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Fremdenfreidliche Gewalt, Polizei und Strafjustiz

1994, Kritische Justiz

Zwischen 1991-1994 waren ni cht nur die Reaktionen der Polizei, sondern auch die der Straf justiz gegenüber fremdenfcindlicher Gewa lt höchst unterschiedlich und bisweilen fragwürdig . Keinesfalls kann man generell von einer konsequenten Nutzung des geltendl'n Rechts sprechen. Im Gegenteil : noch immer gibt es offene und latente Formen von Fremdenfeindlichkeit in Begründungen und Strategien der Straf justiz. Es zeichnen sich aber Lernprozesse ab. Wurden in der ersten Phase die in den Augen der Öffentlichkeit unverständlichen Reaktionen noch als unvermeidliche Folge unzureichender Gesetze erklärt, hat sich mittlerweile die Legende des angeblich zu lückenhaften und "zu milden « Strafrechts selbst ad absurdum geführt. Seit kurzem korrigiert die höchstrichterliche Rechtsprechung punktuell Fehlentwicklungen der Instanzgerichte. So hat etwa der 4. Strafsenat des BGH im März 1993 die strafschärfende Verwertung der Ausländereigenschaften bei der Strafzumessung als rechtsfchlerhaft aufgehoben' und auf diese Weise deutlich gemacht, daß sich eine Straf justiz delegitimiert, die selbst offen fremdenfeindliche Begründungen verwendet. Derselbe Senat hat am 7.Juni 1994 (AZ: BGH 4 StR 105/94) ein Urteil aufgehoben, das der bislang herrschenden Rechtsprechung gefolgt war, wonach Brandanschläge auf Asylbewerberheime durch Jugendliche in der Regel nicht als versuchte Tötungshandlungen zu werten seien. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Signal von anderen Instanzgerichten verstanden und auch von den übrigen Strafsenaten des BGH auf~ genommen und bekräftigt wird. Nach wie vor ungeklärt si nd die Maßstäbe bei der Interpretation dessen, was als» Volksverhetzung« z u bestrafen ist. Kritik erntete die Aufhebung einer Verurteilung des NPD-Bundesvorsitzenclcn Decken wegen einer sog. Auschwitz-Lügc (Landgericht M.mnheim) durch den I. Strafsenat des BGH im März 1994 . Der Senat hielt an der seit den 1980er Jahren üblichen, aber in der Öffentlichkeit kritisierten lind dogmatisc h nicht nachvollziehbaren Differenzierung zwischen einer »e infachen« und einer »qualifizierten« Auschwitzlüge fest (so die ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH-Urteil vom 15• 3• [994 -I StR 179/ 93 -LG Mannheim' ). Bereits vor der skandalösen Urteilsbegründung der 6. Strafkammer des I StrJf"encidlgei• 7/ 199.1 . S. 3S8. Es fmden sich aber n,ch wie vo r der.ruli< S,mfzumess llngse rw; gungcn. Auch bei der U-Haf, Wird h.ufig die Ausbndorei gcnsehah negJliv verwende, (Slichwo rl: apokryphe Haftgrunde). 1 Dcr I . Straf:.;;cn;'l[ des BGH harte dH~ Vcruncilung Deckerts wegen Volks'Ve rhct'l. un~ 1.U einem Jahr l ' l'l~i hcilSslr.Je <ur BewJhrung (13. ' 1. 1991)durch das LG Mann lwim aufgehob rn. In cine r ~we:"• 11 Verhandlung vor d(~r 6. $t r:lfkammcr desselbe n LG wa r D ecken:lm 22. . Juni 1994 \vegen Volksvahel:t.Ulli; zu einern Jahr H aft mit Bcwahrlln~ verurteilt worden . Im Ergt:bllls stdltt.: die 6. Str3fkJmmcr (Vnrsitzcnda Richter Wolfgang Muller, Bcneh,crslatler Rain« Orl el) daher den Im~runglichell SlraLJusspruch WIeder her. Nit.'m30d hätte aba damit ge rechnet, cl :.l} dir Bcsrundung fü r die StrafJII ...... ctzung dcr~lrlig knapp an eint: Volksvcrhe,zung durch die drei R,eh,cr sdbS! rci <hen wurde. So lindel Sich ClW. die grob falsche B,•h.uptu ng In der Uncilsbcgrundun g: 'flo, •• Da.ß Sich der Angeklagte lU<::t weite rhin zum Revislonismus bt."kc.:nnt und die. aller Vorau,ssich[ nach in Zukunft weiter wn wird, verm:l~ ebenLdh keine andere ß('uncilung zu rechrfenigcn. denn diese Denkmethode beinh;1ltet nichts StrJfbarcs ... (z, il. ;llIS FR vom 1 l. ~. 19941 l)l.l-