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Die Frau als locus theologicus

2002, Journal of the European Society of Women in Theological Research

Abstract

Der folgende Beitrag ist die Erweiterung eines Kurzvortrags, den ich bei der ESWTR-Konferenz in Salzburg nach den Vorträgen von Lucy Tatman, " Western European-American Feminist Christian Theologians: What Might It Mean to Take Ourselves Seriously?", und von Marcella Althaus Reid, "Queer I stand" gehalten habe. Monika Walus Die Frau als locus theologicus? Für Narcyza und viele andere Ich möchte gerne die mitteleuropäische ESWTR-Konferenz, die im Jahr 2000 Jahr in Polen stattfand, zum Anlass nehmen, meine Erfahrungen nun bei der internationalen Konferenz in Salzburg darzustellen. Wir haben heute 1 die energischen Bekenntnisse der amerikanischen Quäkerin Lucy Tatman und der argentinischen ehemaligen 'queer'-Theologin Marcella Althaus-Reid gehört. Sie waren voller Kraft und Gefühl. Ich zweifle nicht daran, dass sie wirklich dem entspricht, was sie in ihrem Alltag erfahren. Hier aber, bei dieser Konferenz wie auch in meinem eigenen feministischen Milieu in Polen, herrscht eine andere Situation. Deshalb möchte auch ich ein Coming Out wagen und mein Bekenntnis ablegen: Ich bin Mitteleuropäerin, genauer gesagt, Polin, verheiratet und deshalb bin ich 'queer'. Diskussionsthemen der Konferenz in Lublin Vom 13.-16. August 2000 fand an der Katholischen Universität Lublin eine regionale mittel-und osteuropäische Konferenz der ESWTR (die erste in Polen) statt. Das Thema lautete: "Mutterschaft als locus theologicus". Es war ein einmaliges feministisches Ereignis in Polen, da es die erste Begegnung dieser Art war. Über 60 Frauen aus 14 Ländern waren zu dieser Konferenz von Frauen für Frauen gekommen. Die anwesenden Frauen repräsentierten verschiedene Religionen, Konfessionen und Traditionen. Wir haben vor allem unsere Verschiedenheit, aber auch unsere Gemeinsamkeiten entdeckt. Obwohl dank des Buches von Elzbieta Adamiak, "Die schweigende Anwesenheit", in Polen feministische Themen öffentlich diskutiert werden, war diese Konferenz das erste öffentliche Treffen von Frauen, die an feministischer Theologie Forum 132 2 Bilder und Texte der Konferenz in Polen waren im Konferenzsaal ausgestellt. interessiert sind. Wir haben bei der Konferenz mehr Themen 'eröffnet' als 'abgeschlossen' und mehr Fragen gestellt als beantwortet. Im folgenden will ich auf ein paar davon näher eingehen. Sie gehen weit über den Rahmen der dortigen Diskussion hinaus und erweisen sich im Kontext der Salzburger Konferenz als hochaktuell. 2 Es ist üblich, von Früchten einer Konferenz zu reden. Ich möchte eher von entdeckten Mängeln und Bedürfnissen sprechen. Eines der heißesten Diskussionsthemen in Lublin war die Frage nach der Erfahrung der Mutterschaft, besonders im religiösen und theologischen Kontext. Nicht nur in der römisch-katholischen Kirche in Polen, der ich angehöre, hören wir oft, Mutterschaft sei eine typisch weibliche Erfahrung. Als sichersten Weg zu Gott, der den Vorzug verdient, stellt man jedoch vor allem das Priesteramt und das Ordensleben in den Vordergrund. Beide werden als besondere Berufung verstanden. Eine Mutter zu sein, ist hingegen etwas Normales und Natürliches, das ganz einfach die Mehrheit der Frauen betrifft. Für die Berufung zur Nonne wird ein spezielles Charisma, eine besondere Gnadengabe vorausgesetzt. Um Mutter zu sein, genügt es einfach, Frau zu sein. Oft wird gesagt, eine Nonne verzichte auf ihre natürliche Neigung zur (biologischen) Mutterschaft und werde statt dessen zur geistigen Mutter. Man geht folglich davon aus, dass eine Mutter einfach ihren natürlichen Instinkten, ihrer Natur als Frau folge. Was die Berufung einer Frau zur Nonne angeht, so werden hier oft Ausdrücke verwendet wie: 'sich Gott ganz opfern', 'sich vollkommener Gott hingeben', 'näher bei Gott stehen', 'ein Leben der Vollkommenheit führen'. In offiziellen Dokumenten habe ich noch nie die Aussage gefunden, dass sich eine Frau als Mutter oder als Ehefrau ganz Gott hingeben könne, oder dass Ehe oder Mutterschaft besondere, gnadenvolle Wege zu Gott seien. Natürlich ist es die Berufung der Frau. Ist es dies aber, um näher bei Gott zu stehen oder nur deshalb, um Kinder zu gebären und zu erziehen? Mutter zu sein ist natürlich, Ordensfrau-geweihte Jungfrau-zu sein hingegen übernatürlich. Dazu habe ich ein paar Fragen. Ist die Mutterschaft (k)eine Berufung? Gibt es für Frauen nur eine einzige Berufung, nämlich die zur Nonne? Wenn dies der Fall ist, weshalb wird Mutterschaft dann derart gepriesen? Diese Frage darf nicht einfach abgewunken werden. Denn: Wozu sollen Frauen Mutter werden, wenn das Ordensleben quasi ex opere operato doch höher steht und näher zu Gott bringt? Wir wissen alle, dass Mutterschaft allzu leicht zu anderen Zwecken missbraucht werden kann-ich möchte nur an das Lob der Mutterschaft in Kriegszeiten erinnern, wenn Vater Staat gerade viele Söhne braucht.