Ich freue mich, dass anlässlich verschiedener Preisverleihungen auch im deutschsprachigen Raum das Interesse an einer Autorin gestiegen ist, die ich sehr schätze und der ich einen großen Teil meiner philosophischen Arbeiten gewidmet habe. Julia Kristeva wurde in Bulgarien geboren; in den 1960er Jahren kam sie mit einem Doktoratsstipendium nach Frankreich. Dort fand sie schnell Anschluss an literarische und akademische Kreise -und: sie blieb in Frankreich. Ihr Werk umfasst sprachwissenschaftliche, philosophische, kulturtheoretische, psychoanalytische und literarische Arbeiten. Heute möchte ich Sie hauptsächlich mit dem philosophischen Gehalt ihres Werkes vertraut machen. Hierbei sind drei Aspekte von besonderer Bedeutung: die Sprache -die Literatur -und die Frauen. Selbstverständlich kann ich Sie an diesem Abend nicht mit dem ganzen Feld der Philosophie konfrontieren. Ich möchte Sie jedoch daran erinnern, dass die Philosophie und gelebtes Leben, Praxis, wenn Sie so wollen, durchaus miteinander in Verbindung stehen. Die Philosophie beeinflusst die Gedankengänge einzelner ebenso wie ganze Gesellschaftsordnungen. Begriffe aus der Philosophie finden wir auch in der Alltagssprache wieder. Ein Beispiel: Als Kind begegnete mir hin und wieder die Formulierung "an und für sich". Sie wurde verwendet, um einen Eindruck oder ein Urteil zu bestätigen. Erst sehr viel später, im Laufe meines Philosophiestudiums, konnte ich die Herkunft dieses Ausdrucks aus der Hegelschen Dialektik entschlüsseln. Und so wie ein philosophischer Begriff sich in die Alltagssprache ‚verirrt', so beeinflussen einerseits philosophische Denkmuster die gesellschaftliche Praxis und bringen andererseits Philosophien die Denkgewohnheiten einer Gesellschaft auf den Punkt und entlarven sie damit manchmal auch. -Heute möchte ich mich auf einen Bereich der Philosophie beschränken, auf die Sprachphilosophie. Sie wissen: pars pro toto, der Teil steht für das Ganze, auch über diesen Teil wäre das Ganze zu entschlüsseln, wenn wir nur die ‚Arbeit des Begriffs' (wieder eine der Hegelschen Dialektik entnommene Formulierung) auf uns nähmen. Ich möchte Ihnen heute Julia Kristeva als Sprachphilosophin vorstellen.