In den Jahren 1990/91 hatte ich Gelegenheit, als Gast bei verschiedenen Candomblé-Gemein-schaften in Brasilien an ihrem Leben und Ritualen teilnehmen zu dürfen. 1 Candomblé be-zeichnet eine afro-amerikanische Religionsform, abgeleitet vom afrikanischen Bantuwort candombe, der Name für die Perkussionsinstrumente des Kultes. Die Wurzeln des Candomblé liegen bei den Yoruba in Westafrika, den heutigen Ländern Nigeria, Benin und Togo. Ähnlich verhält es sich mit dem Kult der macumba, der auf eine angolanische Bantuwurzel zurückge-hend die halb-religiösen Tänze der cumbas, der Tänzer und zugleich Fetischpriester oder Me-dizinmänner der Bantu bezeichnet. Diese Tradition geht auf die Bantustämme von Kamerun, Gabun, Kongo, Botswana, Sambia, Angola und Mozambique zurück. Zu Beginn meiner Forschungen musste ich durch einen Initiationsritus in die Kultgemein-schaft aufgenommen werden, um dadurch meinem Forschungsobjekt, den Geistern und Göt-tern der Kultgemeinschaft, offiziell vorgestellt zu werden. Das Ritual bestand aus einem Spei-seopfer, dem sogenannten Ebó, portugiesisch " despacho " genannt, das wörtlich " Abfertigung, Versand " bedeutet. Meine Informantin und " Mãe de Santo " mit Namen Palmeirinda, eine Fetischpriesterin des Kultes, hatte vorweg meine für mich zuständigen Geister ausfindig ge-macht, die mich auf meiner Mission begleiten würden. Für mich als katholischen Priester waren Oxalá, der Geist des Himmels, sowie Xangô, der Blitz-und Donnergeist, zuständig. Das Opfer für Oxalá bestand aus gekochtem weißen Mais in einer weißen Porzellanschale, weil Oxalá nur " Weißes " akzeptiert, für Xangô aus einer Mischung von kleingehacktem und gekochtem Quiabo (Abelmoschus esculentus, Okraschoten), Zwiebeln, Knoblauch und Krab-ben, wobei 6 Schoten unzerkleinert und aufrecht stehend im Kreis am Tonschalenrand an-geordnet wurden. Laut Erklärung Palmeirindas muss Xangô ein irdenes Tongefäß erhalten, weil es in Afrika ursprünglich aus Holz war. Da aber ein Gefäß aus Holz für den Normalver-braucher in Brasilien unerschwinglich ist, muss mindestens die Farbe des Gefäßes dem Holz ähnlich sein. Die 6 unzerkleinerten Schoten stellen in reduzierter Weise symbolisch die 12 Apostel dar, wodurch man sich ihrer Macht versichern will. Das Speiseopfer wurde am Haus-altar Palmeirindas 3 Tage lang stehen gelassen und dann in den Busch gekippt. Während der Darbringung des Opfers wurde gebetet und jeder der Anwesenden konnte still einen Wunsch oder eine Bitte an die Geister formulieren. 2 1 Ich war in den Monaten Dezember1990 bis März 1991 in Salvador und Nova Iguaçu (Rio de Janeiro) bei ver-schiedenen Terreiros (Kultstätten und Kultgemeinden) zu Gast, die mich als katholischen Priester durchweg freundlich aufnahmen und mich an ihren Ritualen teilnehmen ließen. Historisch gesicherte, statistische Anga-ben über die Menge der von Afrika nach Brasilien verschleppten Menschen sind nicht mehr eruierbar. 1890 wurden alle diesbezüglichen Register auf Geheiß der neuen republikanischen Regierung vernichtet. Schätzun-gen nehmen an, dass zwischen 1 und 5 Millionen Afrikaner pro Jahrhundert (16.-19. Jh.) nach Brasilien ver-frachtet wurden, sodass man am Ende des 19. Jahrhunderts auf eine Gesamtzahl zwischen 4 und 15 Millionen kommt, wobei die wahrscheinliche Zahl in der Mitte liegen dürfte (vgl. Malheiro 1867: 6 und Ramos 1979: 178-183). Schätzungen des IBGE von 1987 nennen eine weitaus geringere Zahl von ca. 4 Millionen (Heringer 1989: 10). 2 Artur Ramos rechnet den Ebó zur Magie der Nachahmung und Sympathie (Ramos 1979: 193).