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EU-König und die wehrhaften Eidgenossen, SVP-Kostümfest vom Juni 2014 (Keystone) Die Uni Zürich streicht, nachdem bereits 2005 das Hauptfach liquidiert worden ist, jetzt auch noch das Nebenfach Schweizergeschichte -und dies ausgerechnet in einer Zeit, da das rechtsnationale Lager mit ihrem antiquierten Geschichtsbild weiter zu punkten versucht. Das war sogar ein Beitrag der TV-Nachrichten wert! Protestierende SVP-Politiker erblicken darin eine von linken Professoren betriebene »Liquidation der nationale Geschichte«. Zudem sehen sie darin die Folge davon, dass zu viele deutsche Professoren an Schweizer Universitäten berufen werden. Dass sich nur noch wenige Nachwuchseidgenossen für ein auf die Schweiz enggeführtes Geschichtsdiplom interessieren, bleibt dabei völlig unbeachtet. Von Vernachlässigung der Schweizer Geschichte an unseren Universitäten zu
Ich muss mit einer Vormerkung beginnen: Geschichte wird zum Teil wissenschaftlich erarbeitet und bearbeitet, sie hat aber auch eine hohe gesellschaftspolitische Funktion. Als professionell tätiger Historiker ist man primär Wissenschaftler, man ist aber auch gesellschaftspolitisch engagiert und nimmt in dieser Hinsicht und beim Thema »Wozu Schweizer Geschichte« nicht Objektivität für sich in Anspruch. Wozu Schweizer Geschichte? Das ist keine einfache Frage und erlaubt keine schnelle Antwort. Aber wir haben ja fast eine Stunde Zeit. Wir können die Frage nicht beantworten, ohne auf die allgemeinere Frage: Wozu überhaupt Geschichte einzugehen. Wenn wir dazu eine brauchbare Antwort haben, dann ist zu hoffen, dass diese zu einem grossen Teil auch für die Schweizer Geschichte zutrifft. 1 Die Frage nach dem »Wozu« zielt vor allem auf die Frage, wozu denn etwas gut sei. Man kann sich aber auch Fragen, wozu etwas gebraucht wird. Schauen wir uns im Schweizer Lande zunächst mit der Frage um, wann und wie Schweizer Geschichte verwendet wird, Geschichte nicht nur in den Schulen als Unterrichtstoff und nicht 1
dass Geschichte entweder in unseren Vorstellungen oder tatsächlich ein Endlager sein könnte, ist naheliegend. Endlager im Sinne eines sicheren Depots von Erlebtem und Erfahrenen, wie gelbe Fässer, wie Archivschachteln gut beschriftet in den Stollen der hinter uns liegenden Zeit. Tot, weil vorbei, und doch lebendig, strahlend in die Gegenwart. Der lebendige Anteil mit seiner Strahlung würde freilich voraussetzen, dass Geschichte eine eigene feste Grösse wäre, die sich selber meldet und Gegenwart beeinflusst. Die nicht unberechtigte Gegenmeinung dazu ist, dass Geschichte tot ist, gar nicht strahlen kann und ihr ganzes dennoch bestehendes Leben einzig von unserer gegenwärtigen Wahrnehmung und Bereitschaft zu Beachtung und Rezeption abhängt. Geschichte ist keine feste Grösse, weil sie -wie individuelle und kollektive Erinnerung -zeitlich und inhaltlich variiert. Wir können diese Frage am Beispiel von »Kaiseraugst« durchgehen, Kaiseraugst nicht mit einer Postleitzahl, sondern mit Anführungszeichen. Gewiss ein Ortsname, aber auch ein Name für einen Ort im Land der Geschichte, ein Ort, wo sich Widerstand gegen ein Kernkraftwerk mehr oder weniger erfolgreich manifestiert hat und vor allem für die damaligen Aktivisten ein Erinnerungsort ist, für heutige Wesen der Anti-AKW-Szene ebenfalls ein Vertrauen vermittelnder Bezugsort, für Historiker, Politologen und ein paar wenige Medienschaffende (die sich noch ein Gedächtnis leisten können) ein Ort, von dem man weiss, dass es ihn einmal gegeben hat, wie Fessenheim und Wyhl, das man vielleicht schon nicht mehr kennt. Und dann gibt es ganz viele Menschen, die von dem allem überhaupt nichts wissen und trotzdem Vor genau 35 Jahren: der berühmte Anti-AKW-Autor Robert Jungk, Verfasser des Buches »Heller als tausend Sonnen«, an einer Protestkundgebung in Gösgen (Basler Zeitung vom 12. November 2013).
dissonance Nr. 133 , 2016
Nach dem Mauerfall diagnostizierte der Politologe F. Fukuyama das ’Ende der Geschichte’: gemeint war der Sieg des liberalen, auf Demokratie basierenden Kapitalismus über konkurrierende Ideologien, namentlich dem Kommunismus. Frank bezeichnet die Zeit zwischen dem Mauerfall und 9/11 die ‚eutopische Phase’ – in diese Zeit fällt der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und die Ablösung der ‚kritischen Haltung’ (Foucault) durch eine konservative Geisteshaltung, die bis in die Schweizer Neue Musik Szene durchgedrungen ist. Sie zeigt sich durch Opportunismus, fehlende künstlerische Visionen, Gleichgültigkeit und die Absenz des kritischen Diskurses. Das aber führe zum Ende der Schweizer Neuen Musik als innovationsgetriebenes Experimentierfeld musikalischer Ausdrucksformen.
Vielleicht entspricht Heldenverehrung einem universalen Bedürfnis. 1 Heldenkulte könnten jedoch nationale Ausprägungen aufweisen. Dennoch meine ich, dass man einer deutschen Zuhörerschaft kaum grundsätzlich Neues vermittelt, wenn man über den schweizerischen Heldenkult berichtet, zumal, wie wir sehen werden, schweizerisches Heldentum immer wieder von Deutschen besungen worden ist. Eine aus deutscher Sicht häufig manifestierte Erwartung bestätigt sich jedoch nicht: In der angeblich zur Nüchternheit neigenden Schweiz wird man wegen ihres republikanischen Regimes keine grundsätzlich andere Heldenkultur vorfinden. Wie viele Helden hat die kleine Schweiz? Heldentum lebt z.T. von Singularität und mündet im Fall der Schweiz in die Tatsache, dass sie gewiss einen Haupthelden hat und dieser (wie im Untertitel in Erinnerung gerufen) Wilhelm Tell heisst. Das dürfte sich, dank Schiller, sogar in Lüneburg herumgesprochen haben. Hier das 1 Stark beachtet ist die inzwischen erschienene Publikation, die sich mit der politischen Bewirtschaftung der alteidgenössischen Mythen kritisch auseinandersetzt, aber nicht speziell mit der Heldenproblematik befasst: Thomas Maissen, Schweizer Heldengeschichte und was dahinter steckt. Baden 2015. -Zum neuzeitlichen Funktionswandel vgl. Michael Naumann, Strukturwandel des Heroismus. Vom sakralen zum revolutionären Heldentum. Königstein 1984. Die vom Helden Winkelried umarmten Spiesse des Feindes: in Marmor verewigter Märtyrertod im 1865 in Stans errichteten Denkmal von Ferdinand Schlöth.
2013
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Wir können die Schweizer Geschichte nach Episoden abklopfen, in denen bestimmte Teile der Gesellschaft zu Sündenbücken gemacht werden. Warum aber danach Ausschau halten? Dafür gibt es zwei gute Gründe: Einmal, um sich schlicht auch in dieser Variante bewusst zu werden, was es mit der Schaffung von Sündenböcken auf sich hat. Und zum anderen, um zu zeigen, dass es solche soziale Mechanismen auch und sogar in der Schweiz gibt. Auch und sogar -warum eigentlich nicht? Wenn wir feststellen, dass die Schweiz diesbezüglich keine Ausnahme bildet, dann dämpft dies ein wenig die problematische Vorstellung, dass die Schweiz ein perfektes Musterland sei. Die unzutreffende Idee eines derartigen Exzeptionalismus
Public History Weekly, 2013
Tablets und Apps bieten neue Möglichkeiten für die Vermittlung und Aneignung von Geschichte in Schule und Öffentlichkeit. Sie ermöglichen, dass die Rezeption von Vergangenheitsdeutungen und die Produktion von Erinnerungsalben zusammenrücken. An Vergangenheit Interessierte und Lernende im Unterricht werden zu „Produsern“ von Geschichte und Erinnerung.
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Jakob Tanner im Gespräch mit Franz Kasperski: Eine Flüchtlingsgeschichte der Schweiz, SRF, 5. Juli 2017, 2017
RosaRot, Nr. 59, Frühling, 2019
Traverse Zeitschrift für Geschichte, 2019
"Chalet Suisse". "Delightful Horror": Die Erhabenheit der Alpen und der frühe Fremdenverkehr. , 2016
SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FÜR GESCHICHTE REVUE SUISSE D'HISTOIRE RIVISTA STORICA SVIZZERA, 2019
Jahrbuch für Europäische Geschichte, 2006
REVUE SUISSE D HISTOIRE, 1997
Phase 2. Zeitschrift gegen die Realität, 2012
Georg Kohler, Felix Ghezzi (Hg.), „Die Schweizermacher“ und was die Schweiz ausmacht, 2016
H-Soz-Kult, Website, 2019
Jovita dos Santos Pinto, Pamele Ohene-Nyako, Damir Skenderovic, Anne Lavanchy, Mélanie Evely Pétremont, Barbara Lüthi, Patricia Purtschert (Hg.): Un/Doing Race: Rassifizierung in der Schweiz, Zürich: Seismo 2022, 225–248.
Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 2019