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Nunespereira Goa

2003, DIE KIRCHENBAUTEN IN ALT-GOA IN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 16. UND IN DEN ERSTEN JAHRZEHNTEN DES 17. JAHRHUNDERTS Zur Entstehung eines Sakralbautypus

Abstract

Die Kirchenbauten in Alt-Goa in der zweiten Hälfte des 16. und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts. Zur Entstehung eines Sakralbautypus Von António Manuel Nunes Pereira, "Licenciado em Arquitectura" Die zahlreichen Kirchenbauten in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa sind als Zeugnis einer ca. 450 Jahre andauernden Christianisierung und des christlichen Lebens in Indien weder aus dem Stadtbild noch aus der Landschaft wegzudenken. Die Fassaden- und Innenraummerkmale dieser Bauten sind eine Konstante in der Sakralarchitektur Goas. Das Vorhandensein dieser augenfälligen Homogenität führt zur Vermutung daß ein Urtypus vorhanden sein muß, auf den sie zurückgehen. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, die Existenz dieses Urtypus zu ermitteln, zu definieren und schließlich seine Herkunft zu erläutern. Ein Vergleich mit der europäischen Baukunst des 16. Jahrhunderts ergibt, daß die einzelnen Merkmale der goanischen Kirchen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert in dieser konkreten Form und Zusammensetzung weder in Portugal noch in anderen europäischen Ländern vorkommen. Dies bedeutet, daß der vermutliche Urtypus der sehr homogenen Sakralbaukunst Goas am Ort entstanden sein muß und dementsprechend dort zu suchen ist. Die Untersuchung der fünf Studienobjekte wird in der vorliegenden Arbeit in einzelnen Kapiteln (3., 4., 5., 7., und 8.) vorgenommen. Diese fünf Kapitel werden inhaltlich von drei weiteren gerahmt (2., 6. und 9.). Hier wird die in drei Entwicklungsphasen unterteilte Sakralbaukunst Goas des 16. Jahrhunderts mit der europäischen, überwiegend mit der portugiesischen Architektur und einigen der wichtigsten Architekturtraktate dieser Zeit verglichen. Dem Kapitel über den goanischen Kirchenbautypus (10.), in welchem die Essenz der goanischen Kirchen aus der manieristischen Tradition des 16. Jahrhunderts beschrieben wird, folgt ein kurzer Abriß über die weitere Entwicklung der kirchlichen Architektur Goas im 17. und im 18. Jahrhundert (11.). Weitere Punkte über die historischen Quellen (1.3.), den geschichtlichen Hintergrund (1.5.), die aus dieser Zeit bekannten, in Goa tätigen Baumeister (12.1.) und eine Zusammenstellung aller bekannten und relevanten historischen Beschreibungen der zerstörten oder teilzerstörten Untersuchungsobjekte (12.4.) sowie die verschiedenen Verzeichnisse ergänzen den Kern dieser Arbeit. Die typische goanische Kirche ist ein einschiffiger Sakralbau mit getrenntem Altarraum, teils mit einem Pseudoquerhaus und Seitenkapellen oder Seitenaltarnischen. Den Hauptkirchenraum bildet das im Grundriß rechteckige Schiff, das zugleich der größte Kirchenraum ist. An dieses schließen sich alle übrigen Kirchenräume an. Die Fassade besteht aus einer Giebelwand, die das Schiff an der Kirchenfront abschließt, und aus den zwei flankierenden Glockentürmen, die in der Regel leicht hinter der Giebelwand des Schiffs zurückversetzt sind. Die Besonderheit der goanischen Sakralarchitektur liegt allerdings nicht nur im erwähnten Bautypus, sondern auch in den baumorphologischen Eigenschaften, die in dieser Form und im Zusammenhang mit diesem Bautypus so gut wie ausschließlich in Goa vorkommen. Sie werden im Kapitel 10. beschrieben. Die große Homogenität der Sakralarchitektur in Goa ab dem Ende des 16. Jahrhunderts steht im Kontrast zu den relativ geringen Ähnlichkeiten mit der kirchlichen Baukunst außerhalb des kleinen Territoriums. Die goanischen Kirchen übten offenbar wenig Einfluß in anderen von den Portugiesen beherrschten Gebieten aus. Goa war zwar das Verwaltungszentrum des "Estado da Índia", in vielen Aspekten jedoch nahm es eine isolierte Stellung ein, insbesondere auf kulturell-künstlerischem Gebiet. Kriege und Belagerungen, aber auch die Handelskonkurrenz anderer europäischer Nationen trugen dazu bei, daß Goa im Laufe der Zeit mehr und mehr sich selbst überlassen war. Die Sakralarchitektur dieses Territoriums wurde daher entscheidend sowohl durch seine Selbstständigkeit als auch durch seine Isolation geprägt.