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2019, Zeitschrift für Zukunftsforschung
Heute trägt fast jeder seine persönliche kleine Quantifizierungsmaschine bei sich in der Tasche. Das Smartphone ist mit diversen Sensoren ausgestattet. Kombiniert mit dem Internet und sozialen Medien sowie der steigenden Zahl an Wearables befinden sich Menschen zunehmend in einem Netzwerk interagierender Technik, welches uns nachhaltig und allumfassend beeinflusst. Der Katalog an Applikationen und das noch nicht ausgeschöpfte Potenzial für das Ich, die Gesellschaft und die Auffassung des Lebens sind enorm. Die Analyse über Foucaults Konzept der Gouvernementalität beleuchtet diese Selbstpraktiken als Technologien des Selbst, an welchen sich nicht selten die Interessen von Selbstvermessern und gesellschaftlichen Akteuren überschneiden. Mit Hilfe digitaler Technologien wird der Mensch mit einer noch nie dagewesenen Tiefenschärfe aufgelöst. Durch diese Verwebung ergibt sich das große disruptive Potential der digitalen Selbstvermessung, weshalb die Thematik einer zunehmenden gesellschaftlichen Reflektion bedarf. Welche Normen werden hegemonial, welche Zukünfte sind möglich und welche gesellschaftlich erwünscht? Der Beitrag zeigt den Bedarf der inhaltlichen Bearbeitung dieser Technologien durch die Zukunftsforschung und deren Methoden und kann somit als Appell verstanden werden.
IF-Schriftenreihe, 2019
Auch wenn die gegenwärtig verbreiteten Anwendungen der Selbstvermessung vermehrt im Bereich Fitness, Gesundheit und Wellness zu verorten sind, geht das Prinzip bzw. das Potenzial der digitalen Selbstvermessung weit darüber hinaus. Alles um das Selbst ist prinzipiell vermessbar, in Daten zu übersetzen und damit potenzielles Ziel der Quantifizierung. Aus dem zunehmenden Absatz wie auch der Nachfrage nach digitalen Selbstvermessungstechnologien, der Bildung von Bewegungen wie Quantified Self und der Pluralität der Anwendungsmöglichkeiten ergibt sich ein kontroverses Feld verschiedenster Stakeholder und Einzelanwender*innen mit höchster Relevanz für Konzepte der Subjektivierung. Ob diese Konzepte langfristig noch funktionieren oder sich die auf Statistiken basierende Form der modernen Subjektivierung durch die Singularisierung auflöst und höchst einzigartige, nicht vergleichbare Lebewesen hinterlässt, wird hier soziologisch untersucht. Den Fragen soll mit zweierlei Ansätzen nachgegangen werden: Die Konzepte der Gouvernementalität nach Foucault bieten eine weite Wissensbasis und etablierte Ansätze zum Umgang mit Zahlen, Statistiken und Daten im Hinblick auf Individuum und Gesellschaft. Dem gegenüber steht Kucklicks Konzept der granularen Gesellschaft, welches eine Auflösung aktueller sowie die Bildung neuer gesellschaftlicher Strukturen ankündigt. Über die Darstellung der technischen Möglichkeiten wie auch (utopischer) Zukunftsvisionen der Nutzer*innen-Avantgarde und die soziologische Analyse zeigt sich schließlich: Trotz des nicht zu unterschätzenden disruptiven Potenzials individualisierter Digitaltechnologien ist keine Auflösung basaler Gesellschaftsstrukturen abzusehen, die Prozesse der Subjektivierung sind weiterhin mit den Ansätzen der Gouvernementalität erfassbar. Somit kann die aktuelle Entwicklung hier eher als neuer Höhepunkt der statistischen Wissensproduktion beschrieben werden. Durch die Aufklärung gesellschaftlicher Dynamiken und die Avisierung möglicher zukünftiger Konsequenzen leistet der soziologische Ansatz einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskursanalyse und generiert damit potenzielles Zukunftswissen für einen Umgang mit individualisierten Digitaltechnologien auf politischer, organisationaler wie auch individueller Ebene.
2019
The dissertation entitled Das digitale Selbst. Der Einfluss von Big Data auf die personale Identität deals with the influence of digital technologies on personal identity.
Mensch und Welt im Zeichen der Digitalisierung - Perspektiven der Philosophischen Anthropologie Plessners, 2019
Digitalisierung ist ein ebenso prominentes wie vielfältiges Phänomen – man könnte nachgerade von einem empty signifier sprechen. Veränderungen von Kommunikationswegen über das Internet, Algorithmisierung der Arbeitswelt, digitale Überwachung, virtual reality, Selbstvermessung, Pflegeroboter, diet tracking, artificial intelligence – die Liste der mit Digitalisierung verbundenen Phänomene ist ebenso heterogen wie unabschließbar. Viel ist angesichts dieser unübersehbaren Veränderungen über Digitalisierung bereits geforscht worden – und wiederum entsteht eine heterogene Vielfalt unterschiedlicher Phänomenzugriffe. Der Sammelband schlägt einen spezifischen Schnitt durch diese Vielfalt vor. Weder soll dabei die angedeutete Vielfalt empirisch (etwa durch Fokussierung auf eine Digitalisierung der Ernährung), noch durch eine Vorab-Definition des Digitalen eingeengt werden (etwa durch Fokussierung auf Algorithmen). Vielmehr gilt es, Digitalisierung aus einer spezifischen Theorieperspektive zu betrachten: der Perspektive der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners. Es geht mithin um die Frage, inwieweit sich das Verhältnis von Mensch und Welt im Zeichen von Digitalisierung verändert.
2022
Digitalisierung und technologischer Fortschritt verändern das menschliche Selbstverständnis. Während sich der Mensch in Abgrenzung zu Tier und Natur als kultiviertes und autonom handelndes Wesen definiert, steht er angesichts der zunehmenden Technologisierung nun vor der Frage: Was bedeutet Menschsein vor dem Hintergrund der neuen Technologien? Wie verändern sich die menschliche Lebenswelt, Verantwortungsstrukturen und Identitätskonzepte? Was können Menschen, was Technologien nicht können? Was macht den Menschen aus und wo wird er in Frage gestellt? Der Band bietet einen umfassenden Blick auf diese Fragestellungen. Im ersten Teil befassen sich Beiträge aus der Philosophie und Anthropologie mit dem Spannungsfeld Mensch-Maschine. Die anschließenden Beiträge eröffnen interdisziplinäre Perspektiven auf die technisierte Lebenswelt des Menschen in den Bereichen Kultur, Kommunikation und Bildung. Im letzten Teil des Bandes wird schließlich als Kontrapunkt das Menschsein in einer technisierten Welt aus der Perspektive von Spiritualität und Pflege in den Blick genommen.
Zeitschrift für Pastoraltheologie (ZPTh), 2019
Technologien der Selbstwahrnehmung Digitalität als Bedingung von Reflexivität Es ist nun etwa acht Jahre her, da sorgte ein Video auf der Social-Media-Plattform YouTube für Furore, Zeitungen berichteten darüber, bis heute wurde es ca. fünf Millionen Mal aufgerufen. Offenbar trifft es einen Nerv unserer Zeit: Der kurze Film zeigt ein einjähriges Mädchen, das ganz selbstverständlich ein iPad bedient. Es unterscheidet dabei noch nicht zwischen bestimmten Anwendungsprogrammen, doch es wischt mit seinem Finger routiniert die Bilder auf dem Touchscreen hin und her, blättert Programmseiten weiter. Das eigene Handeln, also das Tippen und Wischen, und die Reaktion des Mediengeräts, also das Verschwinden und Erscheinen neuer Bilder und Seiten, kommentiert es dabei fröhlich glucksend.
2022
Technologien haben schon lange Eingang in unseren Alltag gefunden und transformieren zahlreiche Lebensbereiche wie Politik, Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Pflege. Mittels Social Media pflegen wir zwischenmenschliche Beziehungen und kommunizieren miteinander, wir haben Apps zum Schlafen oder für die Ernährung und in der Medizin werden Technologien in den Körper implantiert oder zur Untersuchung des Körpers verwendet. Wearables, wie z. B. die Smart Watch, werden direkt am Körper getragen und müssen kaum noch abgenommen werden. Smart Watches messen den Puls und Herzschlag, zählen unsere Schritte, melden sich, wenn man wieder aufstehen sollte und erfassen den Schlafrhythmus. Wir schlagen Wissen bei Wikipedia nach und lernen interaktiv über Smart Boards in der Schule. Über digitale Tools lässt sich das orts- und zeitunabhängige Zusammenarbeiten organisieren. Wie verändert sich das Menschsein in einer solchen technisierten Welt? Wie verändern sich die menschliche Lebenswelt, Handeln, Verantwortungsstrukturen und Identitätskonzepte? Puzio, Anna/Rutzmoser, Carolin/Endres, Eva-Maria: Menschsein in einer technisierten Welt – Einleitende Bemerkungen zu einer interdisziplinären Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation. In: Endres, Eva-Maria/Puzio, Anna/Rutzmoser, Carolin (Hg.): Menschsein in einer technisierten Welt. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Menschen im Zeichen der digitalen Transformation. Wiesbaden 2022. Online unter: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-36220-1_1.
Frankfurter Allgemeine Zeitung eBooks, 2017
Das Konzept der Digitalisierung gilt in der Wirtschaft als ein neues Heilsversprechen. Digitale Geschäftsmodelle verheißen neue Gewinnchancen. Wenn man sich schon nicht zu ganz neuen Ufern aufmacht, so will man wenigstens die Leistungsreserven der bestehenden Organisation heben. Durch digitale Transformation soll die Automatisierung betrieblicher Prozesse vorangetrieben werden. Die Idee: Je vernetzter und schneller die Prozesse strukturiert sind, desto effizienter und wirtschaftlicher die Wertschöpfung. Aber wie realistisch sind diese Vorstellungen einer grundlegenden Veränderung durch Digitalisierung? Werden wir es in Zukunft mit Unternehmen zu tun haben, in denen Personen stören, weil Bots alle regelmäßig anfallenden Aufgaben ohne Reibungsverluste und Kaffeepausen abarbeiten? Müssen Manager gar nicht mehr entscheiden, weil Big Data das nächste Geschäftsmodell ausrechnet? Sicherlich-wie andere Techniken auch, ermöglicht die Digitalisierung die Entlastung von Routinetätigkeiten. Aber gleichzeitig-und auch das kennt man von anderen Technologienproduzieren digitale Technologien verschiedene nicht intendierte Effekte.
2014
Lifelogging, die digitale Speicherung von Lebensdaten und Verhaltensspuren eines Menschen, ist in einer abgegrenzten Nutzergemeinde zum Lebensprinzip geworden, wird in der öffentlichen Debatte aber kontrovers beurteilt. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Frage, welche zeitgenössische Logik sich in Lifelogging ausdrückt. Deskriptiv und exemplarisch werden mit Lifelogging verbundene Praktiken erfasst. Hierbei wird auch eine Typologie von Nutzungsformen vorgestellt. Ferner wird der soziale Referenzrahmen der Lifelogging-Gemeinde, d.h. ihre zentralen Vernunft-und Handlungsstile, hinterfragt. Dabei wird die These vertreten, dass sich im Phänomen Lifelogging zentrale Dimensionen weitreichender Modernisierungsprozesse widerspiegeln. Jedoch lässt sich die in der Nutzergemeinde dominante Erwartung, durch Lifelogging mehr Ressourcen zu gewinnen, nur teilweise verwirklichen. Stattdessen bestehen Gefahren, wie die Standardisierung durch Normen und die Nivellierung von Lebensweisen. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, dass Lifelogging mit seinem Hang zur Selbstprotokollierung und standardisierten Datenerfassung gerade kein "soziales Medium" ist, welches stets den Freiraum für soziale Dynamik mit erlebbarer Kontingenz bietet." 1
Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis
Wie können bei der Bearbeitung von historischen Quellen entstandene Forschungsdaten langfristig und nachnutzbar (FAIR) online zur Verfügung gestellt werden? Dieser Frage wird in drei Schritten nachgegangen: Zuerst werden die Grundlagen des digitalen Datenaustauschs anhand der wichtigsten einschlägigen Standards bzw. Konzepte erarbeitet (Unicode, TEI, Linked Data und IIIF). In einem weiteren Schritt wird eine Auswahl von Editionssoftware bzw. -plattformen auf deren Tauglichkeit für kleine Editionsvorhaben geprüft. Die in den Vordergrund gestellten Projekte (FuD, Corpus Corporum, NIE-INE und Juxta Editions) verfolgen teilweise sehr unterschiedliche Ziele. Keines bietet eine ideale Lösung für ein kleines Editionsprojekt, alle haben jedoch gute Ansätze. Im letzten Teil geht es um die Frage, was eine ideale Editionsplattform für die Speicherung von Kleineditionen und bruchstückhaften Editionsergebnissen bieten würde. Während es viele mehr oder weniger dringende Eignungskriterien gibt, is...
TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis
Die digitale Selbstvermessung, auch Quantified Self (QS) genannt, bezeichnet das Messen und Aufzeichnen von Körperparametern und -zuständen mittels Anwenderprogrammen (Apps) und Wearables. Das Messen geschieht meist zum Zweck der Effizienzsteigerung und Selbstoptimierung für mehr Wohlbefinden und eine bessere Gesundheit. In der Medizin wird QS erst zögerlich eingesetzt, da die Qualität der Apps, insbesondere in Datenschutzbelangen, unzureichend ist und die Wirksamkeitsevidenz weitgehend fehlt. Der Artikel basiert auf Ergebnissen der TA-SWISS-Studie „Quantified Self – zwischen Lifestyle und Medizin“ und umreißt das QS-Phänomen aus medizinischer, rechtlicher, ethischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht. Zudem werden künftige Entwicklungen sowie Lösungs- und Gestaltungspotenziale dargelegt.
2021
Welche Chancen bringt die Digitalisierung für die Verbesserung der medizinischen Versorgung? Welche nutzenstiftenden Lösungen gibt es bereits und wie werden sie von Ärzten und Patienten gesehen? Am Beispiel des Diabetes bildet der Digitalisierungs-und Technologiereport (D.U.T) als durchaus einzigartiges Projekt aus Primärdatenerhebung und Aufarbeitung von Schwerpunkthemen nicht nur den Status quo ab, sondern will Hoffnung machen, Ängste abbauen, aber auch Problemfelder aufzeigen. Hinter dem D.U.T-Report stehen als Herausgeber die beiden Professoren Dr. Bernhard Kulzer und Dr. Lutz Heinemann sowie als Sponsor und Mit-Ideengeber das Pharmaunternehmen Berlin-Chemie, das im Interview mit "Monitor Versorgungsforschung" von Michael Bollessen und Dr. Anja Selig vertreten wird.
2015
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menschliche Selbstverständnis beeinflusst EINLEITUNG Der technologische Fortschritt stellt den Menschen nicht nur vor gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen, sondern verändert auch das menschliche Selbstverständnis. Inwiefern die Technik das ‚Wesen', bzw. -etwas weicher formuliert -unser Nachdenken über den Menschen angeht, zeigt sich an den Schnittstellen der Philosophischen Anthropologie und Technikphilosophie, und das Zusammenspiel beider Disziplinen schlägt sich auch in einem veränderten Raumbewusstsein nieder, das Rückschlüsse darauf erlaubt, wie sich der Mensch versteht und was er (implizit) für genuin menschliche Eigenschaften hält. 2. FOLIE: Bis in die Gegenwart hinein war der Mensch ausschließlich auf dem Planeten Erde beheimatet -deshalb "tellurisches Wesen" -und konnte ansonsten höchstens noch auf ein Jenseits hoffen. Dieses Konglomerat aus Erde, Jenseits (metaphysischer Raum) und täglich erfahrenem Sinnzusammenhang, das seit jeher Grundlage menschlicher (Selbst-)Definition war, wurde in der Antike als Kosmos bezeichnet und seit der Spätantike als Welt. Nun versprechen die Posthumanisten dem Menschen einen neuen Daseinsraum: die Virtualität (in zahlreichen Spielarten), in der er sich endlich aller körperlichen Bedingtheiten entledigt haben wird. Mit Bezugnahme auf die Virtualität als neuer Daseinsraum habe ich den Vortragstitel gewählt -"Der Mensch in der Dropbox", was ein Kommentar einer Kollegin auf die Ansätze populärer Posthumanisten ist. Doch in einem ersten Schritt werde ich zunächst den Weltraum als Anwärter auf einen neuen Raum des Menschen diskutieren Die Frage, die in diesem Vortrag behandelt werden soll und einen Teilaspekt des sich in der Planung befindenden Habilitationsprojekts herausgreift, lautet: Inwiefern nimmt der technologische Fortschritt über eine Veränderung des Sich-im-Raum-Befindens Einfluss auf das Selbstverständnis des Menschen? 3. FOLIE: In der Einleitung zu ihrem Werk Vita activa oder Vom tätigen Leben zeigt sich Hannah Arendt äußerst skeptisch bezüglich der prognostizierten Vorzüge des technologischen Fortschritts in Bezug auf die Güte möglicher Veränderungen den Menschen, seine Natur und sein Selbstverständnis betreffend. Ihre Kritik am technologischen Fortschritt enthält drei Emanzipationsbewegungen des Menschen von seinen (anthropologischen) Grundlagen, von denen ich mich jedoch im Rahmen des heutigen Vortrags auf die erste Emanzipation be-Frau Dr. Janina Sombetzki -please don't cite or circulate! Philosophisches Seminar der CAU zu Kiel, [email protected] Tagung für Praktische Philosophie in Salzburg, 13./14. November 2014 2 schränke. Mit Emanzipation meint Arendt, dass uns die fragliche Kompetenz oder Eigenschaft gänzlich verloren geht und nicht wiedererlangt werden kann. Die erste von Arendt beschriebene Emanzipationsweise des Menschen als Konsequenz des technologischen Fortschritts besteht in dem Versuch des Menschen, sich mithilfe der Technik von Welt und Erde loszulösen. Dies stellt in ihren Augen eine Fortsetzung seines Wunsches nach einer Emanzipation vom Körper dar und scheine zugleich den Wunsch nach einer Emanzipation von der menschlichen Sterblichkeit erfüllen zu können. Paradoxerweise emanzipiere sich Arendt zufolge der Mensch allerdings zweitens durch die Technik auch von seinem Denkvermögen, also vom Geist und von ähnlichen mentalen oder kognitiven Fähigkeiten. Und drittens versuche der Mensch über die Technik eine Emanzipation von der Arbeit. Wie gesagt -im Folgenden beschränke ich mich auf die erste von Arendt befürchtete Emanzipationsbewegung, nämlich auf den Versuch des Menschen, den ihm eigenen Lebensraum Erde zu verlassen, um den Weltraum zu bevölkern. ARENDT -EMANZIPATION VON DER ERDE 4. FOLIE: Da die Menschen seit jeher den Körper als eine Last angesehen haben und seit Neustem, also seit dem 20. Jahrhundert, sogar darauf verfallen sind, Körper und Erde unmittelbar miteinander zu verknüpfen, betrachten sie nun nicht mehr nur den Körper als Grab oder Gefängnis der Seele, sondern Arendt zufolge auch die Erde als Gefängnis des Körpers. Es scheint dabei, als könne eine Emanzipation von der Erde als dem ursprünglichen Lebensraum des Menschen auch das Versprechen einer Lossagung vom ach so lästigen Körper einlösen. 5. FOLIE: Die Bevölkerung des Universums bzw. Weltraums ist Arendt zufolge deshalb so problematisch, da eigentlich nur die Erde bzw. die irdische Natur den Menschen die Grundlagen für ein genuin menschliches Leben bereitstellt. Als lebende Organismen und damit sterbliche Wesen sind sie auf die Erde angewiesen (1. Problem). Doch nicht nur das. Die Menschen bauen auf der Erde gemeinsam eine Welt aus menschengemachten Gegenständen ("Dingwelt") und aus menschlichen Handlungen und Bezügen ("Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten", 2. Problem). Nur in der menschlichen Welt können sie eine menschliche Heimat finden und sich zumindest bedingt auch um Unsterblichkeit bemühen, nämlich in Form dauerhafter Gegenstände und erinnerungswürdiger Taten. Beides geht den Menschen Arendt zufolge bei einer Besiedelung des Weltraums verloren. greifende Folgen für unser Selbstverständnis als Menschen haben, indem sich hierdurch (wie auf der Folie unter 1. angegeben) bspw. unser Innen-Außen-Verständnis radikal veränderte. Das Außen zur Erde ist dann nicht mehr der Weltraum -unendliche Weiten -, sondern zu einem Innen in Form mehrerer Planeten wäre dann das Außen ein noch weiter entfernter Weltraum, und die Schwärze und Stille zwischen den Planeten wäre nicht mehr als der Luftraum des Planeten Erde, den man betritt, um bspw. in einem Flugzeug von einem Kontinent zum anderen zu gelangen. Das Innen des einen Lebensraumes des Menschen würde sich unter diesen Bedingungen einer Besiedelung anderer Planeten radikal ausweiten, so weit, dass irgendwann einmal eine Bereisung des gesamten ‚Innenraums' des menschlichen Daseins innerhalb der Kürze eines menschlichen Lebens gar nicht mehr möglich wäre (so Joachim Fischer in dem hier auf der Folie genannten Text). Darüber hinaus (vergleichen sie 2. auf der Folie) stellt die Besiedelung des Weltraums unter dem Versuch, auf anderen Planeten künstlich ähnliche Bedingungen wie auf dem Planeten Erde zu schaffen, den Menschen dennoch vor die Herausforderung, seine Körperlichkeit und Leiblichkeit zumindest in mancherlei Hinsicht anzupassen. 8. FOLIE: Dass eine Besiedelung des Weltraums, anders als Arendt das annahm, "ein durch und durch materielles, körpergebundenes Projekt" darstellt, erklärte kürzlich Joachim Fischer. Und ich habe Ihnen noch ein paar Beispiele mitgebracht, wie über den "Menschen im All" gegenwärtig gerne gesprochen wird und an dem Sie gut sehen können, dass man unter einer Besiedelung des Weltalls vornehmlich die künstliche Herstellung tellurischer Bedingungen für den Menschen versteht, die dennoch eine krasse Veränderung der menschlichen Körperlichkeit und Leiblichkeit mit sich bringen. 9. FOLIE. 10. FOLIE: Der Weltraum als neuer Raum für den Menschen kann darüber hinaus jedoch noch etwas anderes meinen, als ein Leben auf anderen Planeten oder dauerhaft in Raumschiffen oder Raumstationen unter den künstlich geschaffenen Bedingungen des Planeten Erde -nämlich als Vorstellung von einem Leben auf anderen Planeten nicht unter den künstlich geschaffenen Bedingungen des Planeten Erde. Hier wird dann nicht versucht, den Raum oder Kontext an den Menschen anzupassen (was, wie wir gesehen haben, auch nur rudimentär funktioniert), sondern umgekehrt geht es unter der Vorstellung eines Weltraums' darum, den Menschen selbst tatsächlich an die Bedingungen des Weltraums anzupassen, ihn also bspw. zu einem Wesen zu machen, das vielleicht keinen Sauerstoff mehr benötigt oder keine bzw. eine radikal Frau Dr. Janina Sombetzki -please don't cite or circulate! Philosophisches Seminar der CAU zu Kiel, [email protected] Tagung für Praktische Philosophie in Salzburg, 13./14. November 2014 5 andere Ernährung benötigt etc. Hierfür gibt es aus naheliegenden Gründen wenige Beispiele, aber aus meiner Sicht scheint dieses Gedankenexperiment einer radikalen Version eines neuen Lebensraumes für Menschen deshalb hilfreich, da wir an ihr noch besser sehen, was wir als zum menschlichen Dasein gehörig erachten. Beispiel Berdjajew… In ihrem Text "Cyborgs and Space" von 1960 führen Clynes und Kline den Begriff des Cyborgs ein, um zu veranschaulichen, inwiefern sich der Mensch biochemisch und physiologisch verändern müsse, um für die eigentlich menschenunwürdigen Bedingungen des Weltraums hinlänglich ausgerüstet zu sein. 11. Folie: Die Auseinandersetzung mit dem Weltraum als neuem Lebensraum für das tellurische Wesen Mensch führt unter beiden hier vorgestellten Definitionen zu mehreren Fragen. Teilen wir Arendts Position, dass das Mensch-Sein an den einen Raum, nämlich die Erde (und Welt), gebunden ist, dass also jede Erschließung neuer Räume keine Erschließung für den Menschen sein kann, sondern nur eine für andere, nicht-menschliche Wesen? Lautet die Antwort auf die erste Frage "Ja", schließt sich die Frage an: Ist das schlimm? Die beiden Fragen stellen sich unter der Definition Weltraum' erneut, mit dem Unterschied, dass in Bezug auf den Raum zwischen den Planeten das Mensch-Sein nicht an ein besonderes Innen-Außen-Verständnis und an eine bestimmte Körperlichkeit und Leiblichkeit geknüpft wird, sondern ausschließlich an einige Bedingungen, die ein Leben auf der Erde bislang für gewöhnlich mit sich brachten wie bspw., dass der Mensch ein sauerstoffbedürftiges organisches Wesen mit einer besonderen Ernährungsweise ist usw. DIE VIRTUALITÄT 12. FOLIE: Arendt hatte bereits mit der Besiedelung des Weltraums eine Loslösung vom menschlichen Körper samt seiner Gebrechen befürchtet, wobei die Gebrechen nicht nur die Bedingungen des organischen Lebens mit einschließen, sondern letztlich sogar die Sterblichkeit des Menschen aufgrund seines sterblichen Körpers. Ich hatte Ihnen demgegenüber Beispiele dafür genannt, dass die...
Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2021
Rezension von Thomas Fuchs. Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie. Berlin, Suhrkamp, 2020, 331 S.
Eindeutigkeit und Ambivalenzen. Theologie und Digitalisierungsdiskurs, hg. v. R. Charbonnier, J. Dierken, M. D. Krüger, 2021
In the course of digitization, a large number of positive innovations have emerged - and will continue to emerge. In view of some reductionist tendencies, however, it is important to elaborate the supra-technical foundations of the digitization project, which can also be the starting point for an ethical consideration. This is done in this paper with reference to the program of "Digital Humanism" by Julian Nida-Rümelin and Nathalie Weidenfeld, as it provides crucial aspects of such a foundation. From the perspective of Christian ethics, such a reference suggests itself already because this program is connected with an interest in humane theory and practice. Moreover, this program is interesting because it reveals a particular depth dimension of the trans-technological concept. To articulate this dimension, Christian religious symbols can make an important contribution.
2008
Computer spielen im Film zumeist eine Nebenrolle. Dort, wo ihnen die Hauptrolle zugewiesen wird, erfahren wir viel über unsere Visionen und Ängste im Zeitalter der Mikroelektronik. In einer mehrteiligen Textreihe werden Filme darauf hin betrachtet, wie Computer in ihnen dargestellt werden. Dieser dritte Teil befasst sich mit Menschen, die in ihrem Computern verschwinden
MedienJournal, 2017
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine Kritik der Resonanzverhältnisse und zur Analyse der Weltbeziehung im Zeitalter der Digitalisierung zu leisten. Zu erkunden wird sein, ob die Kommunikationsformen, die durch die Digitalisierungsprozesse entstanden sind, neue Resonanzachsen sind, und ob die uns ermöglichte Kommunikation Resonanzqualitäten hat. Ich möchte dabei in vier Schritten vorgehen. Ausgangspunkt soll die Definition eines Kurzbegriffes moderner Gesellschaften sein, denn nur im Kontext einer ganz bestimmten kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Verfassung, die auf Steigerung geeicht ist, wird verständlich, was wir mit Medien machen und sie mit uns. Ich denke, dass diese Sichtweise erfolgreicher ist als der Versuch, so etwas wie eine Eigenlogik von Technik zu identifizieren. Wie wir mit Medien umgehen, hängt nicht nur von den Medien selbst ab, sondern vom soziokulturellen Kontext. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich nur dynamisch -also durch Steigerung -zu stabilisieren vermag, und das führt zu eskalatorischen Tendenzen, also zu gewaltigen Steigerungsprozessen. Im zweiten Schritt möchte ich die Prozesse der Beschleunigung in den Mittelpunkt stellen. Die eben erwähnte Steigerung führt zu einem Problem in der Zeitdimension, das wir mit Beschleunigung zu beantworten versuchen -dabei spielen natürlich moderne Kommunikationsformen und digitale Technologien eine zentrale Rolle. Im dritten Schritt geht es um die Frage, warum die Beschleunigung zu Krisen und Pathologien -Beschleunigungskrisen, Entfremdungskrisen -führt, und im vierten und letzten Schritt gehe ich auf das Resonanzverlangen und die Resonanzidee ein, von der ich glaube, dass sie das Gegenteil von Entfremdung ist, gewissermaßen die Antwort auf das Entfremdungsproblem. Der Ausgangspunkt aller meiner Überlegungen ist die Wahrnehmung, dass moderne Gesellschaften seit dem 18. Jahrhundert durchgängig von der kulturellen Selbstbeobachtung geprägt sind, dass sich in der Zeitdimension etwas zu ändern scheint. Peter Conrad (1999) hat das in seiner großen Kulturgeschichte der Moderne Modern Times and Modern Places sehr verdichtet formuliert: "Modernity is about the acceleration of time. " Die Industrialisierung war nichts anderes als ein Beschleunigungsprozess: Ziel war nicht, etwas Neues zu machen, sondern es ging darum, die Prozesse zu beschleunigen. Seit dem 18. Jahrhundert ist eine gewaltige materielle Beschleunigung zu beobachten. Durch die Erfindung der Dampfschiffe konnten die Ozeane schneller und in viel größerem Ausmaß befahren werden; dann kam -erst langsam und auf kleinen Strecken, dann schneller in immer größer werdenden Netzen -die Ei-senbahn hinzu. Es folgte das Fahrrad -das nicht zufällig Veloziped mit dem lateinischen Wortstamm velox, schnell, heißt -als moderne Erfindung, die eigentlich schon viel früher hätte gemacht werden können, aber damals hatten es die Menschen offensichtlich nicht so eilig. Selbst in dieser Mikrosphäre, in dem es nur um die Fortbewegung einer einzelnen Person im Nahbereich geht, nimmt die Geschwindigkeit zu. Das Automobil sorgte für eine unglaubliche Dynamisierung, nicht nur auf Langstrecken, sondern auch auf lokaler Ebene. Und schließlich natürlich das Flugzeug. Während sie diesen Text lesen, befinden sich 1,5 bis 2 Millionen Menschen über der Welt in der Luft. Das In-Bewegung-Setzen der Welt betrifft nicht nur die Menschen, sondern natürlich auch den Transport von Rohstoffen und Waren und eine zunehmende Dynamisierung von Finanzströmen, Kapitalströmen, Ideenströmen, Bildern, Kommunikationsströmen. Ich würde Peter Conrads (1999) These von der "acceleration of time" jedoch widersprechen: Meiner Ansicht nach setzt der Begriff der Beschleunigung eigentlich eine Stabilität der Zeit voraus. Beschleunigt wird nicht die Zeit; beschleunigt werden Prozesse in der Zeit. Mit diesem buchstäblichen In-Bewegung-Setzen der Welt hat auch meine Definition einer modernen Gesellschaft zu tun: Eine Gesellschaft ist modern, wenn sie sich nur dynamisch zu stabilisieren vermag, wenn sie also auf Wachstum, Beschleunigung und die Steigerung von Innovationsleistungen angewiesen ist, um sich zu erhalten und zu reproduzieren. Das lässt sich auch auf einzelne institutionelle Sphären anwenden: Eine moderne Wirtschaft, eine moderne Wissenschaft, einen modernen Medienbetrieb kann man daran erkennen, dass sie sich steigern müssen, um sich zu erhalten. Die institutionelle Ordnung ist nur aufrechtzuerhalten durch Steigerung in den drei Dimensionen Wachstum, Beschleunigung und Innovation. Anhand des Wirtschaftssystems und der marxistischen ,G-W-G'-Formel -Geld, Ware, mehr Geld -können wir das greifbar machen: Ökonomische Tätigkeit in modernen Gesellschaften kommt nur dann in Gang, wenn es ein Versprechen auf Steigerung gibt -das kann Rendite, Profit oder ein Gewinn in irgendeiner Art sein. Ohne surplus value können wir nicht aufrechterhalten, was wir haben. Ich schließe mich vielen meiner Kollegen an, die davon sprechen, dass der Kapitalismus ein entscheidender Motor dieses Geschehens ist. Aber auch jenseits der ökonomischen Sphäre gibt es Bereiche, in denen wir das Prinzip der dynamischen Stabilisierung realisiert haben. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass alle Kernsphären der modernen Gesellschaft betroffen sind. Nehmen wir beispielsweise die Wissenschaft. Ich finde es wirklich interessant, darüber nachzudenken, wie Kulturen mit Wissen umgehen. Für alle Kulturen, die wir kennen, auch für die Hochkulturen der Ägypter, Babylonier, Inkas oder Mayas, ist Wissen ein Schatz, den man bewahren und möglichst "rein" erhalten muss. Die höchste Institution sind in der Regel Schulen, in denen (meist patriarchale) Lehrer-Schüler-Verhältnisse vorherrschen. In der modernen Gesellschaft allerdings ist die höchste Form der Auseinandersetzung mit Wissen nicht das Weitergeben und Bewahren von Wis-
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