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Auf der Suche nach Sprache

2015

Abstract

im Dialog zu »Mitgift« und »Vorliebe« Heydenreich: Im Zuge unserer interdisziplinären Arbeit haben wir eine Asymmetrie festgestellt zwischen dem Interesse der Autorinnen und Autoren an physikalischen Theorien und dem etwas geringeren Interesse der Literaturwissenschaftler, sich mit diesem Thema im Dialog mit den Physikern auseinanderzusetzen und es zu untersuchen. Dabei scheint das Thema ja seit mehreren Jahren virulent zu sein. Deshalb dachten wir, es sei an der Zeit, diesen Dialog zwischen Physikern, Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern zu beginnen. Sie sind beides, Literaturwissenschaftlerin und Autorin. Wie reagierten das breite Publikum und die jeweilige Expertenkultur auf die Thematisierung des physikalischen Wissens in Ihren literarischen Texten? Wurden Sie überhaupt schon einmal dazu genauer befragt? Draesner: Nein, eigentlich nicht. Und Reaktionen gab es auch nur wenige. Wenn ich mit Physikern spreche, brauche ich sie meistens als Quellen für meine Interessen und sie kommen gar nicht darauf, mir Fragen zu stellen. Mit anderen Literaturwissenschaftlern habe ich auch noch nie darüber gesprochen. Die Asymmetrie, die Sie eben erwähnten, fällt mir auch aus anderer Perspektive auf. Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler bespielen getrennte Felder nach jeweils eigenen Regeln, und wenn man nicht wirklich eine bewusste Anstrengung unternimmt, trifft man sich nicht und tauscht sich auch nicht aus. Kein Wunder, die Sprachen sind nicht unbedingt kompatibel. Konkret: In dem Augenblick, in dem ich das Reich mathematischer oder physikalischer Formeln betrete, brauche ich jemanden, der mir seine Regeln und Zeichen erklärt bzw. mir das Ganze in Sprache übersetzt-es darf ruhig auch die Fachbegrifflichkeit sein-, mich an die Hand nimmt und herumführt. Ich wiederum kann dann fragen und nachbohren. So sieht der Austausch im Endeffekt aus. Es gibt einen Physiker, der mir bei dem Roman »Vorliebe« sehr geholfen hat, Dr. Herbert Scheingraber, er forscht am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching bei München. In diesem Fall kam es zu einem wirklichen Austausch, denn Herbert Scheingraber hat sich seinerseits für Literatur und meine Arbeit interessiert.