, der sich ISIS im Jahre 2012 anschloss. Durch die Herausarbeitung der romantischen Elemente im Narrativ dieses Videos wird deutlich, dass sich die kulturelle Ausdrucksform von ISIS in Form seiner Propagandamaterialien westliche Sehund Erzählgewohnheiten zu eigen macht, um die Geschichte eines Helden zu entfalten, der nach einem Erweckungserlebnis gegen einen ungerechten Feind und für eine moralisch überlegene Ordnung kämpft. Die Transformation von einem ›normalen‹ Kanadier zu einem vorbildlichen Märtyrer geht einher mit dem Verlassen einer vordergründig heilen westlichen Welt und dem
Lili-zeitschrift Fur Literaturwissenschaft Und Linguistik, 2012
Im Krieg, das wissen die Gemahlin und die Tochter des Obristen von G… ganz genau, haben Frauen mit »Greuel« zu rechnen, weshalb sie angesichts einer Invasion russischer Truppen abwägen, in der Festung zu verbleiben, die jedoch zum Ziel eines Angriffs werden könnte, oder sich auf die Landgüter der Familie zurückzuziehen, wo sie allerdings allen Fährnissen schutzlos ausgeliefert wären. 1 Die Zaudernden werden von den Ereignissen überholt. Ehe ihre »Abschätzung« der Risiken zur Entscheidung kommen konnte, wird die »Zitadelle«, in der sich die Familie ihres Kommandanten aufhält, vom »Feind« berannt. 2 Dessen Sturmangriff hat Erfolg, und auch die metaphorisch wie metonymisch mit der Festung verbundenen Frauen haben entsprechend mit der gewaltsamen Überwindung ihres Widerstandes zu rechnen. In der Tat machen sich einige Soldaten noch in der Hitze des Gefechts intra muros daran, alle Erwartungen der »weiblichen Überlegung« zu erfüllen und niederträchtigste »Greuel« zu begehen. Denn die offenbar recht attraktive Tochter des Hauses, die vor einem während der Kämpfe ausgebrochenen Feuer ieht, fällt in die Hände eines Trupp[s] feindlicher Scharfschützen, der, bei ihrem Anblick, plötzlich still ward, die Gewehre über die Schultern hing, und sie, unter abscheulichen Gebärden, mit sich fortführte. Vergebens rief die Marquise, von der entsetzlichen, sich unter einander selbst bekämpfenden, Rotte bald hier, bald dorthin gezerrt, ihre zitternden, durch die Pforte zurück iehenden Frauen, zu Hülfe. Man schleppte sie in den hinteren Schloßhof, wo sie eben, unter den schändlichsten Mißhandlungen, zu Boden sinken wollte… 3 Die »Frevler«, die sich noch untereinander um den Vortritt streiten, werden bei der massiven Verletzung der psychischen und körperlichen Unversehrtheit der Marquise von O… jedoch von einem russischen Of zier gestört, der »die Hunde, die nach solchem Raub lüstern waren, mit wütenden Hieben zerstreute. Der Marquise schien er ein Engel des Himmels zu sein.« 4 Das schätzt die Marquise bekanntlich völlig falsch ein, denn trotz aller verbindlicher französischer Komplimente nutzt
Mainzer Historische Kulturwissenschaften, 2016
Wie wurde im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit von Kriegserfahrungen erzählt? Die Beiträge des Bandes gehen dieser Frage auf innovative Art und Weise nach, indem sie geschichtswissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Methoden miteinander verbinden. Mithilfe dieses interdisziplinären Ansatzes werden Erzählpraktiken und -strategien beleuchtet, die Gattungsgrenzen zwischen faktualen und fiktionalen Texten aufgelöst und damit die Erkenntnismöglichkeiten im Hinblick auf die Erfahrungsgeschichte erweitert. Der Band ist nicht nur ein wegweisendes Werk der kulturwissenschaftlichen Forschung, sondern zudem ein Beispiel für gelungene und produktive interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Kriegserfahrungen erzählen, 2016
Die Beiträge in diesem Band kreisen um die Frage, wie Kriegserfahrungen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit in Texten erzählt werden. Damit werden zwei für die Kulturwissenschaften attraktive, aber durchaus auch komplexe Begriffe angesprochen-Erfahrung und Erzählen. Zu den beiden Begriffen liegen Forschungen aus sehr unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen vor. Erfahrung ist ein Alltagsphänomen und wird in der Alltagssprache je nach Kontext synonym verwendet für die Bereiche Aneignung von Wissen, Lernen, und/oder einer Situation angepasst handeln, weil man sie schon einmal erlebt hat. Die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs sollte diese Alltagskonnotationen vermeiden, doch wird auch in diesem Bereich wie in der Umgangssprache der Begriff bedarfsorientiert verwendet. Das ist zwar oft forschungspraktisch nützlich, doch verhindert oder erschwert es zumindest aufgrund fehlender definitorischer Abgrenzungen, Objekte präzise zu fassen. 2
2020
2014 veröffentlichte Barbara Yelin ihre Comicerzählung »Irmina« 2. Darin erzählt sie die Geschichte einer ehrgeizigen jungen Frau in Deutschland, die auf der Suche nach Freiheit und sozialem Aufstieg Mitte der 1930er Jahre nach Großbritannien aufbricht, um dort ihr Glück zu versuchen. Nachdem sie in London eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin begonnen hat, lernt sie Howard, einen aus der Karibik stammenden Studenten aus Oxford, kennen; die beiden verlieben sich. Die Freundschaft bricht jäh ab, als sie einige Zeit später in das nationalsozialistische Deutschland zurückkehrt. In Deutschland heiratet sie einen SS-Mann, wird Mutter und arrangiert sich mit dem Dritten Reich und seiner Ideologie, wird zur Mitläuferin. An eine Rückkehr nach London denkt sie nicht mehr. Ihre Träume von einst scheinen begraben. Howard wird derweil Generalgouverneur auf Barbados. In der Bundesrepublik wurde »Irmina« mit Begeisterung aufgenommen. »Ein Frauenleben im Nationalsozialismus: Barbara Yelin legt das Comic-Glanzstück ›Irmina‹ vor«, rühmte Christian Schlüter in der »Frankfurter Rundschau« 3. Ein Meisterwerk, mit dem die Autorin Yelin alle Erwartungen übertroffen habe, die man in sie setze, lobte Andreas Platthaus in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« 4 , »nicht nur eine Graphic Novel über ein außergewöhnliches, unbequemes Thema, sondern auch über eine starke Frau von einer der wichtigsten Comic-Künstlerinnen ihrer Generation«, meinte Thomas Steinaecker in der »Süddeutschen Zeitung« 5. Auch von staatlicher Seite wurde »Irmina« Außergewöhnlichkeit attestiert. 2015 erhielt Barbara Yelin den Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur, der damit erstmals für einen Comic verliehen wurde. Die Jury habe, so das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst in seiner Pressemitteilung vom 22. Juli 2015, die »überaus gelungene, zwanglose Verbindung von individuellem Schicksal und historischem Hintergrund« gewürdigt. Die umfangreiche 1 Der vorliegende Beitrag wurde zunächst in polnischer Sprache veröffentlicht: Bettina Severin-Barboutie, Opowiadanie historii przez komiks. Sprawozdanie z badań, übers. v. Izabela Drozdowska-Broering, in:
2003
Die Kriegsberichterstattung gilt als älteste Disziplin des Journalismus. Seit es Kriege gibt, bilden sie die Hauptthemen medialer Berichterstattung. Dabei stand die Kriegsbericht-erstattung immer unter dem Druck, von Militär und Politik für deren Interessen instrumentalisiert zu werden. Die Veränderungen der Kriegstechnologie gingen mit der Wandlung der Kriegsberichterstattung einher. Gleichzeitig zur technischen Entwicklung der Waffen kam es auch zu einer Weiterentwicklung der Medientechnologie und zu einer Veränderung des Kriegsbildes in den Massenmedien. In der vorliegenden Arbeit haben wir uns mit Diplomarbeiten zu den Themen Kriegsberichterstattung im Allgemeinen, Golfkrieg 1991 und Kosovo-Konflikt beschäftigt. Pro Themenbereich wurden jeweils drei bis vier Diplomarbeiten über Kriegsberichterstattung in der Fachbibliothek für Publizistik gefunden und untersucht. Um diese Analyse zu systematisieren, wurde ein grobes Frageraster erstellt, das für die Auswertung der jeweiligen Diplomarbeiten verwendet wurde . In Anlehnung an dieses Raster und unter Verwendung von Sekundärliteratur haben wir die unterschiedlichen Aspekte der drei Themenbereiche beleuchtet. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die moderne Kriegsberichterstattung zu geben und aufzuzeigen, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen die Arbeitsbedingungen und das Berufsbild bzw. Selbst-verständnis des Kriegsberichterstatters. Während der Entstehung dieser Arbeit begann ein neuer Krieg im Irak, weshalb es uns wichtig erschien, auch darauf einzugehen.
TanzScripte, 2016
Zeiten und Phänomene können grundsätzlich nicht ohne eine Strukturierung beschrieben werden. Eine Wiederholung im Sinne eines mimetischen Abbilds von Vergangenheit ist nicht möglich, es braucht für die Vermittlung von Geschichte gewisse Ordnungssysteme, die nach vorab festgelegten Kriterien funktionieren. Auf diesen Umstand verweist Alexandra Carter, wenn sie schreibt: »The writing of history is the writing of stories about the past.« 33 Das ›Schreiben von Geschichte‹ -die ›Historiografie‹ -weist als Strukturmerkmal narrative Formen auf, das heißt Ereignisse und Erfahrungen erhalten mittels einer Erzählstruktur eine Form, die wiederum bestimmte Ordnungen festlegt und bestimmte Bedeutungen generiert. Diese Sichtweise von der ›Geschichte als Erzählung‹ findet ihren prominentesten und radikalsten Vertreter in Hayden White, dessen Theorie paradigmatisch für den auch als ›Linguistic turn‹ beschriebenen Umbruch in den 1970er Jahren steht und die oben skizzierten Veränderungen massgeblich mitgeprägt hat. 34 Ausgehend von der Analyse von Klassikern des Historismus arbeitet der US-amerikanische Literaturwissenschaftler narrative Erklärungsmuster und ideologische Implikationen in der Geschichtsschreibung heraus. Ausgangspunkt bildet dabei die Tatsache, dass dasselbe historische Ereignis unterschiedlich interpretiert werden kann und auch dann noch plausibel erscheint, wenn sich zwei Interpretationen gegenseitig ausschließen. White folgert daraus, dass jede Darstellung historischer Zusammenhänge zwingend narrativ sei und nie eine ›historische Wahrheit‹ beschreiben könne. 35 Er unterscheidet drei Interpretationsebenen in der Geschichtsschreibung, die alles Faktische immer schon zur Fiktion machten:
Frühmittelalterliche Studien
Zur visuellen Legitimation von Gewalt in spätmittelalterlichen Bibelausgaben Unter welchen Bedingungen es für Christen erlaubt sei, Krieg zu führen und Menschen zu töten, stellte angesichts der Allgegenwärtigkeit kriegerischer Gewalt im Mittelalter ein Problem dar, das die Gelehrten intensiv beschäftigte 1. Für mittelalterliche Menschen war es jedoch keine rein theoretisch zu entscheidende Frage, ob ein Krieg und die damit verbundene Gewalt vor Gott als legitim gelten konnte. Sie konnte auch durch göttliche Zeichen und Handlungen im unmittelbaren Umfeld einer Schlacht oder Belagerung beantwortet werden, etwa wenn einzelne Heilige aktiv in das Kriegsgeschehen eingriff en, um auf diese Weise einer der beiden streitenden Parteien zum Sieg zu verhelfen 2. Nichts ließ aber die Ausübung von Gewalt und die Tötung des Gegners augenfälliger als gerechtfertigt erscheinen, als die unmittelbare und sichtbare Unterstützung durch Gott im Krieg 3. Beispiele hierfür ließen sich in großer Zahl in den biblischen Kriegen des Alten Testaments fi nden, deren Kenntnis und Auslegung mithin eine Deutungshilfe für das kriegerische Gewalthandeln der mittelalterlichen Gegenwart bot 4. Auf besondere Weise erfolgte die Auseinandersetzung mit den Er
Martin Huber / Wolf Schmid (Hg.): Grundthemen der Literaturwissenschaft: Erzählen. Berlin, New York: de Gruyter, 127-149., 2018
Der Beitrag behandelt den ‚Erzähler‘ (und damit verbundene Konzepte wie ‚Erzählstimme‘ und ‚Erzählinstanz‘), der in der Narratologie gleichermaßen als zentrales Charakteristikum narrativer Texte wie auch als analytischer Problemfall angesehen wird. Basierend auf aktuellen Forschungsdiskussionen zur Verfasstheit wie Erfassbarkeit des Erzählers als textinterner Größe beleuchtet der Beitrag zum einen die Prämissen und Implikationen der verschiedenen Konzeptualisierungen des Erzählers als notwendiges oder fakultatives Element der Narration. Anhand einer kognitiv-linguistischen Theoriefundierung und konkreter Beispiele narrativer Texte entwirft der Artikel zum anderen eine Konzeptualisierung des ‚Erzählers‘ bzw. genauer: der ‚Erzählerebene‘ als abstrakter Funktionsinstanz, die zusammen mit der Figurenebene die für narrative Texte grundlegende Doppelstruktur konstituiert.
2024
Karl und das zwanzigste Jahrhundert und die Zeitschrift Fernunterricht
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Matías Martínez (Hg.): Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart: Metzler, 2017
Postfaktisches Erzählen? Post-Truth – Fake News – Narration, 2021
Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 2014
Polyphonie des Holocaust. Stimmen zur Erinnerungskultur, Hrsg. M.A. Potocka, MOCAK, Kraków - Solingen 2020, 2020