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Postanarchismus G20 Handbuch Eibisch

in Vey, Judith / Leinius, Johanna / Hagemann, Ingmar (Hg.) (2019): Handbuch Poststrukturalistische Perspektiven auf soziale Bewegungen. Ansätzen, Methoden und Forschungspraxis, Bielefeld: transcript, S. 185-197. kostenlos verfügbar unter: https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/2d/4f/9b/oa9783839448793EcVHpLwDCgPSP. pdf Intro: Der Postanarchismus ist ein theoretischer Ansatz, in welchem poststrukturalistische Theorien mit anarchistischen Denkweisen verbunden werden. Als eine solidarischkritische Perspektive auf soziale Bewegungen wird er an Beispielen aus den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg veranschaulicht. Dabei arbeitet er mit einem Denken in Paradoxien und stellt Macht-Fragen. Whose streets, whose power? -Which streets, what power? Entfaltung einer postanarchistischen Perspektive unter Eindrücken der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 I Ein postanarchistischer Ansatz zur Untersuchung sozialer Bewegungen Wenn ich hier eine postanarchistische Perspektive auf soziale Bewegungen entfalte, so nehme ich den Titel dieses Sammelbandes dahingehend wörtlich, als dass es an dieser Stelle darum gehen soll, einen bestimmten Blickwinkel einzunehmen. Dieser Beitrag isth also konzeptionell und zielt darauf ab, den Postanarchismus als theoretischen Ansatz einzuführen und zu plausibilisieren 1 . Statt dies anhand einer empirischen Untersuchung zu veranschaulichen oder ein bestimmtes Methodenset zu beschreiben, möchte ich in diesem Text vor allem Fragen aufwerfen, um die Grundlinien des Postanarchismus zu umreißen. Gleichwohl entstanden diese Überlegungen unter dem Eindruck der Proteste gegen den G20-Gipfel, die 2017 in Hamburg stattfanden. Da bei diesem Großereignis verschiedenste Akteur*innen zusammenkamen, vielfältige Aktionsformen angewandt wurden und unterschiedliche politische Versammlungen stattfanden, es in einer Tradition von Protesten und sozialen Bewegungen zu sehen ist und kontrovers diskutiert wird, eignen sich die Gipfel-Proteste, um das Spezifische der postanarchistischen Perspektive darzustellen. Dabei wird nicht behauptet, der Postanarchismus sei etwas völlig Neues. Er dient dazu, verschiedene Denkweisen auf eine bestimmte Weise zu verknüpfen und stellt eine Möglichkeit dar, mit welcher eine eigenständige anarchistische Theoriebildung gelingen kann. Das heißt, Postanarchismus ist keine neue politische Unterströmung der vielfältigen anarchistischen Bewegung, sondern eine Variante, anarchistisch zu denken und zur Selbstreflexion anzuregen. Analog zum Postmarxismus, welcher marxistische mit poststrukturalistischen Theorien verbindet, zielt der Postanarchismus darauf ab, Prämissen und Ansatzpunkte anarchistischer Theorien zu dekonstruieren und zu erneuern, von denen angenommen wird, dass sie nach wie vor stark dem Denken der Aufklärung und der Moderne verhaftet