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Die Bibel als Welt erzeugende Erzählung

Perspektiven transdisziplinärer Erzählforschung für die Kulturwissenschaften

Abstract

Die großen Erzählungen der Weltgeschichte sind weder ausschließlich zum Kunstgenuss noch zur Unterhaltung geschrieben, sondern stellen eine kulturelle Weise der Welterzeugung 1 dar. Sie stellen zudem ein Stück Weltdeutung jener Zeit dar, in der sie entstehen, aber auch jener Menschen, die sie verfassen. Dies gilt umso mehr für alte Kulturen, in denen ein Großteil der Menschen des Lesens und Schreibens unkundig war und in denen Geschichten, die die Welt und wie man in ihr zu leben habe, zu ergründen versuchen, mündlich weitergegeben wurden. 2 Eine dieser großen Erzählungen der Weltgeschichte ist die Bibel. In ihrem Entstehungskontext des Alten Orients war sie eine Erzählung unter vielen, wobei so manche von ihnen in ihrer Zeit wohl wesentlich bedeutsamer war und große Kulturbereiche durch Jahrtausende prägte. Man denke hier nur an das Gilgamesch-Epos, dessen Rezeptionsspuren sich durch zwei Jahrtausende im Vorderen Orient nachweisen lassen und das auch in der Fluterzählung der Bibel seinen Niederschlag fand. 3 Die großen mythischen Erzählungen des Alten Orients sind heute freilich nur mehr literarisch von Belang, da sie heutzutage von keiner Gruppe mehr zur Welterklärung und -erzeugung herangezogen werden. Anders ist dies bei der Bibel. Da sie als kanonischer Text mehrerer Religionen, die seit der Antike durchgehend Bestand