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Höllen-Inszenierung „Wrestling“

1996, VS Verlag für Sozialwissenschaften eBooks

Höllen-Inszenierung in einer Massenkornmunikation der Alltagsästhetik und Szenen Wrestling ist eine Art Catchen und ein Show-Kampf, bei dem grotesk kostümierte Männer, gelegentlich auch Frauen, gegeneinander antreten, sich wüst beschimpfen, brutal angreifen und so unfair zuschlagen oder zutreten, daß es eigentlich zu schlimmen, ja sogar zu tödlichen Verletzungen kommen müßte. Tausende von begeisterten Zuschauern verfolgen diese Art von Show-Kämpfen mit großer Anteilnahme und wildem Geschrei. Die Live-Veranstaltungen finden als Tourneen'in Großstädten statt und sind in der Regel ausverkauft. Das Publikum kommt vorwiegend in Gruppen; auch Kinder im Grundschulalter sind dabei. Ausschnitte dieser Show-Kämpfe wurden oder werden von DSF, RTL2 und Eurosport als wöchentliche Sendungen im Fernsehen gezeigt. Die Präsentation unterscheidet sich je nach Sender, 2.B. in der Intensität der Gewaltdarstellungen. Wrestling-Sendungen beinhalten neben den Karnpfszenen kurze Geschichten, die zumeist den Charakter von Hintergrundinformationen haben. Selbstverständlich gibt es eine Fülle von Merchandising-Produkten, vom T-Shirt bis hin zu Brillen, Fan-Magazinen, Postern und Videos. Als Wrestling zu einer für Kinder gut erreichbaren Zeit auf dem Bildschirm erschien, führte das zum einhelligen öffentlichen Protest. Dabei war der Bewertungsrahmen klar: verrohende und Kinder überfordernde Gewaltdarstellungen übelster Art! Aus der Distanz betrachtet, zeigen sich jedoch vorrangig andere Problempunkte. So ist der Kontext der Gewaltdarstellungen sowohl innerhalb des Genres als auch für die Rezipienten unklar. So ist die Beziehung zwischen Wrestling als Live-und als Bildschirm-Ereignis bei genauem Hinsehen nicht die von der Sportberichterstattung bekannte Repräsentation. Beim Wrestling bildet Fernsehen nicht einfach nur ab, Live-und Fernsehereignis mischen sich vielmehr. Wrestling auf dem Bildschirm ist ein relativ neuer Typ von Fernsehserie, die aus einem Gemisch von Vereinsnachrichten und Familienstories, Kampfberichterstattung, Körperinszenierung sowie einem Tableau von Monstern, Helden und menschlichen Zerrbildern besteht. Dieses Tableau ist kaum anders als das des ,,A-Teams" mit seinen ähnlich unmotiviert irren Figuren, die jedoch im Fall des ,,A-Teams'' eindeutig fiktional sind. Im Gegensatz zum Wrestling gibt das ,,A-Team" nicht vor, eine wahre Geschichte zu sein. Die Fiktionalität von Wrestling bleibt dagegen prinzipiell unklar, gibt es doch vor, wirklicher Kampfsport zu sein. Dazu paßt auch, daß es Wrestling in der Fernseh-und in der Sporthallen-Version gibt. Das Fernsehen bringt jedoch keine Berichterstattung zu den Live-Ereignissen; ob live, im Fernsehen oder im Magazin, es handelt sich jeweils um Elemente eines Medien-Arrangements, bei dem nicht mehr zwischen Primär-und Sekundärmedium zu unterscheiden ist. Wrestling paßt zudem in eine wichtige Umwälzung beim Fernsehpublikum, das sich zunehmend mehr nach Stilen und Szenenzugehörigkeit strukturiert.' Deshalb verwundert auch nicht, daß Wrestling ein Fan-Publikum hat, das es als Kampf und gleichzeitig auch als Show definiert. Eltern macht diese Ambivalenz jedenfalls die Aufgabe nicht leichter, sich mit ihren Kindern über Wrestling auseinanderzusetzen. Kindern wiederum nützt ihre Seherfahrung mit anderen Genres nur wenig, um die Kampfdarstellungen von Wrestling in einen Bedeutungskontext einzuordnen. Weiterhin erschwert die neue soziale Differenzierung des Fernsehpublikums durch alltagsästhetische Stile und Fan-Gruppen eine Bewertung von Wrestling, insbesondere deshalb, weil Eltern, Pädagogen und Journalisten wenig oder keine Erfahrung mit dieser Art von sozialem Bezugsrahmen für die Rezeption haben. 1. Ein Genre ohne individuelle oder kulturelle Erfahrungen Kinder kennen Wrestling üblicherweise vom Fernsehen, so auch Peter (12 Jahre), Franz und Albert (beide 10 Jahre), die mit Details von Wrestling recht vertraut sind. Sie sehen es bei DSF und RTL2 und kennen die Unterschiede (,,Aber DSF ist nicht so toll"), beherrschen auch die Terminologie, 2.B. was ein ,,finish and move" ist. (,,Das ist einen Kampf beenden wollen. Mit ihrem Spezialgriff oder Sprung.") Sie haben ihre Favoriten, z.B. Peter und Albert den Razor Ramon: ,Der hat halt immer 'nen Zahnstocher so zwischen den Zahn geklemmt, so an der Seite, und den spuckt er dann entweder aufn Gegner am Anfang oder in die Kamera. Und dann kommt der halt immer mit 'ner Weste rein. Entweder rot, gelb oder hellblau und so."