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Sprache im literarischen Text

Erscheint in: Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur: philosophische Beiträge. Hrsg. von Christoph Demmerling und Íngrid Vendrell Ferran. Berlin: Akademie Verlag, 2014.

Orientiert man sich an der Anzahl der einschlägigen Publikationen, so kann man feststellen, dass die Aufmerksamkeit, die Philosophinnen und Philosophen dem Thema Literatur widmen, in den letzten Jahren stark zugenommen hat. 2 Dies ist nicht zuletzt der Formulierung verschiedener vermeintlicher Paradoxa geschuldet, etwa dem Paradox der Fiktion, also der Frage, ob wir genuine Emotionen für fiktionale Personen empfinden können, obwohl wir wissen, dass diese nicht existieren; dem Paradox der Tragödie bzw. des Horrors, also der Fragen, wie es möglich ist, dass wir uns an einer Tragödie bzw. einem Horrorfilm erfreuen, obwohl die dargestellten Ereignisse Mitleid oder Entsetzen hervorrufen sollten; oder der Frage nach dem kognitiven Wert fiktionaler Werke, also der Frage, ob fiktionale Texte kognitiven Gehalt haben und also unser Wissen bereichern können, obwohl die in ihnen enthalten Propositionen falsch sind. 3 In diesem Befund manifestiert sich ein zwiespältiges Bild, das den Zustand der Disziplin gut wiedergibt: Während sich die Philosophie der Literatur immer mehr zu einer selbständigen philosophischen Teildisziplin entwickelt, ist festzustellen, dass viele Beiträge zur Debatte kein genuines Interesse für Literatur zeigen. Oft stehen vielmehr Fragestellungen der Sprachphilosophie, der Erkenntnistheorie, der Metaphysik oder der Gefühlstheorie im Mittelpunkt, die außerdem zumeist nicht am Phänomen Literatur, sondern an dem der Fiktion abgearbeitet werden -was sich nicht zuletzt in den eben erwähnten Paradoxa zeigt. 1 Ich danke Daniel Steuer für wertvolle Hinweise und Anregungen zu einer früheren Fassung dieses Textes. 2 Als Beleg für das zunehmende Interesse sowie dafür, dass die Philosophie der Literatur daran ist, sich zu einer eigenständigen philosophischen Teildisziplin zu entwickeln, kann der Hinweis genügen, dass die Anzahl der Anthologien, Hand-und Einführungsbücher zur Philosophie der Literatur in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Vgl. John/Lopes (2004), Eldridge (2009), Lamarque (2009), Hagberg/Jost (2010) sowie Carroll/Gibson (im Erscheinen). 3 Diese Problemstellungen sind freilich nicht neu, sind aber durch pointierte Diskussionsbeiträge wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Ich erinnere hier für das Paradox der Fiktion an Radford (1975), für das Paradox des Horrors an Carroll (1990) und für das Problem des kognitiven Gehalts der Fiktion an Stolnitz (1992).