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2016, David Feest, Lutz Häfner (eds), Die Zukunft der Rückständigkeit. Chancen -- Formen -- Mehrwert
Ein Bauer sitzt barfuß auf dem nackten Boden, sein Gesicht ist sonnenverbrannt, sein Bart ungestutzt und seine Füße sind nackt. Mit einem Stein schärft er seine einfache Sense. Er scheint in jeder Hinsicht ein Repräsentant der russischen Agrargesellschaft des späten Zarenreichs zu sein, die nur einfachste technische Mittel kannte und deren Lebensstandard von weiten Teilen der zeitgenössischen Öffentlichkeit als armselig eingestuft wurde. Der Bauer erscheint gleichsam als Symbol für die Rückständigkeit der breiten russischen Bevölkerung und vielleicht auch des Russländischen Imperiums als Ganzem.
Historische Zeitschrift
ALS Peter der Große das Tor zum Westen aufstieß, trat das Moskauer Reich nicht nur in die politische Konkurrenz der europäischen Mächte ein. Indem er das Land endgültig aus jahrhundertelanger Isolation befreite, setzte er es auch dem Vergleich mit den Staaten und Kulturen aus, die am neu eröffneten Horizont Kontur gewannen. Westeuropa, was immer man darunter im einzelnen verstand, wurde zum Maßstab nicht nur der äußeren Stärke des Reiches, sondern auch der inneren Verfassung, seiner Wirtschaft, Verwaltung und Kultur. In der neueren, nachpetrinischen russischen Geschichte dürfte es kein zentraleres und umfassenderes Problem geben als das Verhältnis zu Europa. Die Bestimmung des eigenen Standorts führte über seine Definition. Die Antwort auf die Frage nach der Stellung Rußlands zu Europa wurde zum elementaren Bestandteil der geistigen Selbstfindung und der Suche nach nationaler Identität. Sichtbarster Ausdruck dessen war die Schlüsselstellung, die dem bekannten Streit zwischen slavisch-nationaler und westlicher Orientierung in all seinen Variationen und Schattierungen im gesamten 19. Jahrhundert zukam. Gerade auch die Bemühungen der Nachwelt um das Verständnis der russischen Geschichte sind von dieser Perspektive geprägt worden. Geschichtsphilosophie und Geschichtswissenschaft, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum voneinander zu trennen waren, verdankten ihnen nicht nur die Entstehung, sondern in * Erweiterte Fassung meiner Göttinger Antrittsvorlesung vom 11. Dezember 1985. ') Vgl. A. Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective. A Book of Essays. Cambridge, Mass. 1966, insbesondere den Titelaufsatz 5-30, sowie Zusammenfassungen der erst später präzisierten Substitutionsvorgänge in: ders., The Early Phases of Industrialization in Russia. Afterthoughts and Counterthoughts, in: The Economics of Takeoff into Sustained Growth. Ed. by W.
NIKE-Bulletin, 2005
DenkmalDebatten-Was ist ein Denkmal? Und wie geht man mit ihm um? Grundlagentexte auf www.denkmaldebatten.denkmalschutz.de
Die Kunst des Aufbewahrens , 2015
Die Liebe der Sammlerinnen und Sammler zu den Objekten ihrer Begierde ist eine ganz besondere, denn etwas zu sammeln bedeutet, es seiner Verwendung und eigentlichen Bestimmung zu entziehen. Ein Weinsammler würde eher Bier trinken als seine seltenste Flasche. Diese zwiespältige Liebe hat auch etwas mit dem Tod zu tun, wie Jacques Derrida in seinem Werk Dem Archiv verschrieben (Mal d'archive) beschrieben hat. Ein Archiv zieht 1 die Grenze zwischen dem Nützlichen und dem Unnützen, trifft damit eine Unterscheidung, die auch die Kunst schätzt, die ja selbst auch nicht nützlich sein darf. Die Vergangenheit der Vergangenheit Archive sammeln nur das, was abgetan ist. Sie bewahren, wie ihnen vorgeschrieben. Die Archivarinnen und Archivare sammeln und dokumentieren systematisch alles, was zu einem bestimmten administrativen oder juristischen Geschäftsgang gehört, aber für die laufenden Geschäfte nicht mehr erforderlich ist -so jedenfalls lautet ihre nüchterne Charakterisierung. Das Archiv ist ein Ort der Stabilität und der Normalität, denn es speichert, ordnet und schafft Bedeutung. Archive werden zu autoritativen Quellen, weil die "Archivierung […] das Ereignis im gleichen Maße hervor[bringt], wie sie es aufzeichnet." 2 Derrida bezieht sich in diesem Satz auf das Patriarchalische des Archivs, auf das Gesetz des Vaters. Das Archiv schafft Fakten, Maß und Mitte, Orientierung und Seriosität, es erzeugt die Vergangenheit, die unserer Geschichtsschreibung zugänglich ist, weil es definiert, was abgelegt und abgeschlossen ist. Die Archivalien sollen also still sein und tot, dem Totenreich des Thanatos angehören, wie Derrida es in Freudschen Termini ausdrückt. 3 Archivalien müssen geschont, am besten nur mit weißen Handschuhen berührt und bei vier Grad Celsius dunkel und trocken aufbewahrt werden. Dass man etwas Archiviertes wieder in Derrida 1997.
Okologisches Wirtschaften Fachzeitschrift, 2001
2019
In: Yvonne Völkl, Albert Göschl (Hg.) (2019) Observations – Beobachtungen zu Literatur und Moral in der Romania und den Amerikas. Wien: LIT, 11-23.
documenta studien 05/2019, 2019
Heute ist der 3. November 2031, und es ist viel los in unserem kleinen besetzten Museum in Wien – wir werden jeden Tag mehr, wir machen jeden Tag weiter. Wir sichten Material, wir stellen uns Thesen vor, wir kochen, wir forschen, wir machen Ausstellungen, eröffnen sie und zeigen sie einander, wir lesen und schreiben, wir lernen Sprachen, wir machen einen Blog, der international gelesen wird, wir organisieren uns. Das Museum ist uns Rückzugsraum und Zufluchtsort, Diskussions-, Denk- und Lebensraum geworden. Wir haben es sukzessive für unsere Zwecke angeeignet und umgebaut. Zwei Räume haben wir in ihrer ursprünglichen Form belassen – sie dienen uns für Ausstellungen. Wir wissen schon lange, dass wir nicht viel ausrichten können. Wenn wir uns gegenseitig aufbauen wollen, stellen wir uns vor, dass wir ein Echo aus der Zukunft sind – also, dass es nach diesem Regime, nach der scheinbar endlosen Wiederholung von Lügen und Gewalt, etwas Neues geben wird – wir sprechen von einer neuen Linken, wir stellen sie uns feministisch vor, aber vor allem freier, gleicher und solidarischer, als es die Linke und die Zukunft bisher waren. Wir stellen uns also eine andere Zukunft vor, anders, als die Zukunftsvorstellungen, die wir bisher kennen, aber vor allem anders als eine weitere Verlängerung dieser Gegenwart. Wir helfen uns damit auch dabei, diese Gegenwart zu überstehen. Wir schauen nach vorne und wir schauen zurück, um besser zu verstehen, was passiert ist. Nicht weil wir glauben, dass es möglich sei, keine Fehler zu machen, aber weil wir glauben, dass nicht immer dieselben Fehler gemacht werden müssen. Ich bin hier gerne für die Ausstellungen hauptverantwortlich. Zumal wir diese als Versammlungsräume verstehen. Ich werde also morgen vor dem Plenum wieder eine Führung geben und die neue Ausstellung zeigen. Sie basiert auf dem Material von 426 Tagen in den 10er Jahren. Die kleine Archivausstellung beginnt im April 2017 mit der documenta 14, die in Athen und Kassel stattfand, und sie endet im Frühjahr 2018 mit der 10. Berlin Biennale. https://documenta-studien.de/media/1/Nora_Sternfeld_Irgendetwas_stimmte_nicht_DE_FINAL.pdf
Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014, 2014
Warum ein Sachstandsbericht Klimawandel für Österreich? Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für die Menschheit in diesem Jahrhundert. Das "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) bestätigt in seinem 2013 / 2014 publizierten fünften Sachstandsbericht ("Fifth Assessment Report, AR5") nochmals, was aus der Fachliteratur schon seit Jahrzehnten bekannt ist: Der Klimawandel findet statt und wird hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht. Die mittlere globale Temperatur ist seit 1880 um fast ein Grad Celsius angestiegen. Des weiteren schlussfolgert das IPCC, dass zukünftig unverminderte Emissionen einen Temperaturanstieg um drei bis fünf Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts verursachen würden. Das IPCC Szenario mit dem höchsten Emissionsminderungsziel ist auf einen globalen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts ausgelegt-dies würde für Österreich einen Temperaturanstieg von rund vier Grad Celsius bedeuten; der bisherige mittlere Temperaturanstieg in Österreich ist ebenso bereits ungefähr zweimal so hoch wie der des globalen Durchschnitts. Die mit diesem globalen Szenario verknüpfte zukünftige Entwicklung würde bereits einen gefährlichen Klimawandel auslösen; die Emissionspfade mit höheren Emissionen können katastrophale Folgen nach sich ziehen. Obwohl die Wissenschaft seit vielen Jahren auf den ständig fortschreitenden Klimawandel und seine Auswirkungen hinweist und trotz darauf basierender internationaler und nationaler Absichterklärungen den Klimawandel einzudämmen, nehmen die Treibhausgasemissionen weltweit weiterhin zu. Auch in Österreich zählen Klimawandelanpassung und Klimaschutz nicht zu den obersten Prioritäten der Politik. In manchen Diskussionen entsteht sogar der Eindruck, dieses Problem hätte mit Österreich wenig zu tun. Angesichts des Ausmaßes der möglichen negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Notwendigkeit sofort zu handeln, um den Klimawandel zu bremsen und das Klima zu stabilisieren, entstand die Idee, ähnlich den auf globaler Ebene erstellten IPCC Sachstandsberichten eine nationale Beurteilung für Österreich durchzuführen, einen Austrian Assessment Report 2014 (AAR14). Das nun vorliegende Buch ist das Ergebnis dieser Bemühungen. Es stellt einen IPCC-ähnlichen Bericht für Österreich dar, der bestehendes Wissen zum Klimawandel in Österreich, seine Auswirkungen, sowie die Erfordernisse und Möglichkeiten der Minderung und Anpassung in drei Bänden zusammenfasst, um einen ersten, umfassenden und konsolidierten Überblick über den Stand des Wissens zum Klimawandel in Österreich zu geben. Statt eine kleine Gruppe von AutorInnen mit dieser Aufgabe zu betrauen, wurden alle zum Thema Klimawandel in Österreich Forschenden zur Mitwirkung eingeladen; die Bereitschaft war sehr groß. Letztendlich haben rund 240 WissenschaftlerInnen von rund 50 Forschungseinrichtungen den Sachstandsbericht Klimawandel (AAR14) gemeinsam erstellt. Es konnte solcherart ein wesentlich vollständigeres, disziplinenübergreifendes Bild gezeichnet werden, als dies einer kleine(ere)n Gruppe möglich gewesen wäre. Durch Zusammenführen von mit verschiedenen Ansätzen und Methoden erarbeiteten Erkenntnissen werden darüber hinaus die Ergebnisse robuster, bzw. werden weniger robuste als solche erkannt und der nach wie vor bestehende Forschungsbedarf tritt klarer zum Vorschein. Der Bericht stellt daher Entscheidungsgrundlagen für Entscheidungstragende auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Sektoren bereit, deren Verlässlichkeit von den Forschenden gemeinsam abgeschätzt und transparent gemacht wurde (siehe dazu im Detail im Abschnitt "Umgang mit Unsicherheiten" im Folgenden). Die gemeinsame Anstrengung setzt auch ein deutliches und sichtbares Lebenszeichen der rasch wachsenden österreichischen "Klimaforschungscommunity", die durch die gemeinsame Arbeit an diesem Bericht zusätzlich zusammengewachsen ist und von bisher nicht gekannten Synergien profitieren konnte. Aufbau und Grundsätze des AAR14 im Vergleich zum IPCC AR5 Es war von Anbeginn vorgesehen, Erstellungsprozess und Struktur des Austrian Assessment Reports 2014 (AAR14) nach dem Muster des IPCC auszurichten, da sich zum einen das auf internationaler Ebene über die Jahre entwickelte Verfahren bewährt hat, und zum anderen seit dem vorletzten IPCC Sachstandsbericht (AR4) zudem weitere wesentliche Verbesserungen hinsichtlich Transparenz und Qualitätssicherung eingeführt wurden. Dennoch gibt es einige Abweichungen.
Populäre Gegenwartsdiagnosen müssen 1. sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrem Vermarktungskontext betrachtet werden; 2. konnten nur in einem bestimmten historischen Moment so große Wirkungskraft entfalten, 3. befanden sich in der Mitte von akademischer Wissensproduktion und populärer Meinungen und Ideen und 4., beeinflussten direkt und indirekt Diskurse.
Voltaire. Magazin für instabile Verhältnisse. Issue 1 (2012), 2012
Wird es bald noch schlimmer, hässlicher und trostloser? Werden immer nur die Alpträume Wirklichkeit? Können wir uns etwas besseres als das Vorhandene überhaupt noch vorstellen? Um es kurz zu machen, die Antworten lauten: schon möglich; nein; ja. Freilich kann das ein jeder behaupten, daher muss ich das etwas gründlicher ausführen. Dabei werde ich mich auf intellektuell gefährliches Terrain begeben, nämlich in den Bereich der Zukunft und der sie betreffenden Wünsche. Allzu leicht fällt man hier in die Gruben des spekulativen Unsinns, denn anders als bei Wanderungen im Raum, bei denen unser Gesicht praktischerweise in die Richtung der Bewegung blickt und so eine gewissen Orientierung, mithin ein Vermeiden gefährlicher Untiefen erlaubt, ist unser Gesicht bei Wanderungen in der Zeit stets auf das gerichtet, von wo wir herkamen -weshalb jeder nächste Schritt ins Unbekannte gewagt werden muss. Die Vergangenheit liegt einigermaßen klar und übersichtlich vor uns, doch wir eilen rückwärts und so gut wie blind in die Zukunft. Was wir dort antreffen werden, können wir jetzt noch gar nicht wissen. Als besonders hellsichtige Wahrsager gelten daher üblicherweise gerade die, deren Prognosen so unscharf und widersprüchlich formuliert sind, dass man sie auf nahezu jede Zukunft anwenden kann (was sie streng genommen völlig nutzlos macht, abgesehen vom Placebo-Effekt und dem Verkaufswert an Leichtgläubige). Der berühmteste solche Seher ist Nostradamus, und der kann uns bei der Beantwortung der Fragen nicht helfen. Zugegeben: Manchmal schreibt einer was, das dann später tatsächlich passiert. Jules Vernes Reisen um die Erde und zum Mond, Herbert George Wells' futuristische Technikstädte und der Luftkrieg, Karel Čapeks Roboter und die Atombombe: sie alle wurden erst phantasiert und später Wirklichkeit. Es ist aber kein Verlass darauf, dass die Science Fiction (dieser oder anderer Autoren) realisiert wird -weder sind wir bisher zum Mittelpunkt der Erde noch ins Jahr 802701 gereist, und schon gar nicht überschwemmen faschistische Nordmolche die Welt. Bis jetzt jedenfalls. Prophezeiungen vermögen bestenfalls Auskunft über den Geisteszustand ihrer Anhänger zu geben und auch Science Fiction behandelt nicht die Zukunft, sondern erlaubt bestenfalls einen besonders scharfen Blick auf die Gegenwart. Welches Hilfsmittel erlaubt es mir dann, die anfangs gestellten Fragen zu beantworten?
Die Frage nach den digitalen Archiven hat die HyperKults seit der Nummer Eins in 1991 beschäftigt. Es hingen Erwartungen an als beliebig groß gedachten Speichern, sie sollten mühelos und in ganz neuer Weise den Zugang zu und den Diskurs über das Material ermöglichen, das uns am meisten interessierte. Ähnlich wie der Hypertext-Diskurs hingen an den Sammlungen im Computer Ideen der Ermächtigung, der Befreiung, des lustvollen Selbermachens. Wir wollten etwa mit Filmen direkt umgehen können, nicht nur mit Beschreibungen oder Filmstills, Bilder sollten zu unserer Verfügung stehen, unmittelbar gleichsam, und die Bibliothek von überhaupt allen Texten stellten wir uns als eine Paradies für Leserinnen und Leser vor, aber auch für Autorinnen und Autoren.
Rechtsgeschichte - Legal History, 2007
The article explores the theoretical implications involved in positing cinema as a nocturnal chronotopos. Cinematic images emerge out of the darkness of a movie theatre only once again to veer towards darkness, once the play of light and shadow on the screen has again ceased. The charm of cinematic representations resides in the fact that they make up an effervescent imaginary space. At the same time, cinema offers an enmeshment of the past and the future by virtue of the effects of presence it spectrally affords. Cinematic images arise from a past world and project a future spectatorship. It is precisely by producing a presence that represents this alignment of past and future, that cinema proves to be a nocturnal space-time between forgetting and remembering, once one has awoken from its manifestations.
integration, 2005
Für die Perspektiven des europäischen Verfassungsvertrages nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Verfassung bereits ratifiziert hat 1 und diese auf einem Konsens der Konventsmitglieder aus allen Mitglied-und Kandidatenstaaten und auf einstimmiger Verabschiedung durch die Staats-und Regierungschefs beruht. Dieses Gewicht an Zustimmung und Umsetzungsbereitschaft zu ignorieren, hieße einen großen Teil des politischen Willens Europas zu missachten. Aber selbst wenn man den Blick auf die gescheiterten Ratifikationsverfahren fokussiert, sollte der Ausgangspunkt für die Analyse nicht so sehr das Scheitern an sich, sondern die erkennbaren Motive für die Ablehnung des Verfassungsvertrages sein. 2 Dabei stellt sich heraus, dass in der Tat einige, aber bei Weitem nicht die mehrheitsbildenden Motive im Verfassungsvertrag selbst zu suchen sind. Denn die Ergebnisse der Referenden in Frankreich und den Niederlanden erklären sich insgesamt aus einer Gemengelage von innenpolitischen und hier vor allem wirtschafts-und sozialpolitischen Problemen, einer generellen Unzufriedenheit mit bestimmten Aspekten des ‚Projekts Europa' und einem Protestpotenzial gegen die jeweilige Regierung. 3 Solange diese Ursachen der negativen Voten nicht beseitigt sind, droht einem wie auch immer gearteten neuen Vertrag (oder einer ‚Verfassung-minus-x') eine ähnliche Ablehnung, weswegen wenig gewonnen wäre, die Verfassung jetzt ad acta zu legen und ein Nachfolgeprojekt zu beginnen. An erster Stelle einer Krisenbewältigungsstrategie müsste daher eine eingehende Analyse aller Möglichkeiten einsetzen, die die Beseitigung der wirklichen Ablehnungsmotive zum Ziel haben-eine Aufgabe, die über den hiesigen Rahmen weit hinausreicht. Dabei haben diese Motive durchaus etwas mit Europa-aber wenig mit dem Verfassungsvertrag-zu tun, insofern sie die Sorge über das Verhältnis von Markt und Sozialpolitik, von Globalisierung und europäischem Gesellschaftsmodell, von politischer Steuerungsfähigkeit globaler Entwicklungen überhaupt zum Inhalt oder Hintergrund haben. Der Verfassungsvertrag wollte zumindest eine Teillösung auch dieser Probleme erreichen-und ist doch abgelehnt worden, weil die (Teil-)Lösung mit den Problemen verwechselt wurde. Solange letztere aber nicht gelöst sind, wäre es verfrüht, den Verfassungsvertrag für obsolet zu erklären. Vielmehr sollte er erst dann aufgegeben werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: wenn erstens alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ihn in Kraft zu setzen, oder zweitens, wenn sich eine attraktive Alternative zeigt. Beides ist zur Zeit aber noch nicht der Fall. Die Möglichkeiten
Handbuch Wissenschaftssoziologie, 2012
Sirius - Zeitschrift für strategische Analysen, 2020
Zusammenfassung: Im Zuge der russischen Annexion der Krim sowie einer neuen Konkurrenz der Großmächte ist das Konzept der Abschreckung als wichtiger Bestandteil westlicher Sicherheitspolitik wieder in den Blickpunkt gerückt. Allerdings krankt die Debatte an einem Alarmismus, der einer rationalen Abschreckungsdiskussion abträglich ist. Vor allem aber krankt sie an dem Widerspruch, die Zuverlässigkeit klassischer militärischer Abschreckung in Zweifel zu ziehen, das Konzept jedoch zugleich auf die Abwehr "hybrider" Bedrohungen ausdehnen zu wollen. Insgesamt erweckt die aktuelle Abschreckungsdebatte den Eindruck, sie diene als Ersatz für eine notwendige, wesentlich breitere Auseinandersetzung über die künftige Rolle der USA sowie über den Umgang des Westens mit seinen strategischen Konkurrenten.
2012
Die neuere Geschichte des Vorratsschutzes dient für einen Ausblick auf die nahe Zukunft dieses angewandten Forschungsgebietes mit seinen wichtigen Organismen. Anders als üblich werden die Aussichten aus der Sicht der Vorratsschädlinge, insbesondere der vorratsschädlichen Insekten beschrieben. Vom Menschen über Jahrzehnte in großem Umfang eingesetzte synthetische Kontaktinsektizide haben beispielsweise ihre Bedeutung durch Resistenzbildung der Schadtiere und Bedenken gegen den Einsatz der Chemikalien aus gesundheitlichen Gründen und Erwägungen zum Schutz der Umwelt stark eingebüßt. In groben Zügen werden physikalische und chemische Methoden beschrieben, die zum Teil sowohl für eine Prävention von Schäden und Befall als auch für die Bekämpfung der Schadorganismen geeignet sind. Besonderes Gewicht liegt auf der Beschreibung der biologischen Bekämpfung. Die Schadtiere sind allerdings durch ihre Millionen Jahre andauernde Evolution zum Teil bestens auf die bis heute nicht abschließend e...
Editorial 4/2015 Die Zukunft von gestern Seit rund drei Jahrzehnten verändert die Digitaltechnologie in ihrer ökonomisch induzierten Anwendung das, was man zwangsläufig unpräzise als „gesellschaftliche Kommunikation“ bezeichnen kann, dramatisch. – Allerdings hat das aus dem Englischen kommende Wort „disruptiv“, also zerstörerischer Wandel, damit im Zusammenhang erst in letzter Zeit Einzug in die deutsche Sprache gehalten. Aus der Not des Augenblicks heraus stellen sich viele in der Informations- und Kommunikationsbranche Beschäftigte die Frage, in welche Richtung die Entwicklung geht: Integriertes crossmediales Produzieren, „digital first“, Ende des Gedruckten – mit ihm zusammen vielleicht das Aussterben aller „Legacy-Medien“ mitsamt dem Journalismus, da „User“ den „Content“ aus ihrem jeweiligen Erlebnisbereich selbst „generieren“ und IT-Konzerne aus den jeweiligen „Clouds“ zielgruppengerechte „Feeds“ „kuratieren“. Die Vorhersagen differieren in Abhängigkeit vom Fokus der jeweiligen Darstellungen, den für die Zukunftsabschätzung eingesetzten Methoden und wohl auch, wie unterstellt werden darf, vom kultursoziologischen Milieu, aus dem heraus die Prognose gewagt wird. So fragte ein Team der Universität Toronto 2011 (Van Alstyne 2011) „What will our media and entertainment be like by 2020?“ In rund fünf Jahren werden wir wissen, welches dieser vier Szenarien, die in einer Mischung aus Delphibefragung und Focus-Gruppen zustande gekommen sind, realistisch war; oder möglicherweise keines davon (Boshafte Anmerkung: Vielfeldermatrices werden aufgrund ihrer dichotomen Anlage, die sich in einem Koordinatensystem mit zwei Gegensatzpaaren auch optisch schön darstellen lassen, immer wieder gern verwendet. Dass sich die Wirklichkeit immer auf zwei polare Positionen reduzieren lässt, wird dabei stillschweigend vorausgesetzt). In dieser Untersuchung wird von jeweils zwei gesellschaftlich möglichen Alternativen ausgegangen: langsame und staatlich regulierte versus disruptive Entwicklung bzw. korporativ/kapitalistische versus sozial/kommunitarische. Insofern könnte die Medienorganisation 2020 entweder von staatskapitalistisch agierenden Konzernen, von einem Kaleidoskop relativ kurzlebiger Startup-unternehmen geprägt sein, von einem Ökologieverständnis, das „slow media“ umfasst oder von einem internationalen Wettkampf der „Lords of the Cloud“. Wie gesagt, in wenigen Jahren können wir – unter der Voraussetzung, dass wir uns noch an die Aussagen erinnern – über die Trefferquote dieser und anderer aktueller Studien über die Medienzukunft ein Bild machen. Man kann allerdings auch heute schon einen Blick zurück werfen und sich fragen, wie frühere Prognosen der Kommunikationswissenschaft, gemessen an der heutigen Realität, abgeschnitten haben. Was wurde vor zwanzig und mehr Jahren richtig vorhergesagt und worin lag man komplett falsch? Was ist in der aktuellen Medienpraxis wichtig, wurde aber in vergangenen Zukunftsbeschreibungen gar nicht erwähnt? – Das ist das Anliegen dieses Heftes von medien & zeit. Die Veränderung des „Medien-Ökosystems“ wie das Gerhard Rettenegger hier in seinem Beitrag m.E. zutreffend nennt, trifft die Kommunikationswissenschaft in mehrfacher Weise: Ihr Materialobjekt hat sich geradezu beängstigend ausgedehnt (Technik hat uns beispielsweise lange eher nicht interessiert, interpersonelle Kommunikation ebenso), ungelöste Verfahrensfragen fordern ihren Tribut in der Herangehensweise (etwa: lassen sich Funktionen gesellschaftlicher Kommunikation normativ oder nur analytisch bestimmen) und – ohne den Fragenkatalog hier auch nur ansatzweise ausgeschöpft zu haben – welche heuristische Position kann sich Kommunikationswissenschaft als Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme selbst zumessen? Josef Trappel geht in seinem Beitrag auf die hier angesprochenen erkenntnistheoretischen Probleme ein. Ist Zukunft vorhersehbar, und würden Prognosen, sofern sie gesellschaftlich wirksam werden, die Entwicklung nicht eher beeinflussen und ihre eigenen Aussagen damit obsolet machen? Oder sollte man angesichts eines naheliegenden Spekulationsverdachtes kommunikationswissenschaftliche Prognosen besser gar nicht abgeben? Trotz aller Skepsis redet Trappel dem nicht das Wort. Roman Hummel, Susanne Kirchhoff, Dimitri Prandner und Rudi Renger versuchen „Prognosen von gestern“ in Bezug auf Journalismus auf ihre Relevanz hin abzuklopfen. Das Ergebnis ist „durchwachsen“: Dort, wo die Entwicklung einem stetigen Verlauf gefolgt ist, wurden durchaus bis heute zutreffende Aussagen gemacht. Wo aber vor allem utopische oder dystopische Einstellungen „die Feder geführt“ haben, wirken die damaligen Erkenntnisse heute so unzeitgemäß wie die seinerzeitige Kleidermode. Um Utopien und Dystopien als beeinflussende Wissenschaftstrends geht es vor allem bei Dimitri Prandner und Rudi Renger. Sie sprechen von einer „Veradornisierung“ der Medienanalyse in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts. So konnte, dies der Befund, die zivilgesellschaftliche Aneignung neuer Medientechnologien nicht richtig in den Blick genommen werden. Die zivilgesellschaftliche Nutzung neuer Medientechnik-Ressourcen ist denn auch das Thema von Gerhard Rettenegger. Ihm geht es dabei vor allem auch um die Bereitschaft der Journalistinnen und Journalisten, grundlegende Transformationsprozesse als solche anzuerkennen und für ihre eigene Arbeitspraxis positiv nutzbar zu machen. Damit ist das Ziel, weshalb wir dieses Heft von medien & zeit geschrieben haben, mit umrissen: Wir wollten ein wenig zur Selbstreflexion hinsichtlich der Aussagen zur Veränderung des Medien-Ökosystems beitragen. Dem Team von m&z sei herzlich dafür gedankt, dass sie diese Idee akzeptiert und uns bei der Verwirklichung unterstützt haben. Frau Viktoria Hubner, Studienassistentin in der Abteilung Journalistik am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg, danke ich ganz besonders für ihre Arbeit beim Einrichten der Manuskripte. Roman Hummel im Namen aller an der Publikation Beteiligten Bibliographie Van Alstyne, G. (2011). 2020 Media Futures. Toronto. OCAD University
Vorsorgen in der Moderne
Vorsorge als Zukunftshandeln Versuch einer theoretischen Bilanzierung im Hinblick auf die Geschichte der Zukunft 1 Ein einfaches Gedankenmodell Vorsorge ist, wie in den Beiträgen dieses Bandes deutlich wird, ein zeittheoretisch komplexer Vorgang, der eng mit Zukunftsentwürfen verbunden ist: Wir entwerfen, indem wir vorsorgen, eine Zukunft, die nicht eintreten soll (Zukunft 1). Diese Zukunft hat die Gestalt einer Gefahr, die es abzuwehren gilt. Dazu werden Maßnahmen geplant und ergriffen, die das Eintreten dieser Gefahr verhindern sollen: In ihnen scheint so eine weitere Zukunft auf, die zur ersten Zukunft im Verhältnis der Negation steht (Zukunft 2). Später wird man sehen, wie weit es tatsächlich gelungen ist, die Gefahr zu bannen. Sollte sich dabei herausstellen, dass dies nicht gelungen ist, wird nach Gründen dafür gesucht. Dabei stößt man eventuell auf ungewollte Folgen der bislang vorgesehenen Gegenmaßnahmen, oder auch auf Faktoren, die zuvor nicht bedacht worden sind: In beiden Fällen entsteht aus solchen Beobachtungen eine neue Gefahrendiagnose (Zukunft 3), die wiederum durch neue Gegenmaßnahmen konterkariert werden soll. Auch diese enthalten wieder eine Zukunftsperspektive (Zukunft 4) usw. Im Folgenden soll daher der Versuch gemacht werden, die in diesem Band vorgestellten Figuren und Felder der Vorsorge in den Entwurf einer Geschichte der Zukunft einzuzeichnen.1 Die Beiträge zu diesem Sammelband enthalten viele Beispiele für eine solche diachrone Logik des Antwortens neuer auf ältere Zukünfte. Häufig beschränken sich Vorsorgekonzepte dabei auf die ersten beiden Stufen, auf die Folge von Gefahrenidentifikation und-abwehr. Nina Mackert etwa schildert in ihrem Beitrag zu den neuen Diätstrategien um 1900 zunächst zeitgenössische Vorstellungen von der Gefahr des Übergewichts durch zu viel und falsche Nahrungsaufnahme, auf die die Selbstkontrolle der Esser durch das Zählen der aufgenommenen Kalorien in der diätetischen Ratgeberliteratur antwortete. Schon hier ging es nicht allein darum, eine drohende Zukunft zu verhindern, sondern zugleich auch darum, eine neue Zukunft herbei
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