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Bittere Ernte

2017, Bittere Ernte

Ausländische Landarbeiter werden immer wieder um ihren Lohn geprellt und ackern unter Bedingungen, die Österreicher nicht akzeptieren würden. Ein Fair-Trade-Label für heimisches Gemüse könnte für Konsumenten erkenntlich machen, dass es ohne die Ausbeutung der Erntehelfer produziert wurde. Der Mann stapft in Gummistiefeln aus einem Folientunnel-erschöpft und schweißgebadet. Er ist Ungar und an die 40, in dem Gewächshaus zieht er Paprika. Auf die Frage, ob mit seinem Job alles in Ordnung sei, reagiert er verunsichert, überlegt, blickt um sich, wartet mit der Antwort, bis die Bäuerin hinter dem Folientunnel verschwunden ist. Wir befinden uns auf freiem Feld zwischen den Ortschaften Wallern, Pamhagen und Andau im burgenländischen Seewinkel. Seinen wahren Namen, sagt der Ungar, will er nicht genannt haben. Nennen wir ihn Attila: "Wenn die Chefin hört, dass ich über meine Situation rede, schmeißt sie mich raus. Andere haben diese Erfahrung schon gemacht." "Bekommen Sie Ihre Überstunden bezahlt?" Attila wackelt mit dem Kopf und grinst, als wäre es eine völlig absurde Frage. "Also nein, davon kann keine Rede sein." Er zögert zu beantworten, wieviel Lohn er erhält. Es sei besser als in Ungarn. Dort müsste er ohne Dach über dem Kopf mit Betteln auskommen. Trotz der "Elendsarbeit", wie er sie nennt, sei er hier schon zehn Jahre Erntehelfer. "Es sind fünf Euro, die ich am Tag kriege, und Kost und Logis."-Weniger als ein Zehntel des Mindesttarifs laut Kollektivvertrag (KV). "Sicher ein Extremfall, der mich aber nicht wundert", meint Sónia Melo, die Landarbeiter unterstützt. "Wenn ich höre, dass Erntehelfer für die Gummiringe zahlen müssen, mit denen sie Radieschen und Jungzwiebeln zusammenbinden, dass sie für Kost und Logis Fantasiepreise ablegen, dass Frauen gekündigt wird, wenn sie schwanger sind, dass viele nicht in Krankenstand gehen dürfen sondern mit Fieber weiterarbeiten, und wenn ich von Bauern höre, die gegen Erntehelfer sogar physisch gewalttätig geworden sind, bin ich nicht verblüfft."