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Dieses Buch liest sich wie eine Befreiung. Ja, doch, es gibt Alternativen zum Kapitalismus und zum untergegangenen Staatssozialismus, zum übermächtigen Markt und Staat. Sie sind menschen-und naturfreundlich. Sie befriedigen Bedürfnisse und produzieren Verbundenheit. Sie sind so alt wie die Menschheit und gleichzeitig so modern wie neueste Computertechnologien. Sie sind überall auf dem Globus präsent, und doch kennen sie nur wenige. Es handelt sich um die Commons. Manche sagen dazu auch »Gemeingüter«, doch das ist unzulässig verkürzt. Woran liegt die seltsame Unsichtbarkeit der Commons? Viele Wirtschaftswissenschaftler stecken noch in der überholten Vorstellung von der »Tragödie der Gemeingüter« fest. Sie haben für Commoning keine Begriffe-und kein Verständnis dafür, dass es beim gemeinsamen Produzieren, Nutzen und Teilen nicht auf Geld-und Machtvermehrung ankommen könnte. Commons machen im Wortsinne sprachlos, weil sie mit den gängigen ökonomischen und juristischen Begriffen nicht zu fassen sind. Der große Einwand gegen Commons lautet gewöhnlich, sie seien zu klein, um Klimakrise, Armut und andere Weltprobleme zu bekämpfen. Die befreiende Botschaft dieses Buches: Es geht. Gerade die kleinteilige Selbstorganisation birgt die Rettung. Durch Commoning werden Lebensmittel angebaut und verteilt, Wälder geschützt, Wohnraum geschaffen, Menschen gepflegt, Traktoren entworfen, Schulbücher verfasst, gemeinwohlorientierte Kreditsysteme geschaffen und vieles mehr. Commoning ist ein lebendiger sozialer Prozess, in dem Menschen selbstorganisiert ihre Bedürfnisse befriedigen. Drei Beispiele: Gemeinschaftlich genutztes Ackerland, Weiden, Wälder und Gewässer gehören zu den ältesten und größten Commons: Laut einem Bericht der International Land Rights Coalition sind bis zu 2,5 Milliarden Menschen auf Gemeinschafts-und indigenes Land angewiesen. Der niederländische Pflegedienst Buurtzorg besteht aus lauter kleinen selbstverwalteten Teams. Diese pflegen Kranke schneller gesund als hierarchische Dienste-nicht obwohl, sondern weil dort niemand die Minuten pro Verbandswechsel abrechnen muss. »Wiki-House« ist ein Internet-Designbaukasten für die Schaffung von einfachem, günstigem und energiesparendem Wohnraum. Er ermöglicht eine »kosmo-lokale Produktion«, bei der Menschen »leichte« Dinge wie Wissen und Design über das Internet weitergeben, um vor Ort »schwere« Dinge wie Häuser zu produzieren. Mit einem großen theoretischen und empirischen Aufwand haben Silke Helfrich und David Bollier die Ergebnisse der Commons-Forscherin und Nobelpreis-Jahr Anzahl der SoLaWis
Commons, 2014
Die alte Welt treibt durch stürmische Zeiten. Sie wirkt wie ein aus dem Ruder gelaufener Tanker in schwerer See. Eine neue Welt ist nicht in Sicht, aber Leuchtfeuer am Horizont weisen in Richtungen, die wir jederzeit einschlagen können, um dem Sturm zu entkommen. Dieses Buch beschreibt sie. Es handelt von unserer Zukunft. Überall auf der Welt suchen Menschen nach Alternativen zu der überkommenen Ordnung, die sie umgibt: zentralisierte Hierarchien einerseits und entfesselte Märkte andererseits. Diesen Märkten sind die Staaten, am Steuer eines umweltzerstörenden Wachstums stehend, verpflichtet. Die Suche nach Alternativen findet ihren Ausdruck bei den spanischen Indignados, in den sozialen Konflikten Lateinamerikas, in der Occupy-Bewegung und im innovationsberstenden Internet. Menschen wollen sich nicht nur aus Armut oder von schwindenden Teilhabechancen befreien. Sie suchen auch neue Kommunikationsformen, Produktionsweisen und Regeln, die ihnen Stimme geben und Verantwortung zutrauen. Die bestehende Ordnung bietet keinen plausiblen Weg in die Zukunft. Wir selbst müssen diesen Weg bahnen! Das Buchprojekt, das Sie jetzt in den Händen halten, ist Teil dieses Prozesses. Die Essays dieses Bandes entfalten das Potential der Commons (der Allmende oder Gemeingüter). Sie weisen Wege und Strategien, um unsere Zukunft neu zu denken und selbstbestimmt zu gestalten. Die Beiträge der bewusst aus den unterschiedlichsten Sphären ausgewählten Autorinnen und Autoren aus 30 Ländern bilden drei Kategorien: erstens diejenigen, die unser theoretisches Verständnis der Commons festigen und erweitern; zweitens diejenigen, die eindringlich Kritik an der zunehmend dysfunktionalen Verquickung von Markt und Staat formulieren; drittens diejenigen, die konkrete Ideen und Projekte vorstellen und zeigen, wie innovativ, machbar und attraktiv Commons sind. Die Beiträge zur Commons-Theorie und zur politischen Ökonomie (Kapitel I) erkunden unter anderem die »Tragik der Anti-Allmende«, die beschreibt, wie übermäßige, fragmentierte Eigentumsrechte Innovation und Kooperation behindern. Sie erläutern die zentralen Unterschiede zwischen »Gemeingütern« und »öffentlichen Gütern« und analysieren die Weisen, wie Commons elementare Prinzipien der Moderne, des Liberalismus und des Rechts herausfordern. Und sie zeigen, wie das Denken in Commons-Kategorien erkennen lässt, dass die Methodik der
Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat
Jeder Mensch hat ein Recht auf eine intakte Umwelt. Davon gehen wir aus. Dieses Recht ist zwar in seiner Wirkung begrenzt, aber es ist Bestandteil unseres rechtlichen wie moralischen Erbes und wir meinen, dass es neu gedacht und mit Leben gefüllt werden muss, wenn uns die Erde weiterhin günstige Lebensbedingungen schenken soll. Das Menschenrecht auf Umwelt wiederzubeleben bedarf nicht nur einer Abwendung von der neoliberalen Politik und Ökonomie, die unaufhörliches Wachstum, die Kommerzialisierung der Natur und eine vom Markt geprägte Beziehungskultur erfordert. Es setzt auch voraus, dass wir die Commons als Governance-Modell nutzen, um eine neue Architektur des Rechts und des staatlichen Handelns konzipieren zu können. Seit den Anfängen der industriellen Revolution, vor allem aber seit dem Beginn der forcierten Globalisierung vor etwa 30 Jahren, wird das Recht auf eine intakte Umwelt von mächtigen ökonomischen und politischen Interessenvertretern unterdrückt und desavouiert. Dies geschieht zwar nicht mit vorgehaltener Pistole, aber doch im Rahmen eines Rechtssystems, das die private und öffentliche Plünderung unseres gemeinsamen Reichtums zum Schaden aller favorisiert. Wer das Recht auf Umwelt ignoriert, öffnet letztlich allerdings der Auslöschung Tür und Tor. Spätestens seit Silent Spring (dt.: Der stumme Frühling) von Rachel Carson wissen wir, dass die Menschheit nicht-erneuerbare Ressourcen verschwendet, wertvolle Arten willkürlich vernichtet und fragile Ökosysteme vergiftet und degradiert. In den letzten Jahrzehnten haben diese zunehmend vieldimensionalen und allgegenwärtigen Entgleisungen eine systemische Dimension angenommen. Seit einiger Zeit ist auch klargeworden, dass Kohlendioxid-und andere Treibhausgasemissionen die Erde in einem Ausmaß bedrohen, das seit Dinosaurierzeiten ohne Beispiel ist. Aus rechtlicher Perspektive betrachtet ist ein effektiver und fairer Umweltschutz, der die Grundbedürfnisse aller befriedigen kann, am ehesten durch die rigorose Durchsetzung eines neu konzipierten Menschenrechts auf Umwelt zu gewährleisten. Dies ist nur durch eine commons-und rechtebasierte ökologische Governance möglich, die lokal wie global funktioniert und auf Prinzipien wie der Achtung der Natur und der Mitmenschen beruht.
transcript Verlag eBooks, 2015
Mit den theoretischen Grundlagen und der Praxis der Commons beschäftigen wir uns in der Heinrich-Böll-Stiftung seit Langem. Als wir vor acht Jahren die ersten neugierigen Blicke auf die Commons geworfen haben, ahnten wir noch nicht, auf welch lange Reise wir uns begeben würden. Auf diesem Weg ist neben der politik-und wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Commons vor allem eine vertiefte Beschäftigung mit Kulturanthropologie nötig geworden. Wir haben entdeckt, dass die Commons und das Commoning überall in der Welt eine eigene Geschichte und spezifische Ausprägungen haben. Darin liegt auch ihr völkerverbindendes Potential, das auf neokoloniale Gedankenwelten und Politik genauso verzichten kann wie auf den Export von Demokratiemodellen, Institutionsformen und Patentrezepten für Entwicklung. Wenn sich Commons und Commoners Entfaltungsraum erkämpfen können, dann ist das ein großer Schritt für eine demokratische Entwicklung. Unsere Commons-Arbeit ist Teil eines Erkenntnisprozesses und einer Suche. Wir wollen unter anderem wissen: Wie könnte eine gerechte Wirtschaft und Gesellschaft aussehen, die eine sozialökologische Transformation in den planetarischen Grenzen ermöglicht? Wer treibt mit uns gemeinsam die Überlegungen voran, wie wir künftig miteinander leben wollen? Wer denkt nicht nur über Zukunftsfragen nach, sondern probiert hier und heute bereits Neues aus? Commons und Commoning sind Theorie und Praxis zugleich. Deshalb widmen wir beiden besondere Aufmerksamkeit als eine von mehreren möglichen Antworten auf die oben gestellten Fragen. Zu ihrer theoretischen Fundierung tragen wir seit Jahren bei und haben eine Trilogie geplant, deren erster Band im Frühjahr 2012 erschienen ist: Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Er wurde breit rezipiert. In vielen Diskussionen und Netzwerktreffen der letzten beiden Jahre entstanden Ideen für diesen vorliegenden zweiten Band: Die Welt der Commons-Muster gemeinsamen Handelns. Uns ist es wichtig, mit anderen an einer Vision zu arbeiten, die nicht nur Altbekanntes reformieren will, sondern einen wirklich transformativen Charakter hat. Wir unterstützen diesen Prozess, weil wir überzeugt sind, dass daraus Räume für eine andere Logik, eine neue Sprache und neue Denkkategorien entstehen. Solche Räume können sich nur losgelöst vom politischen Alltagsgeschäft und dessen Pragmatismus entfalten. Einen wichtigen Anstoß, in Commons-Theorie und alternative Formen der Wirtschafts-und Gesellschaftsgestaltung in unserem eigenen gesellschaftlichen 3 | Siehe zum Thema Lebendigkeit auch den Beitrag von Andreas Weber am Ende dieses Bandes auf den Seiten 354 ff. (Anm. der Hg.). Kapitel I-Begründen 34 Abbildung 8: Schema einer 4-Stufen-Pyramide mustertheoretischer Forschungsarbeit Muster der Commons und des Commoning Vor der Commons-Bewegung liegt eine Entwicklung, die mit einer weiteren Mobilisierung und Verbreitung des Wissens, das in der Bewegung beziehungsweise in ihren Akteurinnen und Akteuren lebt, verbunden sein muss. Die Situation erscheint komplex, vor allem durch die Vielfalt von historischen und aktuellen Erscheinungsformen von Commons in allen Kulturen. Es ist eine Herausforderung, aus dieser Vielfalt einen Grundstock von Begriffen als Modelle für alle Commons-Projekte ausfindig zu machen. Als wäre das nicht Anspruch genug, stellt sich zusätzlich die Aufgabe, wichtige Problemstellungen der Gegenwart, z.B. den Klimaschutz, als Gemeingut-Projekte zu verstehen und zu Lösungen zu finden. Die Situation ist nicht einfach und doch lässt sich sagen: Die notwendi gen Konzepte und Methoden existieren bereits, und es wird intensiv daran gearbeitet, die Theorie der Muster mit der Praxis der Commons zu verbinden.
Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat (2. Auflage), 2014
Eine der inspirierendsten Debatten während der Internationalen Commons-Konferenz in Berlin im November 2010 stand unter der Überschrift »Die re-produktive Logik der Commons«. Gibt es in den Commons Fülle oder Überfluss? Auch und obwohl sie auf natürlichen Ressourcen beruhen? Oder läuft dieser Gedanke letztlich darauf hinaus, natürliche Grenzen zu ignorieren? Die in Berlin begonnene Diskussion wird hier fortgeführt. Zusätzliche Informationen finden sich auf http://p2pfoundation.net/Abun dance_of_Food_vs_the _Abundance_of_Recipes (Zugriff am 06.02.2012). Silke Helfrich: Roberto, wenn Du über »Fülle in den Commons« redest, was meinst Du damit? Roberto Verzola: Dreierlei: die Fülle an Wissen und Information, die dank neuer Informations-und Kommunikationstechnologien (IKT) frei oder kostengünstig verfügbar ist; der Überfluss in biologischen Systemen, der sich trotz Missbrauch und unangemessener Nutzung immer wieder aufs Neue herstellt; und die materielle Fülle, die dann möglich wird, wenn wir ganz bewusst geschlossene Produktionskreisläufe gestalten, die auf erneuerbaren Energien beruhen. Stellen wir uns eine Flasche vor. Wir können Wasser, Nahrungsmittel, Sauerstoff und vieles andere darin abfüllen, um es zu verkaufen. Wenn der Flascheninhalt dann verbraucht ist, ist er weg. Aber eine Flasche voller Ideen wird sich niemals aufbrauchen, so viel wir diese Ideen auch nutzen. Wenn wir unsere Ideen teilen, haben wir am Ende mehr als zuvor. Das ist die Informationsfülle. Dank neuer IKT können wir heute einfacher auf den globalen Wissensvorrat zugreifen, wir können mehr Wissen suchen und teilen als je zuvor. Stellen wir uns nun die DNA vor. Auch sie wurde von der Natur gewissermaßen »abgefüllt«: in Gene, Zellen, Organismen und Arten, und sie hat jeden lebenden Organismus mit dem intrinsischen Antrieb ausgestattet, seine Art zu reproduzieren. Das ist die biologische Fülle. Und stellen wir uns schließlich eine Fabrik vor: Wenn es keinen entsprechenden Rahmen gibt, wird dort nur wenig oder gar nichts produziert. Aber sobald eine gewisse Ordnung da ist, werden jede Menge Güter hergestellt. Das ist organisierte Fülle. Kapitel I-Commons. Ein Paradigmenwechsel 132 Helfrich: Die »biologische Fülle« erinnert mich an Andreas Weber, ein Autor dieses Buches. In seinem Beitrag schreibt er: »Die Natur als Ganze ist das Paradigma eines Haushaltes der Gemeingüter. Nichts ist in ihr Monopol, alles ist Open Source.« Verzola: Nun, die Fülle in der Natur ist kaum zu übersehen: Bakterien können ihre Anzahl in einer halben Stunde verdoppeln; einige Pflanzen produzieren täglich eine Million Pollen; Fische können in einer Laichsaison bis zu zehn Millionen Eier ablegen; aus einem Reiskorn können 1000 Körner entstehen. In Meeren, Riffen, Seen, Mooren, Wiesen, Wäldern und anderen Ökosystemen gedeiht das Leben im Überfluss. Das Handeln der Menschen und der Unternehmen kann diese Ökosysteme zerstören; aber sobald sie sich selbst überlassen bleiben, setzt sich das Prinzip der Fülle wieder durch. Natürlich wächst Natur nicht grenzenlos, aber sie hat keine zeitlichen Grenzen. Arten bilden ausbalancierte Ökosysteme, die uns ununterbrochen mit Boden, frischer Luft und frischem Wasser, mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen für Kleidung und Wohnraum, mit Arzneimitteln, Energie und anderen Gütern und Dienstleistungen versorgen. Selbstredend geht es in der Natur nicht nur um gegenseitige Abhängigkeitsbeziehungen. Die Natur braucht auch Grenzen und Barrieren, um sich selbst gegenüber einem »Außen« zu schützen. So können zum Beispiel im Wasser lebende Arten ihre Eier und Spermien ins gleiche Wasser ablegen, aber eine Spermie kann nur ein Ei ihrer eigenen Art befruchten. Genetisch sind Arten praktisch autark.
Muster gemeinsamen Handelns
Gäbe es eine Gleichung, um die Internet-Plattform Goteo zu beschreiben, dann lautete sie so: Hacktivismus + Crowdfunding + breite soziale Zusammenarbeit = neue Commons. Natürlich existierten die einzelnen Größen für sich genommen bereits, doch erst Goteo vermochte sie in einem gemeinsamen offenen Netzwerk miteinander zu verbinden: um Commons-Aktive, also »Commoner«, zu unterstützen und eine neue Sphäre der Commons zu schaffen. Mit über 50.000 Nutzerinnen und Nutzern, insbesondere aus Europa und Lateinamerika, hat Goteo seit seiner Gründung 2012, in weniger als zweieinhalb Jahren, mit mehr als 2 Millionen gesammelten Euro geholfen, über 400 Projekte ins Leben zu rufen. Diese Projekte sind sehr vielfältig, sie stärken Commons, Open Code und Freies Wissen, es geht um Ausbildung, Umwelt, Technologie, Kultur, Start-ups, Journalismus und mehr. 1 Zu den bemerkenswertesten Initiativen zählen: Der Smart Citizen Kit, eine Open-Source-Plattform und Hardware zur Umweltüberwachung, mittels derer Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Umweltdaten veröffentlichen und teilen können. 2 Quién manda, ein kollaboratives Kartenprojekt, das die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse in Spanien sichtbar macht. 3 Open Source Gasifier, ein erneuerbarer Stromgenerator, der einen Biogasreaktor für organische Reststoffe nutzt. 4 Nodo Móvil, ein replizierbarer, mobiler Wifi-Hotspot für Communities, soziale Bewegungen und öffentliche Räume. 5
Selbst in Werken, die den marxistischen um ein Jahrhundert vorgehen, wird die prähistorische, Zeit vor der Zivilisation als eine aufgefasst, die „frei“ oder noch nicht befreit vom Privateigentum ist. Ob es Jacques Rousseaus ist, der eine Gesellschaft asozialer Individuen vorstellt,1 David Hume, der Gerechtigkeit nur in eine Gesellschaft des mäßigen Mangels versetzt (und eine Gesellschaft des Überflusses ähnlich wie verschieden Utopisten, Sozialisten und später Kommunisten als eine ohne für uns typische Konflikte beschreibt)2, oder Thomas Hobbes, für den in diesem Naturzustand das Naturrecht „aller auf alles“ und ein Krieg „aller gegen alle“ vorherrscht, die Vorstellung einer Phase der gesellschaftlichen Entwicklung vor dem Privateigentum ist nicht marxistische Dogmatik, sondern verbreitete Annahme.
Der Beitrag wurde auf der Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung anlässlich des 100. Jahrestages der Russischen Revolution von 1917 gehalten. Er fokussiert auf Lernen aus der Geschichte.
Eben Moglen sieht mit der Freien Software das Ende des »geistigen Eigentums« heraufdämmern. Digital repräsentierbare Informationen widersetzen sich der Eigentumsform, weil sie frei kopierbar sind. Deshalb sieht Moglen in diesem »anarchistischen« Ansatz, bei dem jeder die Werke anderer nicht nur nutzen, sondern auch verbessern darf, die einzig angemessene Produktionsweise – allerdings nur für Informationsgüter. Yochai Benkler verallgemeinert den Ansatz zur »commons-based peer production« und identifiziert das zugrunde liegende, sehr alte gesellschaftliche Organisationsprinzip: die Commons. Jeremy Rifkin will nichts von einer Begrenzung auf die Informationssphäre wissen, sondern sagt den »kollaborativen Commons« eine große Zukunft voraus, in der sie den Kapitalismus Schritt für Schritt zurückdrängen, bis er in einer »hybriden Wirtschaft« nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Doch Benkler wie Rifkin gehen von einer problematischen Konzeption von »Grenzkosten« aus, die ihre Ergebnisse verzerrt. Warum die Commons trotzdem als Hoffnungsträger gelten können, wird in diesem Text gezeigt.
2021
Wer das Video 1 schaut, reibt sich verwundert die Augen: Nach nur zehn Stunden steht dort, wo es vorher nur Grundmauern gab, eine riesige Doppelscheune. Am 13. Mai 2014 wurde sie von den Amish People 2 im Bundesstaat Ohio errichtet, verkleidet und gedeckt. Die Erinnerung an die Millionenmetropole Wuhan drängt sich auf. Dort ließ die chinesische Regierung Anfang Februar 2020 im Kampf gegen das Corona-Virus binnen zehn Tagen ein neues Krankenhaus aus dem Boden stampfen. 3 Im Gegensatz zu Wuhan kam jedoch in Ohio kaum mehr als Muskelkraft zum Einsatz. Im Video flimmern die dortigen zehn Stunden Bauzeit im Zeitraffer über den Bildschirm. Zu sehen sind drei Minuten und dreißig Sekunden Gewusel, in dem alles eine unfassbare Ordnung hat. Einer der beliebtesten Kommentare dazu lautet: "10 Stunden, um all das zu tun, und unser Stadtrat braucht 3 Jahre, um ein Schlagloch zu reparieren". Darauf die nicht weniger beliebte Antwort: "Jeder Stadtrat braucht 3 Jahre und ein paar Millionen Dollar". Tatsächlich scheint hinsichtlich der Effizienz einzig eine zentralistische und autoritäre Regierung den oft als vorgestrig belächelten Bauleuten der Doppelscheune das Wasser reichen zu können. Das ist bemerkenswert, doch es bemerkt fast niemand; vermutlich weil die Amische nach eigenen Aussagen "in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt" 4 sind. Inspirierende Formen des Bauens gibt es allerdings nicht nur in den US-amerikanischen Siedlungen der Amischen, sondern auch in Europa, Afrika, Lateinamerika, Australien oder Indien-kurz: überall auf der Welt. In den Dörfern der Adis im nordostindischen Arunachal Pradesh haben sich über Jahrhunderte bemerkenswerte soziale Strukturen und Praktiken bewährt. Zu ihnen gehört das sogenannte Riglap. "Rig" ist abgeleitet von "Arik" und bedeutet "Feld". "Lap", die Kurzform von "Lapnam", lässt sich übersetzen mit "um Hilfe bitten". Das klingt zunächst, als ginge es nur um
Bäuerliche Zukunft, 2022
Magazine article published in the Commons issue of "Bäueriliche Zukunft", the magazine of ÖBV-La Via Campesina Austria, summer 2022.
Themenheft: Global Commons im 20. Jahrhundert: Entwürfe für eine Globale Welt, hrsg. v. Isabella Löhr und Andrea Rehling. Jahrbuch für Europäische Geschichte European History Yearbook, Bd. 15 , 2014
The opening contribution introduces the reader to concepts, discussions and practices related to the pitfalls of communally and privately exploited resources on a global scale. It offers a historical perspective and suggests understanding the global commons as markers for competing visions of world order in the course of the 20th century. To throw light onto a complex field of research, the chapter gives an outline of what has been discussed in the social sciences as global commons and sketches the contexts of the international conventions which have established these commons under the legal principle of Common Heritage of Mankind in international law. In a second part, the authors situate the subject in the wider framework of global history. The global commons serve as an analytic instrument to challenge master narratives of the post-war era. The chapter advocates a nuanced approach that explores the way global commons were connected with space and territoriality, global integration and statehood, law and international organisations. It emphasises border crossings and sets out the diversity of agencies pursued by states, international communities, non-governmental interests and multinational corporations alike.
Die Macht, die von unten kommt. Ethos der Solidarität und Politik des Alltagslebens, in: Ethik im Lichte der Hermeneutik, ed. Andrzej Przylebski, Königshausen&Neumann: Würzburg 2010, pp. 189-200
Das Hauptanliegen dieses Aufsatzes ist die soziale Veränderung zu analysieren, die in Polen während der Solidarnosc-Bewegung stattfindet und dadurch auf die wesentliche Rolle der alltäglichen zwischenmenschlichen Verhältnisse für die Veränderungen des politischen Lebens zu verweisen. Als Beispiel für die Analyse der Politik des Alltagslebens sind die Aufsätze von Józef Tischner hilfreich. Als Schüler des polnischen Phänomenologen Roman Ingardens, kommentiert Tischner in seinen Texten die moralische Unruhe der damaligen Zeit. Tischners Kommentar zu den Ereignissen aus den Zeiten des Umbruchs vom 1980 wird dann als Etyka Solidarności (Ethik der Solidarität) bekannt.
Commons, III/2016
Klassenkampf im Stadtraum. Gemeinschaft von Verschiedenen: Die „Recht auf Stadt“-Bewegung stellt sich gegen die Privatisierung von öffentlichem Stadtraum.
In: Bauer, Otto. 2024. Der Kampf um Wald und Weide. Studien zur österreichischen Agrargeschichte und Agrarpolitik. Herausgegeben und mit einer Einleitung von Lisa Francesca Rail. 7-58. Wien & Berlin: Mandelbaum., 2024
This is my introductory essay to the re-publication of Otto Bauer's "Der Kampf um Wald und Weide". (The attached document is an extract made openly accessible by the publisher). "Der Kampf um Wald und Weide" was first published in 1925 and is a historical essay tracing the development of property in land on the territory of the republic of Austria. Interpreting his own historical findings, Otto Bauer additionally makes suggestions for how a socialist agarian program should deal with the question of property in and the distribution of land. In my introduction I situate the text in its historical and political context and ask which aspects can productively be taken up again for dealing with current struggles over land and the constitution of food systems.
2019
Commoning wird häufig mit kleinen, überschaubaren Gruppen in Verbindung gebracht. Das ist ein Fehler; doch Menschen können sich oft nicht vorstellen, wie Commons in größerem Maßstab überhaupt funktionieren, geschweige denn die Verhältnisse wandeln können. Diesem Thema widmen wir uns in unserem letzten Kapitel. Die Skepsis, der wir immer wieder begegnen, beruht auf der Annahme, dass Commons einfach »zu klein« sind, um dem Klimawandel, Peak Oil, Armut, Ungleichheit und zahllosen weiteren Problemen begegnen zu können. Massive globale Probleme erforderten große Lösungen, »der Staat« müsse ran -so das Denken. Nach dieser Logik haben Commons tatsächlich nur wenig anzubieten. Allerdings ist solch eine Einschätzung bereits Teil des Problems. Sie lässt unberücksichtigt, dass nicht die »Größe« das Entscheidende ist, sondern Lösungen mitunter versagen, weil ihre Grundannahmen oder gesellschaftliche Grundstrukturen falsch angelegt sind. Ein Gebäude aber, dessen Fundament nicht solide gegossen ist, wird zwangsläufig bröckeln und irgendwann zusammenbrechen. Eine Gesellschaft, die auf uneingeschränkter individueller Freiheit beruht, sollte nicht überrascht sein, wenn letztlich Raubbau an der Erde betrieben und soziale Normen zerstört werden. In Wahrheit geht es nicht darum, etwas »im großen Maßstab« zu reparieren, sondern darum, zu überprüfen, worauf wir bauen, die Statik und die Bauteile des ganzen Gebäudes zu überdenken und gegebenenfalls neu zu erfinden. Das ist unser Verständnis von sozialem und politischem Wandel, der die Krankheitsbilder des modernen Markt-Staates zu kurieren vermag. Zweifellos, sind auch »innerhalb des Systems« viele lohnenswerte Reformen denkbar. Entsprechend konzentrieren sich progressive Kräfte darauf, neue Rechtsformen und Institutionen zu schaffen wie die in Kapitel 8 vorgestellte Gesellschaft in Verantwortungseigentum, wie Genossenschaften oder Gemeinwohlunternehmen (die sowohl die Interessen der Kapitaleignerinnen und -eigner als auch jene der Arbeitskräfte, der lokalen Wirtschaft und Umweltbelange berücksichtigen). Oder sie legen Programme auf, die Umweltfragen in den Mittelpunkt stellen und für eine bessere Vor-oder Umverteilung 1 gesellschaftlichen Reichtums sorgen sollen. Menschen streiten für sozialen Wohnungsbau, stabile Sozialkassen, einen vielfältigen Öffentlichen Nahverkehr, das Bedingungslose Grundauskommen 2 und vieles Commons-Chartas oder Chartas für Commoning -machmal auch »Soziale Charta« oder »Gemeinschaftscharta« genannt -sind machtvolle Instrumente, um sich in Vielfalt gemeinsam auszurichten und eine entsprechende Community zu konstituieren. Sie fungieren gewissermaßen als Verfassung. In Chartas legen Commoners ihre Ansprüche, Ziele, zentralen Aktivitäten und Prinzipien dar. Das Verfassen von Chartas geht oft mit eingehenden Diskussionen und Überlegungen sowie ungezählten Aus-und Verhandlungen einher. Das Ergebnis bringt das Grundlegende auf den Punkt und dient als Kompass und Prüfstein für die Akteurinnen und Akteure, insbesondere dann, wenn sie vor neuen Herausforderungen stehen, mehrere Wahlmöglichkeiten haben oder mit Rückschlägen konfrontiert sind. Eine Charta beschreibt, wie Commoners sich selbst regieren und welche Kultur sie schaffen möchten. Gut gemachte Chartas sollten keine schwammigen Leitbilder voller hochtrabender Worte sein, sondern die Identität und praktischen Vollzüge einer Gruppe oder eines Netzwerks recht genau fassen. So erklärt die Open-Source-Designgemeinschaft WikiHouse, die wir in Kapitel 1 kennengelernt haben, in ihrer knappen, aber aussagekräftigen Charta, dass die Beteiligten alle Designs global zur Verfügung stellen und lokal bauen, dass sie offene Standards verwenden und auf Modularität 4 Wert legen und dass sie in den Entwürfen den gesamten Lebenszyklus der Häuser berücksichtigen, Möglichkeiten für Reparaturen inbegriffen. 5 Die Permakulturwelt hat sich 12 ethische und Design-Prinzipien zu eigen gemacht, etwa »keinen Abfall produzieren«, »auf kleine und langsame Lösungen setzen« und »Vielfalt nutzen und wertschätzen«. 6 Die französische Organisation Terre de Liens, die Land kauft, um es für die Landwirtschaft zu erhalten, hat sich auf folgende Leitsätze verständigt: »Land auf Dauer dem Markt entziehen«, »die Entwicklung einer Graswurzellandwirtschaft vorantreiben«, und »die Zusammenarbeit zum Thema Flächennutzung fördern, und Werkzeuge, Gelder und Erfahrungen poolen«. 7 »Da jedes Commons einzigartig ist«, schreibt James Quilligan,« »gibt es keine allgemeingültige Vorlage für soziale Chartas -aber es gibt so etwas wie Mindestanforderungen.« Eine Charta solle mindestens »eine Kurzdarstellung traditioneller oder sich herauskristallisierender Legitimitätsbehauptungen [enthalten], eine Klärung der Rechte und Ansprüche der Nutzenden und Produzierenden, einen Verhaltenskodex, eine Darstellung gemeinsamer Werte und Standards, […] Hinweise zu Ansprüchen auf Schadensersatz oder die Neufestlegung von Grenzen…« Kurz, eine Charta bildet den praktischen Rahmen der Zusammenarbeit. Selbstverständlich können all diese Elemente ein unterschiedliches Format haben: Ein Verhaltenskodex kann eher als Wertebekenntnis ausfallen oder auch in Form spezifischer Handlungsmuster notiert werden. Wie auch immer diese Aspekte konkret ausformuliert werden: Sinn und Zweck einer Charta ist es, Gleichrangigen zu helfen, sich auf ein Gemeinsames auszurichten. Die meisten Chartas beschreiben dabei Peer Governance als Ausdruck demokratischer Beteiligung und transparenter Entscheidungsfindung, als Versuch, administrative Macht dauerhaft zu dezentralisieren und Commoners ihren Zugang zu und ihre Souveränität über ihr gemeinsames Vermögen zu sichern. 8 Ein internationales Netzwerk von Menschen, die sich mit der Kartierung alternativen Wirtschaftens befassen, hat eine Charta für DatenCommons entwickelt. Darin wird den Beteiligten nahegelegt u.a. »gemeinsam über die eigenen Ansprüche zu reflektieren«, »Commons und
Die Grundideen des Internets sind Offenheit und Dezentralität – jede soll mitmachen können, ohne erst andere um Erlaubnis fragen zu müssen. Gemeinsam sind dem offenen Internet und den freien Projekten, die auf seiner Basis florieren, vier wesentliche Prinzipien: A: Kooperation auf Augenhöhe, B: Beitragen statt tauschen, C: Commons und Besitz statt Eigentum, D: Dezentral-selbstheilend. In einer Welt, in der Peer-Produktion und Commons allen Lebensbereichen zugrunde liegen, würden diese Prinzipien alle Lebensbereiche durchdringen. Eine Peer-Commons-Gesellschaft wird auf informeller Gegenseitigkeit als allgemeinem Organisationsprinzip basieren. Da es keine Gehälter mehr gibt, entfällt auch der Zwang, sich das Notwendige oder Gewünschte kaufen zu müssen. Generell wird es darum gehen, die (re-)produktiven Infrastrukturen so zu gestalten, dass niemand zu kurz kommt – also Lösungen zu finden, die allen ein Leben gemäß ihren individuellen Vorstellungen und Wünschen ermöglichen.
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