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Kausalität und Teleologie sind zentrale Begriffe in der Philosophie von G. W. Leibniz (1646–1716). Leibniz betont immer wieder, dass das Weltgeschehen zugleich kausal und final bestimmt ist. In epistemologischer Hinsicht bedeutet dies, dass jedes Ereignis sowohl aus seiner Ursache als auch aus seinem Zweck heraus erklärt werden kann. Für die Ontologie gilt, dass physische Ereignisse durch Wirkursachen bestimmt sind, die ihnen zugrundeliegenden Substanzen aber nach Perfektion streben und damit auf Ziele hin ausgerichtet sind. Leibniz entwickelt in diesem Zusammenhang ein komplexes philosophisches System, das diese scheinbar gegenläufigen Ideen integrieren soll und das eine Prinzipienlehre, eine komplexe Substanzontologie, eine Theorie dynamischer Kräfte und eine Organismuskonzeption umfasst. Anders ausgedrückt: Leibniz will die galileische Mechanik mit der aristotelischen Substanzenlehre und der christlichen Schöpfungslehre versöhnen. Das vorliegende Buch macht einen Vorschlag, wie diese metaphysische Synthese zu verstehen ist.
Please do not quote. I. Einleitung. Im Folgenden möchte ich auf einen Zusammenhang zwischen Leibniz' Theorie der Kausalität und seinem Freiheitsbegriff hinweisen. Es soll verdeutlicht werden, dass wir in Leibniz' Philosophie dem heute in den Vordergrund gerückten Konzept der transitiven Kausalität die Idee einer immanenten Kausalität gegenüberstellen müssen, um die Frage nach Freiheit angemessen beantworten zu können. In transitiven Kausalrelationen geht die Ursache in der Wirkung auf, etwa wenn ein bewegter Körper seinen Impuls an einen anderen Körper abgibt und dabei selbst an Geschwindigkeit verliert. Immanente Ursachen jedoch können ihre Wirkungen realisieren, ohne selbst vermindert zu werden: So galt etwa in der Wärmetheorie vor der Thermodynamik das Feuer als eine konstante Quelle der Qualität der Wärme; ebenso schrieb man in der platonischen Seelenlehre der Seele den unverminderbaren Ursprung aller körperlichen Bewegungen zu. Da sich Leibniz bereits in seinen frühen Jahren zur Rehabilita-tion von Aristoteles' substanziellen Formen im Kontext moderner Wissenschaft bekannt hat 1 , können wir große Teile seiner Naturphilosophie als den Versuch ansehen, transitive Ursachen und damit die quantitative empirische Wissenschaft, vor allem die Mechanik, mit immanenten Ursachen und damit irreduziblen qualitativen Veränderungen zu versöhnen. Heute wird der Freiheitsbegriff normalerweise im Zusammenhang mit transitiv-kausaler Determination konzipiert. Dies wurde durch Peter Bieri präzise auf den Punkt gebracht in Form des nach ihm benannten Bieri-Trilemmas, das aus drei heute geläufigen Grundannahmen besteht, die nicht alle zugleich wahr sein können: 1.) Die physische Welt ist kausal geschlossen. 2.) Geistige Zustände wie Willensakte sind von physischen Zuständen unterschieden. 3.) Geistige Zustände wirken auf physische Zustände ein 2 . Eine solche Problematisierung auf Leibniz zu beziehen ist nichts als ein Anachronismus unter dem Deckmantel der Systematizität, denn Leibniz konzipiert Freiheit vor allem in Bezug auf die Frage nach der Möglichkeit und Urheberschaft von Schuld und Strafe gegenüber Gottes Wissen und Gerechtigkeit 3 . Dennoch soll dieses Trilemma hier als Einstieg in die Frage nach dem Zusammenhang von Kausalität und Freiheit bei Leibniz dienen, und sei es nur als kontrastierende Gegenposition. Leibniz postuliert die Äquipollenz zwischen transitiver Ursache und Wirkung 4 und betont, dass selbst Gott nicht in den Weltablauf eingreift. Damit ist die Welt faktisch kausal geschlossen und physisches Geschehen stets determiniert. Leibniz kann auch annehmen, dass geistige Zustände von physischen Zuständen verschieden sind. Zwar finden sich erstaunlich wenig Bemerkungen von ihm zu diesem Sachverhalt, doch lässt sich aus den verschiedenen Schriften die relevante Differenz problemlos rekonstruieren: Geistige Zustände (oder Akte) sind im Prinzip nichts anderes als die einer individuellen Substanz zugehörigen und spontan hervorgebrachten Perzeptionen, während körperliche Zustände wohl fundierte Phänomene sind, deren Realität durch ein zugrundeliegendes Substanzenaggregat garantiert wird und die in den genannten Perzeptionen der Substanz phäno-1
Rivista di Filosofia Neo-Scholastica, 2020
The concept of causality is central to the assessment of numerous related metaphysical and epistemic positions, in Hegel and elsewhere. The present essay tries 1). to understand Hegel's critique of the merely categorically understood concept of causality; 2.) to uncover the theoretical structure that must accompany the categorical concept of causality in order to avoid the problems mentioned above; and 3.) to argue that such a theory of causality has a fundamental function for objectivity.
1983
Zuerst soll die klassische Kausalität, hier Kausalität2 genannt, die den Stein des Anstosses für alle Evolutionisten darstellt, in einem Minimodell definiert werden. Dieses wiederum erlaubt in einfacher Weise einen Vergleich mit dem Modell der statistischen Verursachung (Kausalität1). Unter Benutzung von systemtheoretischen Bedingungen wird gezeigt, daß sich dieses Modell besonders gut zur Erklärung von evolutionären Verursachungsketten und von gegen-seitiger Verursachung eignet. Der entscheidende Unterschied zwischen Kausalität1 und Kausalität2 zeigt sich klar, wenn man die klassische Kausalität (Kausalität2) wie sie der Newtonschen Theorie zugrunde liegt, einfach ohne Zufallserscheinungen zu berücksichtigen, auf biologische oder soziale Theorien überträgt. Immer dann, wenn wir den Zufall (Zufallsereignisse) in ein streng deterministisches System einführen, wird es, gemäß den alten Vorstellungen von Epikur und Karneades, indeterminis-tisch. 'Indeterministisch' heißt einfach, daß wir das zukünftige Verhalten eines bestimmten Individuums nicht mit einer definitiven Ja-oder Nein-Aussage ausdrücken können, sondern nur mit einer Wahrscheinlichkeit p(e l). In typisch biologischen Systemen ist dieser Unbestimmtheitsspielraum der Einzelindividuen durch gegenseitige Beeinflussung, durch Zufall oder durch den Einfluß von übergeordneten Systemen ihrer Umgebung verursacht. Die Kausalität1 erklärt so, wenn sie zu zeitinvarianten, d.h. über Raum und Zeit ihren Zustand oder ihre Form erhaltenden Systemen führt, wie Naturgesetze als 'Invarianzen' verstanden werden können, wie noch eingehend in den nächsten Abschnitten gezeigt wird. Die Annahme einer Kausalität1 führt, wenn sie global gilt, zu einem einzigen kausal1 zusammenhängenden holistischen System (Bio-und Ökosysteme eingeschlossen), dessen Sub-systeme, Systeme und Supersysteme ein einziges offenes, nicht notwendigerweise linear hierarchisches, mit dazwischenliegenden Kausalschlingen, kybernetischen Zyklen etc. zusammengesetztes, kausales Wirkungssystem bilden. Diese Annahme wurde systemtheoretisch zum Aufbau einer Ontologie verwendet (Leinfellner-Leinfellner 1978). Die Annahme, daß das Universum ein kausal1-zusammenhängendes Wirkungssystem ist, kann als Konsequenz des berühmten Bell-Theorems angesehen werden, das hier in einer einfachen, analogen Formulierung benützt wird.
Im Jahre 1912 schrieb Bertrand Russell einen berühmten Aufsatz, in dem er vorschlug, das Wort "Ursache" aus dem Wortschatz der Philosophie zu streichen, da es so viele irreführende Assoziationen hervorrufe. Außerdem sei in den fortgeschrittenen empirischen Wissenschaften, die es doch am besten wissen müssten, von Ursachen nicht mehr die Rede. "Der Grund", schreibt Russell in der für ihn so charakteristischen Manier, "warum die Physik aufgehört hat, nach Ursachen zu suchen, liegt darin, dass es nichts derartiges gibt. Wie vieles andere, was die Philosophen anerkennen, ist … auch das Kausalprinzip ein Relikt aus vergangener Zeit, das wie die Monarchie nur deshalb überlebt hat, weil man es irrtümlicherweise für unschädlich hielt." 1 Mit dieser Diagnose stand Russell keineswegs allein. Er gab damit einer zu seiner Zeit sehr verbreiteten Meinung einen pointierten Ausdruck. 2
"Das unglückliche Bewusstsein und die Teleologie des Menschlichen", Hegel-Jahrbuch 2018, Sonderband, Duncker-Humblot, Berlin 2024, S. 234-241, 2024
Hegel’s remarks on the emergence, development and overcoming of the “unhappy conscience” in the Phenomenology of Spirit are, among other things, also interesting from an anthropological perspective. For they contain important approaches to the development of humans as thinking and acting beings with regard to their socialization, which in turn, as it is well known, is in line with both the systematic and historical precepts of Hegelian thought. Hegel’s anthropology, to the extent that it takes on clear dimensions according to this section, is oriented towards the unity of human faculties under the primacy of the emancipatory power of thought, upon which a certain “teleology of humanness” is being built. Hegels Ausführungen zur Entstehung, Entfaltung und Überwindung des „unglücklichen Bewusstseins“ in der Phänomenologie des Geistes sind u.a. auch in anthropologischer Perspektive folgenreich und interessant. Denn darin sind wichtige Ansätze zur Entwicklung des Menschen als denkenden und handelnden Wesens im Hinblick auf seine Vergesellschaftung enthalten, was wiederum bekanntlich sowohl mit systematischen wie auch mit historischen Vorgaben des Hegelschen Denkens wesentlich zusammenhängt. Die aus diesem Abschnitt hervorgehende Anthropologie Hegels ist auf die Einheit der menschlichen Vermögen ausgerichtet unter dem Primat der emanzipatorischen Kraft des Denkens, worauf sich auch eine gewisse „Teleologie des Menschlichen“ aufbaut.
/Gedankenlesen]. 9 Vgl. EU, Einl. § 2, wo Locke betont, er wolle sich "nicht auf eine naturwissenschaftliche Betrachtung des Geistes einlassen".-An einer sehr zentralen Stelle weicht er allerdings, worauf noch einzugehen sein wird, von diesem Vorsatz ab. Seine Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten verbindet er mit ausführlichen Spekulationen über die kausalen Prozesse, die zur Entstehung von Vorstellungen führen (EU 2.8.4; 2.8.10-22). Das schließt er dann jedoch ab mit der Bemerkung: "In dem unmittelbar Vorhergehenden habe ich mich etwas tiefer auf physikalische Untersuchungen eingelassen, als ich vielleicht wollte" (EU 2.8.22). 10 Diese Auffassung ist nicht neu. Mit seiner semiotischen Auffassung der Bewusstseinsinhalte steht Locke in der Tradition der mentalen Sprache, die bereits von Aristoteles angelegt und in der Scholastik besonders ausgeprägt von Wilhelm von Ockham (1285-1347) vertreten wurde. Ein moderner Vertreter der sog. "Sprache des Geistes" (in der Literatur auch spöttisch Mentalesisch genannt) ist Fodor (1975). 11 Das hat bei Riehl (1908: 99) dazu geführt, Lockes Essay als "die englische Kritik der reinen Vernunft" zu bezeichnen. Zu Kant vgl. Prauss 1974: Kant und das Problem der Dinge an sich. 12 Um historischen Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die Konkurrenz dieser beiden Modelle keineswegs eine Erfindung der Neuzeit ist. Sie findet ihre Vorläufer vor allem in der mittelalterlichen Semiotik, insbesondere in den Theorien der Supposition, andererseits spielte auch bereits für Aristoteles dieses Problem eine herausragende Rolle (vgl. dazu Arnold 1952).
Teleologische Reflexion in Kants Philosophie, 2019
Immanuel Kant entwickelte im Rahmen der Kritik der Urteilskraft seinen Begriff des Zwecks (telos). Die daraus entstehenden Implikationen für seine theoretische und praktische Philosophie, aber auch für sein System insgesamt sind weitreichend. Deshalb bleibt die Betrachtung der kantischen Teleologie in diesem Sammelband nicht bei einem Werk stehen, sondern betrachtet seine komplette Philosophie und zeigt sowohl Verbindungen als auch Brüche auf. Damit kann das Potenzial von Kants Teleologie, auch über seine Philosophie hinaus, neu bewertet werden.
2019
In der Dissertation Kausalität und Naturgesetze bei Hume und Kant wird die These vertreten, dass sich in den Werken Kants vielfältige Antworten auf den Skeptizismus David Humes finden lassen. Kants Position zu Naturgesetzen und Kausalität wird insbesondere anhand seiner Theorien zu besonderen Naturgesetzen in der Kritik der reinen Vernunft, den Prolegomena, den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft und in der Kritik der Urteilskraft untersucht. Geleitet wird die Untersuchung von der Frage, wie empirische Gesetze in Kants Philosophie gerechtfertigt werden. In diesem Zusammenhang wird nicht nur gezeigt, wie Kants Transzendentalphilosophie ein Fundament für die Einzelwissenschaften bietet und diese legitimiert, sondern auch der epistemologische Aufbau von apriorischen zu empirischen Gesetzen und ihre Einordnung in Systeme.
Causation can be reduced to transmission in the following way: (K) Two events c and e are linked as cause and effect iff there is a conserved quantity P which is exemplified in both events and of which an amount Q is transferred from c to e. This conception permits to overcome difficulties faced by earlier versions of the transference theory and by "process theories" of causation, such as Salmon's and Dowe's. In particular, it can explain the asymmetry of causality without relying on the asymmetry of time, and the difference between causal and pseudo-processes. Statt eine Bestandsaufnahme sämtlicher Versuche 1 in Angriff zu nehmen, die seit Humes (1978) und Russells (1912) Attacken unternommen wurden, um dem Begriff der Kausalität als objektiver Beziehung zwischen Ereignissen wieder zu philosophischer Respektabilität zu verhelfen, möchte ich folgenden Vorschlag verteidigen: (K) Zwei Ereignisse c und e sind genau dann wie Ursache und Folge miteinander verbunden, wenn es eine Erhaltungsgröße P gibt, die in beiden Ereignissen vorhanden ist, und von der eine bestimmte Quantität Q von c auf e übertragen wird. Der hier verwendete Ereignisbegriff identifiziert ein Ereignis mit dem Inhalt einer Raumzeit-Zone. Ereignisse sind also konkrete Individuen, deren Identität aufgrund eines räumlichen und zeitlichen Kriteriums festgelegt ist. Dagegen hängt im allgemeinen die Identität eines Gegenstands, z.B. eines Tisches, nur von seinen räumlichen Grenzen ab 2 . Die auf (K) aufbauende Transfer-Theorie 3 , d.h. die Theorie der Kausalität, die sie auf die Übertragung 4 einer Quantität einer Erhaltungsgröße zurückführt, soll nun am Beispiel der Erklärung des Ursprungs der Asymmetrie der Kausalität näher erläutert werden.
Kalina Kupczynska Ohne Rückenwind. Über Kausalität in der Prosa von Clemens J. Setz Kausalität wird im Kontext literarischer Texte meistens als eine Ordnung definiert, die fiktionale Narrative in enger Verbindung mit deren zeitlichen Komposition strukturiert;1 häufig wird ‚Kausalität' analog zu ‚Logik' der Erzählung behandelt, so etwa bei Todorov und Barthes. Todorov und Barthes, wie auch die meisten Strukturalisten, betonten das Primat der Kausalität bzw. der Logik der Narrative gegenüber deren zeitlichen Ordnung; der Leser konzentriere sich viel stärker auf die erstere – so Todorov. In der kognitivistischen Erzählforschung wird das Phänomen der Kausalität in Narrativen im Verhältnis zu allgemein geltenden Gesetzen der Kausalität graduell aufgefasst: " CAUSE does not have the restrictions associated with physical causation, wherein one event is both necessary and sufficient for another event to occur. Causal relations in stories have a looser character, implying sufficiency rather than necessity. " 2 Kausalität umfasst so wichtige Aspekte fiktionaler Texte wie " die Spannung zwischen Motivation und Handlung, zwischen Word und Tat " , die Rolle von 1 1 Vgl. Tzvetan Todorov: " La causalité est étroitement liée à la temporalité; il est même facile de les confondre. […] Mais si presque tout récit causal possède aussi un ordre temporel, nous n'arrivons que rarement à percevoir ce dernier. La raison en est un certain état d'esprit déterministe, que nous attachons incosciemment au genre même du récit. ". Ders.:
Pensar como operación -Acerca de los presupuestos e implicaciones de la lógica formal moderna Max Gottschlich
Vous persuader bien facilement du premier coup d oeil sincère, que la désordre, mais mon ami c est la belle essence de votre vie même! De tout vote être physique et métaphysique! Mais c est votre âme Ferdinand! Des millions, des trillions de replies... intriqués dans la profondeur, dans le gris, tarabiscotés, plongeants, sous-jacents, évasifs... Illimitables! Voice l Harmonie, Ferdinand! Toute la nature! Une fuite dans l impondérable! Louis Ferdinand Céline, Mort à crédit, 1936 die die eine Welt aus dem ursprünglichen Chaos (apeiron) hervortreten lässt. Das Gehirn ist somit der Bereich interdisziplinärer Resonanzen, geteilter Probleme und interner Allianzen. Eine Untersuchung des Deleuzeschen Begriffs der Nicht-Philosophie ist daher gut beraten, sich auf seinen Begriff vom Gehirn zu konzentrieren. Das Gehirn ist weder das Objekt der empirischen Wissenschaften noch das Transzendentalsubjekt der Phänomenologie, sondern, wie ich behaupten möchte, ein philosophisches Konzept. Es ist wichtig, die philosophische Konstitution des Gehirns anzuerkennen: Jeder übereilte Versuch, Deleuze in eine Verbindung mit den Neurowissenschaften zu bringen, läuft Gefahr, die eigenständige Realität der Philosophie preiszugeben und uns wiederum die moralische Wahl zwischen Chaos und Wissenschaft aufzuzwingen. Deleuze wusste sehr wohl, dass nur in ihrer vollen Ausgereiftheit und nicht im Prozeß ihrer Bildung Begriffe und Funktionen einander notwendig kreuzen, wobei sie jeweils nur mit ihren eigenen Mitteln erschaffen wurden. (Ebd.: 188) Dieser Aufsatz zielt darauf ab, eine philosophische Antwort auf das Problem zu erkunden, wie die verschiedenen Bereiche der Kreativität zu unterscheiden sind, ohne gleichzeitig strikt voneinander getrennt werden zu müssen. Anstatt mich auf Tarde, Bergson, Whitehead, Ruyer oder Simondon zu beziehen, die Deleuzes Konzept des Gehirns manifest beeinflusst haben, wähle ich Die Falte. Leibniz und der Barock als Bezugsrahmen. Neben den Kino-Büchern bietet Die Falte eine besonders anspruchvolle Darlegung der Bedeutung der Nicht-Philosophie als konstitutiver Existenzbedingung der Philosophie. Obwohl das Gehirn kein thematisches Konzept dieses Buches ist und nicht einmal explizit erwähnt wird, geschieht alles genau so, als ob es der Schatten sei, der sich über alle Kapitel ausbreitet und sie fortwährend begleitet. Erst dieser Schatten lässt die vorher erwähnten Philosophen als Mitglieder einer verborgenen Schule (Deleuze 2000: 126) des Leibnizianismus hervortreten. In Die Falte steht eine philosophische Logik von Konzepten auf dem Spiel, die völlig mit den sinnlichen Beziehungen der Kunst (Affekte und Perzepte) verknüpft ist. Die Kunst wird von einem sinnlichen Medium verkörpert und die Philosophie ist ähnlich wie jene eine Praxis formeller Schöpfung. Obwohl sie einen wesentlichen Teil von Deleuzes Barockverständnis ausmacht, ist die Wissenschaft etwas weniger präsent und sie wird hier außer Betracht gelassen. Es reicht zu wissen, dass sowohl für Deleuze 3 wie auch für Leibniz alle drei Bereiche in einem gemeinsamen Medium kommunizieren. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Leibniz Deleuze die Gelegenheit für eine adäquate Beschreibung dieses Mediums bietet. Hat Deleuze nicht bereits selbst erklärt, dass er erst durch die Arbeit an seinem Buch über Leibniz gelernt hat, Konzepte von Affekten und Perzepten zu unterscheiden? (Vgl. Deleuze 1993: 200) 2. Leibniz über Seele, Körper und Gehirn Anders als Locke, der die Seele mit einer vollkommen homogenen und glatten Oberfläche einer noch unbeschriebenen Schreibtafel (tabula rasa) verglichen hat, auf der die von außen durch die Sinne kommenden Eindrücke eingeschrieben werden, begreift Leibniz in seinen Neuen Abhandlungen über den menschlichen Verstand die Seele als ausgestattet mit angeborenen Ideen ähnlich den Adern einer Tafel aus Marmor. 1 Er übernimmt Lockes Analogie der Seele mit einem dunklen Zimmer (camera obscura), in dem das einzige Licht von den Sinnen stammt. Jetzt aber setzen die Sinne die Seele nicht länger unmittelbar in Verbindung mit einem Außen. Zwischen ihnen vermittelt ein Sieb oder eine Art zerebrale Membran, die gefaltet ist. Um die Ähnlichkeit noch zu vergrößern, müßte man annehmen, daß in dem dunklen Zimmer eine Leinwand ausgespannt wäre, um die Bilder aufzunehmen, daß diese Leinwand aber keine ganz ebene Fläche bildete, sondern durch Falten (die die eingeborenen Erkenntnisse darstellen würden) unterbrochen wäre: daß weiter diese Leinwand oder Membran, wenn man sie spannt, eine Art Elastizität oder Wirkungskraft besäße, ja daß sie eine Tätigkeit oder Reaktion auszuüben vermöchte, die sowohl den älteren Falten als den neueren, die aus dem Eindruck der Bilder von außen stammen, angepaßt wäre. Und zwar müßte diese Tätigkeit in gewissen Schwingungen oder Oszillationen bestehen, wie man solche an einer angespannten Saite bemerkt, wenn man sie berührt, dergestalt, daß sie eine Art von musikalischem Ton von sich gäbe. Denn wir empfangen nicht allein Bilder oder Spuren in unserem 1 Vgl. Leibniz 1971: 86. Daher habe ich lieber den Vergleich mit einem Stück Marmor gebraucht, das Adern hat, als den mit einem ganz einartigen Marmorstücke oder einer leeren Tafel [ ]. Ebd.: 8. Gehirn, sondern bilden auch neue, wenn wir komplexe Ideen betrachten. So muß also die unser Gehirn veranschaulichende Leinwand tätig und elastisch sein. Dieser Vergleich würde das, was im Gehirn vor sich geht, leidlich veranschaulichen, was aber die Seele betrifft, die eine einfache Substanz oder Monade ist, so stellt sie eben diese Mannigfaltigkeiten der ausgedehnten Massen ohne Ausdehnung dar und perzipiert sie. (Leibniz 1971: 126 f.) Mit anderen Worten: Leibniz gesteht Locke zu, dass die Perzeptionen der Seele mit dem, was draußen passiert, resonieren, selbst wenn sie, wie eine Saite mit seiner spezifischen Masse und Flexibilität, dies nur gemäß den charakteristischen Frequenzen eines Gehirns tun, d. h. je nach Biegsamkeit oder Faltbarkeit, die allen aktuellen Perzeptionen vorausgeht. Was ihn allerdings am meisten interessiert, ist die Monade als ein absolutes Innen, das seinem unsichtbaren, unerschöpflichen, dunklen oder virtuellen (Leibniz 2002: 19) Hintergrund ständig neue Perzeptionen entlockt. Jede Monade faltet in sich die ganze Vergangenheit und Zukunft der Welt an sich ein, aber konstituiert nur auf endliche Weise die phänomenale Welt für sich : Eine Seele allerdings kann in sich nur das lesen, was darin deutlich vorgestellt wird, und sie kann sich nicht auf einen Schlag ganz entfalten, weil das ins Unendliche geht. (Ebd.: 137) Folglich definiert Leibniz die Monaden oder Seelen auch als fensterlos , während sich ihre Perzeptionen nichtsdestoweniger in einer prästabilierten Harmonie befinden, d. i. diese Verbindung oder diese Anpassung aller geschaffenen Dinge untereinander und eines jeden mit allen anderen . (Ebd.: 133)
2005
Über viele Jahre hat David Humes (Hume 1777) Verständnis von Kausalität die Sicht der Psychologie dominiert. Hume hat angenommen, daß Kausalität aus früheren Erfahrungen mit ähnlichen Ereignissen herrührt. Im Gegensatz zu Hume hat der Psychologe Albert Michotte (1946) aus Leuven, in der Nachfolge von Kant (1781), mit zahlreichen Experimenten zu zeigen versucht, daß bestimmte Arten von Ereignissequenzen direkt und spontan als kausal verknüpft wahrgenommen werden.
Rechts-und Staatsphilosophie bei G. W. Leibniz, 2020
Der zeitgenössische Kosmopolitismus in Form von Theorien globaler Gerechtigkeit ist gegenwärtig die vorherrschende Form politischer Philosophie. Meistens dienen John Rawls und Immanuel Kant als Bezugspunkte, gelegentlich wird auch auf die Stoiker als Vorläufer verwiesen. Leibniz taucht in diesen Diskussionen nicht auf. Es gibt auch, anders als etwa bei Baruch Spinoza, praktisch keine pointierten Aktualisierungen von Leibniz in anderen Ausprägungen der politischen Philosophie und Theorie. 1 Daher mag sich die Frage, ob und inwiefern Leibniz als Vorläufer des zeitgenössischen Kosmopolitismus in Anspruch genommen werden kann, wie ein angestrengtes Haschen nach dem Zeitgeist anmuten, ein Versuch der Leibniz-so mag man vermuten-kaum gerecht werden kann. Meine Strategie ist jedoch eine andere. Ich möchte nicht zeigen, was Leibniz ‚uns' heute ‚noch' zu sagen hat, sondern einen Sinn dafür wecken, dass Leibniz womöglich noch vor uns liegt. Dazu werde ich zwei Thesen vertreten. II. Erste These: Wir 2 sind alle Leibnizianer Diese These scheint entweder trivial oder falsch zu sein. Wir können uns schnell darauf einigen, dass Leibniz der letzte Universalgelehrte war, mit der Erfindung der ersten Rechenmaschine oder der Infinitesimalrechnung Großes geleistet hat und zudem über beeindruckende Kenntnisse in vielen Wissenschaften verfügte. Dennoch ist heute jeder Taschenrechner der Leibniz'schen Maschine haushoch überlegen und seine umfangreichen naturwissenschaftlichen Schriften sind nur noch von historischem Interesse. Wir sind demnach offenbar Leibnizianer nur in dem Sinn, dass wir über ihn hinweggegangen sind. Ebenso scheint es in der 1 Zu Rezeption Spinzas aus marxistischer, feministischer und radikal-emanzipatorischer Richtung vgl. Saar 2013. 2 Mit ‚wir' meine ich nicht spezialisierte Leibniz-Forscher, auf die diese Charakterisierung oft trivialerweise zutrifft, sondern die Klasse der politischen Philosophen und Theoretiker zu Beginn des 21. Jahrhunderts insgesamt. Zum Selbstverständnis der politischen Philosophie siehe Rawls 2007, S. 1-13.
Annali di studi religiosi, 2007
Even though teleological thought is only a regulatory maxim of the reflecting judgment, Kant underlines the necessity of teleological judgment for understanding the organism. There are two strategies for justifying this necessity: the fist one in § 65 of the The critique of Judgment regards the internal structure of the organism that expresses a particular causality, and the second one in § 77 regards the particular nature of our intellect, which is discursive rather than intuitive. This essay attempts to demonstrate that Kant not only identifies an ambiguous point of the principle of causality but maybe also attributes a non-teleological and purely ontological characterization to the organism.
Forthcoming in: Gideon Stiening / Hans-Peter Nowitzki (Hrsg.): Johann Heinrich Lambert (1728 – 1777) und die Mathematisierung der Aufklärung, Berlin: De Gruyter 2019., 2019
Das Denken in Systemen wurde zwar nicht erst in der Neuzeit erfunden oder thematisiert, nimmt aber ab dem 17. Jahrhundert eine besonders prominente Stellung ein, da es sowohl im philosophischen als auch wissenschaftlichen Denken als Ausgangspunkt, Leitidee und Methode dient. Im Folgenden sollen die teleologischen Momente dieses von Lambert auf den Kosmos übertragenen Systemgedankens dargelegt und diskutiert werden. Da die theoriebildende Idee eines Systems hier eine funktionale Mereologie impliziert, in der die Teile ihrer Funktion entsprechend auf ein Ganzes ausgerichtet sind, gehen mit der Übertragung dieser Idee auf das Universum selbst einige wissenschaftsmethodische und ontologische Konsequenzen einher, die keinesfalls trivial sind. Kurz, jede Struktur und jede Art von Entität im Kosmos hat eine Funktion, die sich erst mit Blick auf das Ganze vollständig erschließen lässt. Lambert geht es um nichts weniger als um eine teleologische Rechtfertigung der Imperfektion des Kosmos, d. h. um die Frage nach den Gründen der scheinbar unnötigen Komplexität des Kosmos und seiner Gesetze; und damit auch um die Frage, warum die ideale Regelhaftigkeit, die wir kosmischen Ereignissen zuschreiben, mit den beobachteten Unregelmäßigkeiten konfligiert. Man kann seine Briefe deshalb durchaus als Kosmodizee bezeichnen, als Rechtfertigung der Imperfektion des Kosmos.
Transformationen des Zufalls, 2015
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