2013, Ägypten und sein Umfeld in der Spätantike. Vom Regierungsantritt Diokletians 284/285 bis zur arabischen Eroberung des Vorderen Orients um 635-646. Akten zur Tagung vom 7.-9.7.2011. Edited by F. Feder and A. Lohwasser
61 2013 Harrassowitz Verlag· Wiesbaden Ägypten und sein Umfeld in der Spätantike Vom Regierungsantritt Diokletians 284/285 bis zur arabischen Eroberung des Vorderen Orients um 635-646 Akten der Tagung vom 7.-9. 7. 2011 in Münster Herausgegeben von Frank Feder und Angelika Lohwasser 2013 Harrassowitz Verlag· Wiesbaden Einleitung Die Thebais im Morgen-und Abendland Suzana Hodak ,,Einen trefflichen Wettstreit habt ihr mit den Mönchen in Agypten begonnen, da ihr euch vornahmt, jenen gleich zu werden oder sie womöglich noch zu übertreffen durch eure Übung in der Tugend. Denn auch bei euch gibt es jetzt Klöster, und der Name ,Mönch' hat Geltung. Diesen euren Vorsatz kann man mit Recht loben, und Gott wird auf euer Gebet hin die E1füllung gewähren. Ihr habt euch aber auch an mich gewandt wegen des Lebenswandels des seligen Antonius und wollt erfahren, wie er mit der Askese anfing, wie er vor ihr gewesen ist und welches sein Lebensende war, ferner, ob das, was man von ihm berichtet, wahr sei -um nach seinem Vorbild eure Bahn zu wandeln -; euren Auftrag habe ich mit großer Bereitwilligkeit übernommen; denn auch für mich ist schon die bloße Erinnerung an Antonius ein großer und nützlicher Gewinn. Ich weiß dazu, daß auch ihr, wenn ihr alles gehört habt, diesen Mann nicht nur bewundern, sondern ihm auch nacheifern werdet in seinem Vorsatz; denn das Leben des Antonius ist für Mönche ein treffliches Vorbild der Askese."' Mit diesen W01ien wendet sich der große Athanasius, Bischof von Alexandrien, wahrscheinlich um bzw. nach 356 an seine Zuhörer,2 bei denen es sich um "Mönche in der Fremde" 3 handelt. Auf deren Betreiben verfasst er seine Vita des hl. Antonius ( ca. 251-356), der (historischen) Leitfigur der ägyptischen Askese und des Eremitentums. Sollte es sich bei dieser Angabe nicht um eine rein literarische Fiktion handeln, wovon man in der Fachliteratur im Allgemeinen ausgeht, so dürfte es sich bei der erwähnten Fremde um den Westen des Reiches handeln. Athanasius musste sich im Verlauf seines Lebens vor dem Hintergrund der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen mehrfach -insgesamt fünf Mal -ins Exil begeben, sodass er rund 17 Jahre seines Episkopates fernab seines Bischofsstuhles in Alexandria verbrachte. Möglicherweise richten sich seine Worte an Mitbrüder in Italien oder 1 Siehe Athanasius, Vita Antonii, Vorwort; zitiert nach STEGMANN, Athanasius, 687-688 . 2 Siehe hierzu BERTRAND, Evagriusübersetzung, 11 mit Anm. 1. Nach seiner Auswertung geht die Forschung im Allgemeinen von einer recht zeitnahen Abfassung nach dem Tod des Antonius aus, konkret vor dem Jahr 359. 3 So heißt es in einem der Vita vorangestellten Begleitschreiben; siehe hierzu in Anm. 1. 158 Suzana Hodak Gallien. 4 In jedem Fall fand die Vita Antonii im vornehmlich lateinisch sprechenden Westen schon bald durch zwei Übersetzungen des griechischen Originaltextes, vor allem durch diejenige des Evagrius von Antiochien um 373, große Verbreitung. 5 Während die erste anonym überlieferte Übersetzung heute lediglich in einem einzigen Codex aus dem 11. Jh. vollständig überliefert erhalten ist, 6 legen rund 400 Manuskripte sprechendes Zeugnis ab von dem Stellenwert der Evagriusübersetzung. 7 Die Vita des hl. Antonius markiert somit bereits in mehrfacher Hinsicht, sowohl hinsichtlich ihres Entstehungshintergrundes als auch ihres intendierten Sitzes im Leben, 4 Siehe hierzu STEGMANN, Athanasius, 11-12 mit Anm. 2. R1cHTER (Vom mönchischen Leben, 133) schlägt konkret Trier vor. Diese Ansicht vertrat bereits KEMPr (Berührungen und Fernwirkungen, 163-168, besonders 166). Nach Trier verschlug es Athanasius während seines ersten Exils im Jahre 335 und auch im Verlauf seines zweiten Exils von 336-337 zog es ihn neben Oberitalien und lllyrien nach Trier. Während seiner beiden Aufenthalte dort hätte sich für Athanasius genügend Gelegenheit geboten, von dem Leben und Wirken des ägyptischen Mönchsvaters zu berichten (siehe hierzu auch BERTRAND, Evagriusübersetzung, 29 mit Anm. 114), den er der Vita nach (siehe Vita Antonii, Kapitel 69-71, besonders Kapitel 69) persönlich kannte und schätzte. Demnach reiste Antonius auch auf Bitten des Athanasius nach A lexandrien, um dort für ihn und die Rechtgläubigkeit einzustehenallerdings ohne Erfolg. Nach Ans icht von B ERTRAND (Evagriusübersetzung, 19 mit Anm. 38) unternahm Antonius diese Reise im Jahr 338. Aus den um 400 entstandenen autobiographischen Betrachtungen "Confessiones" (Buch VIII, Kapitel 6) des Kirchenvaters Augustinus erfahren wir, dass die Vita Antonii um 386 in Trier bekannt und im Umlauf war und das Eremitentum dort auch gelebt w urde. Augustinus berichtet von dem Besuch eines gewissen Ponticianus bei ihm in Mailand, der ihm nicht nur das erste Mal von der Person des Antonius, seinem Wirken und dem ägyptischen Mönchtum berichtete, sondern auch davon, dass er als Augenzeuge zufä llig eines nachmittags bei einem Spaziergang in den an die Stadtmauer anstoßenden Gärten in Trier auf eine bewohnte Eremitenhütte traf und dort als Lektüre ein Exemplar der Vita Antonii vorfand. Siehe hierzu mit weiterführender Literatur BERTRAND, Evagriusübersetzung, 30-31 , sowie KEMPF, Berührungen und Fernwirkungen, 167. In diesem Zusammenhang weist BERTRAND (a.a.O., 31-32) darauf hin, dass keineswegs sicher ist, ob und wenn ja welche Übersetzung der Vita Antonii, d.h. diejenige des Evagrius von Antiochien, wie lange angenommen, oder aber eine andere, tatsächlich zugrunde lag. Es wäre durchaus möglich, dass der griechische Originaltext und keine Übersetzung desselben rezipiert wurde, da man auch noch am Ende des 4. Jhs. von einem gewissen Kenntnisstand des Griechischen im Westen ausgehen darf. -Geht man nun davon aus, dass es sich bei den unmittelbaren Adressaten der Vita Antonii tatsächlich um Mitbrüder in Trier gehandelt hat, so dürfte, wie bereits von KEMPF postuliert (a.a.O., 166), im Gegenschluss davon auszugehen sein, dass sich das Mönchtum in Trier bereits vor dem Abfassungsdatum der Vita in gewisser Form konstituiert hatte. 5 Siehe hierzu etwa BARTELINK, Vie d'Antoine, 37. -Eine umfassende Studie und kritische Edition liegt mit der bereits mehrfach zitierten, in einer Online-Version verfügbaren Dissertation von BERTRAND (Evagriusübersetzung) vor. 6 Es handelt sich um den sog. Codex Basilicanus A .2 aus den Archiven des Kapitels von S. Peter in Rom, heute in der Biblioteca Apostolica Vaticana. 7 Siehe BERTRAND, Evagriusübersetzung, 11-12. Die Thebais im Morgen-und Abendland 159 einen Brückenschlag zwischen Ost und West, zwischen dem Morgen-und dem Abendland. 8 Antonius zählt neben Paulus von Theben zu den herausragenden ,Urvätern' 9 des ägyptischen Anachoretentums. Die Ideal-Vita des Antonius ist geprägt von diesbezüglichen Topoi, so etwa von dem Topos einer stufenweisen Abkehr von der Welt. Nach einer Lehrzeit bei einem erfahrenen Asketen in der Nähe seines Heimatortes zieht es Antonius in die Einsamkeit, weit ab von seinem Dorf in die Nekropole. Von dort vollzieht er eine weitere Zäsur, indem er sich in die Wüste begibt. Dort richtet er sich für die folgenden 20 Jahre in einem leerstehenden Kastell ein. Sein Dasein in einsamer Askese wird vor allem durch den fortwährenden Kampf mit den vielgestaltigen Dämonen der Wüste geprägt. Doch dieses Ideal eines Eremitenlebens bleibt ihm nur begrenzte Zeit beschieden. Nachdem er sich zunehmend aufgrund der ihm nachgesagten Wunderkraft von Anhängern bedrängt fühlt, entscheidet er sich zum wiederholten Rückzug. Er schließt sich einer Karawane in Richtung Ostwüste an, die ihn schließlich bis zum hohen Berg im Wadi Araba, rund 40 km vom Roten Meer entfernt, führt. Dort am Fuße des Berges lässt er sich bis zu seinem Lebensende im gesegneten Alter von 105 Jahren nieder. Noch heute erhebt sich an dieser Stelle das berühmte Antoniuskloster. Wenn auch die Vita wie bereits angemerkt durchaus das Idealbild eines Einsiedlers propagiert, so wird Antonius im Allgemeinen doch als historische Persönlichkeit erachtet, zumal es Parallelquellen gibt, die von seiner Existenz berichten. So erfahren wir etwa von einem weiteren Zeitgenossen des Bischofs Athanasius, dem Bischof Serapion von Thmuis, der ebenfalls zeitweise als Asket lebte, vom Tod des Antonius im Jahr 356. Was Paulus von Theben hingegen anbelangt, von dem wir aus der Feder des Kirchenvaters Hieronymus erfahren, so dürfte es sich hierbei wohl um eine fiktive Person handeln.10 Paulus wird zwar als anachoretischer Vorläufer des Antonius im 3. Jh. dargestellt, andererseits verbindet die Überlieferung das Leben beider in besonderer Weise. So sollen sich beide in der Wüste begegnet sein -ein Zusammentreffen mit schicksalhaftem Charakter. Der selbst mit 90 Jahren bereits hochbetagte Antonius wurde demnach Zeuge des Todes seines rund 23 Jahre älteren Mitbruders und es oblag ihm die Ehre, dessen Bestattung auszurichten.