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Abstract

2013 kuratierte ich als Leiterin der Abteilung Forschung und Bildung im International Tracing Service (ITS) eine Ausstellung zu Displaced Persons (DPs). Es waren Abertausende Dokumente zu sichten, eine Auswahl fiel schwer. Ein Dokument, nicht einmal eine Seite füllend, fiel mir seinerzeit auf: eine Liste mit den Namen von rund 15 jüdischen DPs, Studierende der Universität Marburg, unter Fürsorge der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA). Mir war klar, dass ich hier auf ein Randphänomen der jüdischen DP-Gesellschaft gestoßen war. Einen detaillierten Blick in genau diesen studentischen Mikrokosmos innerhalb des jüdischen DP-Lebens hat nun Jeremy Varon unternommen. Der Autor, Associate Professor of History at the New School in New York City, hat die Geschichten und die Zeitumstände, die Nöte und den Bildungshunger, die Hoffnungen und Enttäuschungen der jüdischen Studierenden untersucht. Varon beleuchtet einige dieser Lebens-geschichten näher – ausgelöst durch persönliche Begegnungen. So entsteht eine Matrix aus Fakten und Lebensgeschichten. Veron verzichtet auf eine breite Einführung in die politischen und strategischen Rahmenbedingungen der alliierten DP-Politik und gibt auch einen eher groben Überblick zur Geschichte jüdischer DPs. Dies tut dem Buch und seiner Fokussierung gut. Varon verweist vielmehr auf die vor allem englischsprachige Literatur zu jüdischen DPs. Es fehlen jedoch etliche der relevanten deutschsprachigen Werke, unter anderem jene von der Gedenkstätte Bergen-Belsen herausgegebenen Publikationen, aber auch die des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. 1 Es stellt sich auch die Frage, weshalb er keine Dokumente aus dem Archiv des ITS verwendete. Jedenfalls könnten die Sammlungen des ITS, zugänglich unter anderem im USHMM, in Jerusalem in Yad Vashem und der Wiener Library London, das Buch, die Geschichte der jüdischen DPs als Studierende und ihre individuellen Geschichten wunderbar ergänzen. Wer sich mit DPs befasst, kommt am Archiv des ITS, gleich wo auf der Welt die Bestände digital eingesehen werden, nicht vorbei.