2007, FIfF-Kommunikation 3/2007. Hg. „Forum Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“
Eine der wirklich interessanten begrifflichen Errungenschaften, die wir der Informatisierung des Lernens verdanken, ist die der „Lernumgebung“. Interessant deshalb, weil hier die Pädagogik durch Entwicklungen in einer ganz anderen Disziplin auf eine Dimension von Bildung aufmerksam gemacht worden ist, die doch eigentlich immer schon höchst relevant für ihre Bedingungen und Möglichkeiten, für Gelingen und Misslingen pädagogischer Bemühungen war. Denn solange es menschliches Lernen gibt, hat dieses selbstverständlich in einer natürlichen und gestalteten, materiellen, sozialen und kulturellen Umgebung stattgefunden. Der Terminus „Lernumgebung“ scheint insofern etwas zu bezeichnen, was zum Lernen überhaupt hinzugehört. Wenn dieser Terminus dennoch erst in den letzten Jahren in die Diskussion über das Lernen und seine optimale Förderung Eingang gefunden hat, könnte dies also darauf hinweisen, dass die Bedeutung einer fördernden Umgebung für das Lernen erst in neuester Zeit erkannt und anerkannt worden ist. Und die Pädagogik müsste sich dafür bei der Informatik bedanken. Bei näherer Betrachtung erweist sich aber, dass die Konjunktur des Begriffs Lernumgebung durchaus zweischneidig ist. Zum einen zeigt sie eine Veränderung im didaktischen Denken derer an, die durch Einsatz Neuer Medien das Lernen reformieren, wenn nicht gar revolutionieren wollen. An die Stelle der früher gehegten Vorstellung, Lernen vollziehe sich als Abarbeitung von Algorithmen, oder: Lernen lasse sich durch Einsatz technischer Instrumente zweckrational auf Effektivität und Effizienz hin optimieren, tritt als neues Bild das einer vorbereiteten Umgebung, innerhalb derer die Lernenden ihren Lernprozess selbst planen, steuern und kontrollieren. Damit wird lerntechnologisches Denken anschlussfähig an die pädagogisch-didaktische, insbesondere an die reformpädagogische Tradition. Zum andern aber sind und bleiben diese Überlegungen fokussiert auf die Gestaltung virtueller Räume für Lernen; sie leiten bisher nicht über zu umfassenderen Konzepten für das Verhältnis von Pädagogik und Technik bei der Gestaltung von nicht nur virtuellem Bildungsraum. Angesichts der Perspektive, dass in Zukunft immer weitere Bereiche und immer mehr Formen des Lernens in virtuelle Räume verlagert werden, scheint es mir höchst sinnvoll, den Anstoß aufzunehmen, der von der Begriffsschöpfung „Lernumgebung“ ausgeht, ihn aber von seiner Verengung auf virtuelle Lernumgebungen zu befreien, allgemeiner auf das Verhältnis von Bildung und Technik auszulegen und dabei an die pädagogische Theorietradition geistes- und sozialwissenschaftlicher Provenienz anzuknüpfen. Ins Zentrum stelle ich den Begriff des Raums. Er ist fundamentaler als der der Lernumgebung, weniger mit Vorverständnissen aus der aktuellen Diskussion belastet und birgt jene Dialektik von Offenheit und Limitation, um die es mir geht. Der physische architektonische Raum steht für eine der ältesten Techniken der Menschheit; der virtuelle informatische Raum steht für ihre allerneuesten Techniken; der metaphorische pädagogische Raum steht für die ursprünglich kaum technisch gedachte pädagogische Intention, Bedingungen der Möglichkeit von Bildung zu schaffen.