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49 ] PHARAO, PRIESTER, GOTTHEIT: THEORIE UND PRAXIS DES ÄGYPTISCHEN TEMPELRITUALS Jeden Tag ging in jedem ägyptischen Tempel mehrmals ein diensthabender Priester in das Heiligtum, um am Kultbild der Gottheit ein Ritual zu vollziehen. Nun durfte aber nicht jeder Mensch einfach so einen ägyptischen Tempel betreten. Theoretisch war der Kultvollzug sogar die ureigenste Aufgabe des Pharao, der dieser Verpflichtung in allen Heiligtümern des Landes natürlich in der Praxis nicht nachkommen konnte und deshalb diese Tätigkeiten an Fachleute delegierte. 1 Die Darstellungen auf den Tempelwänden folgen jedoch der Theorie, und so ist stets der König beim Opfer vor den Göttern zu sehen, dem allenfalls Priester assistieren. Obwohl der König in den Ritualszenen vor die Gottheit tritt, kann es in der Beischrift dennoch heißen, es sei ein Priester in Vertretung, der hier agiere, was der Realität entsprach. So sehen wir auf den Wänden des Säulensaals von Karnak den König, wie er das Siegel zum Schrein des Gottes Amun erbricht, um die Tür zu öffnen und Amun zu erblicken (Abb. 25). Die begleitende Inschrift gibt jedoch den Text in einer Fassung wieder, wie ihn ein Priester und nicht der König sprechen würde, denn es heißt: "Ich bin der Hohepriester. Es ist der König, der mich beauftragt hat, den Gott zu sehen." 2 Der Priester musste sich folglich erst vor der Gottheit als berechtigt erweisen, seine Aufgaben erfüllen zu dürfen. Das war einmal die offizielle Beauftragung durch den obersten Kultherren, den Pharao. Zum anderen hatte er handlungsbegleitende Sprüche zu rezitieren, durch die er den Gott oder die Göttin davon zu überzeugen suchte, erstens in kultischer Reinheit und zweitens in positiver und nicht feindlicher Absicht in das Allerheiligste eintreten zu wollen. Vielmehr beteuerte er durch das Opferritual, einen Mangelzustand beheben zu wollen, in der sich die Gottheit nach Auffassung des Priesters befand. [ 50 ] M A RT I N A N DRE A S S TA D L ER HANDLUNG, REZITATION, MYTHISCHE DIMENSION: BEDEUTUNGSEBENEN DES TÄGLICHEN RITUALS Das Ritual ist dabei eine Interaktion von Kulthandlungen und Texten, die die Handlungen begleiten und sich der sakramentalen Ausdeutung bedienten. Der von Jan Assmann geprägte Begriff der sakramentalen Ausdeutung meint, dass die Worte die irdischen Tätigkeiten des Ritualausführenden als Wiederholungen götterweltlicher Ereignisse interpretieren oder daran erinnern und ihnen so erst Wirkmächtigkeit verleihen. 3 Anhand von Zitaten aus Rezitationstexten werde ich dies später noch veranschaulichen. Es verwundert somit nicht, wenn die Priester sich bei ihrer Annäherung als Vertreter des Königs auswiesen oder sich noch häufiger mit Göttern gleichsetzten, die in diversen Mythen Streit beruhigten, Schutz ausübten, Frevel rächten und so die Unversehrtheit dritter Gottheiten gewährleisteten oder wiederherstellten. Das erfahren wir aus Bild-und Textquellen, die vom Neuen Reich bis Kat. 5 Papyrus Berlin P 8043 verso mit den Zeilenenden der Kolumne x+III, sowie den vollständigen Kolumnen x+IV und x+V. 1. Jahrhundert n. Chr. Tägliches Ritual und Feste [ 51 ] in die römische Kaiserzeit datieren. Neben den unzähligen Reliefdarstellungen auf den Wänden der ägyptischen Tempel sind das vor allem Ritualszenenzyklen wie derjenige aus Karnak, der oben bereits erwähnt worden war. Am ausführlichsten sind indes auf Papyrus geschriebene Ritualhandbücher aus Theben zum Kult der Gottheiten Amun und Mut, sowie solche zum Kult des Krokodilsgottes Sobek aus Tebtynis und aus Dime, was die Texte anbelangt, die die Priester beim täglichen Ritual sprachen. 4 Diese Rezitationstexte werden gerne unter dem modernen ägyptologischen Titel Tägliches Ritual zusammengefasst. Von den genannten ist ein in der Ägyptologie bislang noch weniger bekannter Textzeuge der Papyrus Berlin P 8043 (Kat. 5), der aus Dime im Fayum stammt, in das 1. Jahrhundert n. Chr. datiert und im Gegensatz zu den sonstigen Handschriften zum täglichen Ritual nicht hieratisch, sondern demotisch geschrieben ist. 5 Im Gegensatz zum Amuns-und Mut-Ritual findet sich hier eine ganze Reihe von Sprüchen, die zu Handlungen vor dem eigentlichen Opferritual gehören, wie die Reinigung des Priesters und das Eintreten in den Tempel. 6 Nach dem Berliner Papyrus P 8043 musste der Offiziant fünf Tore durchschreiten -das entspricht genau der architektonischen Situation des Tempels von Dime, wie die jüngsten Ausgrabungen gezeigt haben -und bei jedem Tor einen Spruch rezitieren. Das belegen gut die abgebildeten Kolumnen, auf denen sich rechts zunächst die letzten Zeilen des Spruches zum Ergreifen des Nemes-Tuches, eines Tuches zum Abwischen, befinden. Nach den älteren Versionen wird dieser Text erst zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb des Rituals rezitiert, wenn der Priester schon vor dem Kultbild steht und daran Hand anlegen will, um es neu einzukleiden, und nicht -wie hier -noch bevor er überhaupt den Tempel betreten wird. Jener abweichende Ablauf geht aus der Reihenfolge der Sprüche hervor, denn danach kommt ein Spruch an den Türhüter. Auf der linken Seite des hier gezeigten Ausschnitts schließen sich die Sprüche zum Durchschreiten des ersten und zweiten Tores und der Anfang des Spruches zum Durchschreiten des dritten Tores an. Die einzelnen Titel sind in roter Farbe ausgeführt, während die eigentlichen Spruchtexte mit schwarzer Tusche geschrieben sind. Allen Sprüchen ist gemein, dass sich der Offiziant mit Gottheiten gleichsetzt und so auf eine mythische Dimension bezieht. Wenn er z.B. im "Spruch zum Ergreifen des Nemes-Tuches" sagt, seine Arme am Gott seien Horus, seine Hände Thot und seine Finger Anubis, dann spielt er gerade auf die Götter an, die den Leichnam des Osiris balsamierten und ihn so gewissermaßen vom Tod heilten. Auch im "Spruch zum Durchschreiten des zweiten Tores" setzt sich der Priester mit "Horus, der seinen Vater schützt", gleich. Er verweist darauf, derjenige zu sein, der die Türhüter besänftigt habe, und nun werde er gleichfalls den Hauptgott des Heiligtums, Sobek, den Herren von Pai, mit Weihrauch zufriedenstellen. [ 52 ] M A RT I N A N DRE A S S TA D L ER Abb. 26 Sprüche zum Eintritt in den Tempel des Horus von Edfu. Inschrift von der Tür in der östlichen Umfassungsmauer vor 71 v. Chr. Abb. 27 Augustus weihräuchert mit Hilfe eines Räucherarms in seiner Linken und bringt eine Libation mit seiner Rechten vor Osiris und Isis dar. Relief im Isis-Tempel auf Philae. Kat. 6 Kultlöffel. Bronze, teils feuervergoldet. L. 40 cm; Dm. 13 cm. Herkunft unbekannt. Wohl ptolemäisch. Ägyptische Sammlung Tübingen 1843. Tägliches Ritual und Feste [ 53 ] Ähnliche Texte finden sich auch als Tempelinschriften, z.B. im Horus-Tempel von Edfu (Abb. 26), 7 einem Heiligtum, das in seiner heutigen Form vom frühen 3. Jahrhundert bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. gebaut wurde. So wie im Papyrus aus Dime der Spruchtitel eindeutig vorgibt, wo der Text zu rezitieren war, so gibt der Anbringungsort in Edfu einen Hinweis darauf, wo der eintretende Priester diesen Spruch zu sagen hatte, vermutlich nämlich an dieser Tür, die diese Texte einrahmen. Daraus lässt sich außerdem erkennen, dass der Kultausführende -anders als sein Kollege in Dime -in Edfu nicht auf der eigentlich dem König vorbehaltenen Mittelachse, sondern durch eine Seitentür in das Heiligtum eintrat, um dann über die Säulenhalle zum Allerheiligsten zu gehen. War er dort angelangt, entzündete er zunächst ein Feuer, um Weihrauch zu verbrennen. Dazu bediente er sich eines sogenannten Räucherarms, der eine Nachbildung eines Armes war, in dessen Hand sich ein Napf mit heißen Kohlen zur Verbrennung von Weihrauchkügelchen befand (Abb. 27, vgl. auch Abb. 8). 8 Eine ähnliche Funktion dürfte der Kultlöffel Kat. 6 gehabt haben, 9 der jedoch etwas anders gestaltet ist als die gewöhnlichen Räucherarme: Der Stiel ist nicht als menschlicher Arm, sondern als Stengel eines Lotos gebildet, dessen Blüte am Napf befestigt ist. Während das andere Ende eines Räucherarms als Falkenkopf geformt war, ist es hier der Kopf einer Gans oder Ente. Nun musste der Priester den Schrein, in dem sich das Götterbild befand, öffnen. Das könnte der Bewohner des Schreines als eine Aggression missverstehen, weshalb das Öffnen von hymnischen Preisungen und Weihräucherungen begleitet wurde. Dem Amuns-Ritual folgend sagte der Offiziant deshalb im Spruch zum Lösen des Riegels: "Zurückgezogen ist der Finger des Seth aus dem Auge des Horus, so dass es sich wohl befindet. Gelöst ist der Finger des Seth aus dem Auge des Horus, so dass es sich wohl befindet. (…) Amun-Re, Herr der Throne der Beiden Länder, empfange für dich deine Doppelfeder, deine Weisse Krone als Auge des Horus. Das rechte Auge ist das rechte Auge, das linke Auge ist das linke Auge. Deine Vollkommenheit ist für dich, Amun-Re, Herr der Throne der Beiden Länder. Nackter, du bist bekleidet. Vollendeter, du bist vollendet. Wahrlich bin ich ein Hoherpriester. Es ist der König, der mich beauftragt hat, den Gott zu sehen." 10 [ 54 ] M A RT I N A N DRE A S S TA D L ER Kat. 7 Kanopenschrein. Holz, bemalt. H. 57 cm; Br. 24 cm; T. 28 cm. Herkunft unbekannt. Spätzeit. Ägyptische Sammlung Tübingen 1289. Anhand dieses Auszuges lässt sich sehr gut die sakramentale Ausdeutung illustrieren: Ein Naos, in dem das Kultbild aufbewahrt wurde, sah dem Kanopenschrein Tübingen nicht unähnlich (Kat. 7). 11 Wenngleich der Kanopenschrein aus einer Grabausstattung stammte und dazu bestimmt war, die Krüge (Kanopen) aufzunehmen, in denen die bei der Mumifizierung entnommenen Eingeweide verwahrt wurden, so ist er ebenso ein Götterschrein, denn die Kanopen unterstanden den Horus-Söhnen als Schutzgöttern, und die inneren Organe standen pars pro toto für den vergöttlichten Verstorbenen. Mit erhaltenen Götternaoi hat der Kanopenschrein die geböschten Wände, den abschließenden Rundstab mit darüberliegender Hohlkehle und Dach gemein. Der Türsturz und die Hohlkehle sind hier wie dort mit Flügelsonnen dekoriert, die für den Sonnengott stehen und zum Schutz...
Müller, Reinhard / Neumann, Hans / Salo, Reettakaisa Sofia (Hg.), Rituale und Magie in Ugarit. Praxis, Kontexte und Bedeutung (ORA 47), 2022
Eine Berufsethik des neu entstehenden Berufes Fachperson für Rituale
Untersuchungen zur Verortung von Ritualen in griechischen Heiligtümern haben in den letzten Jahren zugenommen. Dabei wurden verschiedene Räume ins Blickfeld genommen: in erster Linie Altäre, aber auch Prozessionswege, Nebenbauten, Statuen etc. In dem Beitrag wird nun der Tempel selbst in den Mittelpunkt gerückt, der Raum, dem sogar bisweilen jegliche Funktion im Ritus abgesprochen wurde. Ausgegangen wird dabei von der architektonischen Besonderheit einer Gruppe von dorischen Tempeln, nämlich Rampen, die meist zentral zur Eingangsfront des Tempels führen. Nach einer Analyse der Verbreitung und der Gestalt dieser Rampen werden verschiedene Möglichkeiten ihrer Funktion diskutiert.
Maeder Susanna, 2014
Keynote für die oekumenische Tagung zum Thema Rituale - Brücken im Alltag und in speziellen Situationen. Aufzeigen der Bedeutung von verschiedenen Aspekten des Rituals. Beispiele, Umgang mit Symbolen, Elementen und anderen Gestaltungsmöglichkeiten
In: H.-J. Karlsen – M. Augstein, Das Gräberfeld von Nienbüttel – der »reichste Urnenfriedhof des östlichen Hannovers«. Die Altgrabungen von 1901 bis 1911. Neue Studien zur Sachsenforschung 12 (Wendeburg 2023) 65–82.
in: Ägyptisches Museum Speyer (Hrsg.), Ägyptens schätze entdecken. Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin, München/London/NewYork, 2012
2016
Zu den in der letzten Zeit intensiv diskutierten Pe rioden gehört die Spätantike -grob gesprochen der Zeitraum zwischen dem 4. und 7. Jh. n. Chr. (Gamsey/Humfress 2001). Das Interesse erklärt sich wohl aus ihrer Bewertung. Die Spätantike gilt wie unsere Zeit als eine Periode des Umbruchs. Dieser Charakter wird nicht zuletzt an einer der Etiketten deutlich, mit der die Spätantike belegt wird: Epochenwandel. Ohne Zweifel ein Kennzeichen der Periode ist das Ende der paganen Religionen auf dem Gebiet des Imperium Romanum und Institutionalisierung des monotheisti schen Christentums als Staatsreligion (Cancik 1986).
Ritualtheorien Ein Einführendes Handbuch, 2013
Einführung in das Buch: Ritualtheorien - Ein einführendes Handbuch Herausgeber: Belliger, Andréa, Krieger, David J. Springer VS https://www.springer.com/de/book/9783531194998
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M. Capasso, P. Davoli (Hg.), New Archaeological and Papyrological Researches on the Fayyum. P.Lup. 14, Lecce, 284–302, 2007
Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit (Orientalische Religionen in der Antike 6), 2014
Malte Cramer / Daniel Klinkmann (Hg.), Rituale im Neuen Testament und im frühen Christentum, BWANT 244, Stuttgart 2023, 2023
J.W.H. Kuprian (ed.), Ostarrichi - Österreich. 1000 Jahre - 1000 Welten. Innsbrucker Historikergespräche 1996, Innsbruck: Studienverlag 1997, 39-61
C. Hennighausen/B.P. Lange/F. Schwab (Hrsg.) - "Evolution des Sozialen" , 2016
Ernst Strouhal, Manfred Zollinger, Brigitte Felderer (Hrsg.), Spiele der Stadt. Glück, Gewinn und Zeitvertreib, Wien/New York 2012, S. 44-51, 2012
mit D. Kurth, in: Die Inschriften des Tempels von Edfu: Abteilung II Dokumentationen, EDFU: Neue Graffiti und Ritualszenen des Tempels von Edfu, Gladbeck, 2010
Göttinger Orientforschungen, IV. Reihe: Ägypten .54 , 2013
Journal of the American Oriental Society , 2022
Vetus Testamentum, 1990
Von Syrien bis Georgien. FS Felix Blocher, 2021