Book Reviews by Flora Petrik
British Journal of Educational Studies, 2024
That schools are not merely passive actors in the perpetuation of social inequality, but play a s... more That schools are not merely passive actors in the perpetuation of social inequality, but play a substantial role, has rarely been disputed since the studies by Bourdieu and Passeron (1977/1990). How educational institutions reproduce unequal relations, however, must be continually re-examined, locally contextualised and empirically explored. In her comprehensive study: Schooling Inequality: Aspirations, Opportunities and the Reproduction of Social Class, Jessica Abrahams takes on this endeavour.

Soziologie Blog, 2020
„Naja, ich mein, so viel können wir ja auch nicht falsch machen.“
(Alina Brehm, Reflexivität und ... more „Naja, ich mein, so viel können wir ja auch nicht falsch machen.“
(Alina Brehm, Reflexivität und Erkenntnis
Das Zitat Brehms, das den Leser*innen in Form eines Interviewausschnitts am Ende des Sammelbands begegnet, könnte genauso gut am Anfang stehen. Denn es fasst treffend die Haltung der jungen Herausgeber*innen und die Stimmung, die das Werk „Reflexivität und Erkenntnis“ durchzieht, zusammen. Alina Brehm und Jakob Kuhlmann sind noch mitten in ihrem Soziologie-Studium, als sie beschließen, Subjektivität im Forschungsprozess aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und kritisch zu diskutieren. Am Anfang steht dabei das eigene Unbehagen: Warum gibt es innerhalb der qualitativen Sozialforschung so viel Ablehnung gegenüber der Idee, die Gefühle und das dynamische Innenleben der Forscher*innen könnten zu Erkenntnissen über den beforschten Gegenstand beitragen? Diese Frage nach der Positionierung „introspektiv-selbstreflexiven Vorgehens“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 10) im wissenschaftlichen Feld war leitend für eine interdisziplinär angelegte Vortragsreihe, die das Verhältnis der Subjektivität der Forschenden zur Erkenntnisproduktion in den Blick nahm, und schließlich in dem hier diskutierten Sammelband mündete. Die eigene affektive Verwicklung der Herausgeber*innen und Mitwirkenden in die Debatte über den Umgang mit Subjektivität in der Wissenschaft durchzieht das Buch wie ein roter Faden und lässt den Anspruch einer „strong reflexivity“ (Kühner et al. 2016), wonach die Subjektivität der Forscher*innen als zentral zu setzen ist, als gelebte wissenschaftliche Praxis erscheinen. In Anschluss an Georges Devereux, der seine sozialwissenschaftlichen Kolleg*innen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür kritisierte, in ihrem methodischen Vorgehen das eigene Handeln und Empfinden auszublenden, soll „[d]urch systematische Reflexion der Erfahrung der Forschenden […] ihre Subjektivität zu einem sozialwissenschaftlich produktiven Erkenntniswerkzeug werden“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 16), anstatt sie als störende Einflussfaktoren in Bezug auf vermeintlich objektive Erkenntnisse abzutun. Die Herausgeber*innen führen differenziert in ihr Forschungsprogramm ein und beleuchten dabei auch das Missverständnis von starker Reflexivität als uneingeschränkter Einfühlung und Identifikation. Gesellschaftliche Entwicklungen gelten als Folie für zahlreiche Ausführungen, so wird auch selbstkritisch nach der Verstrickung von dem Fokus auf Subjekte mit aktuellen neoliberalen Tendenzen gefragt.
talks, workshops, conference presentations by Flora Petrik

Aus biographietheoretischer Perspektive lässt sich das Studium als eine für die Identitätsbildung... more Aus biographietheoretischer Perspektive lässt sich das Studium als eine für die Identitätsbildung relevante Phase erfassen, in der zudem zentrale Weichen für die spätere gesellschaftliche Teilhabe gestellt werden. Studierende eignen sich das Studium auf eine spezifische, fachkulturell variierende Weise an (vgl. Engler, Friebertshäuser) und unterliegen dabei dem institutionell erzeugten Zwang, eine Passung zwischen sich und der Universität herzustellen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit solchen Aneignungsstrategien war bisher stark von der Rekonstruktion von Habitusfigurationen geprägt, in Form einer Gegenüberstellung von Herkunftshabitus und dem Habitus der Universität oder der Fachkultur (vgl. Bremer, Lange-Vester, Teiwes-Kügler). Diese Herangehensweise ermöglicht es, unterschiedliche Studierendenmilieus und auch Mobilitätsbewegungen zwischen diesen nachzuzeichnen. Während dieser Blick auf milieuspezifische Passungen das heterogene Spektrum der Studierenden und die Ergebnisse ihrer Anpassungsleistung aufzeigt, ist der widersprüchliche Aneignungsprozess bestimmter (fachlicher) Identitäten selbst weniger Gegenstand der Analyse. Diese dynamischen Prozesse, in welchem marginalisierte Subjekte, wie z.B. „Bildungsaufsteiger*innen“, mit begrenzenden und ermöglichenden Adressierungen, Zugehörigkeits- und Fremdheitserfahrungen sowie verschiedenen Zuschreibungen konfrontiert sind, genauer zu untersuchen, öffnet die Perspektive für Widersprüche, Umwege, unterschwellig Weiterwirkendes und Nichtabgeschlossensein der Aneignung. Um die Habitusanalyse um die Frage nach dem widersprüchlichen Wechselspiel von Aneignungs- und Adressierungspraktiken in der Hochschule zu ergänzen, wollen wir eine adressierungsanalytisch (vgl. Kleiner, Rose) und biographietheoretisch (vgl. Dausien) inspirierte Perspektive, die insbesondere auch die Bildung (sinnlich-symbolischer) Interaktionsformen (vgl. Lorenzer) in den Blick nimmt, zur Diskussion stellen. Dazu wollen wir unterschiedliche methodische Zugänge (narrative Interviews, (Auto)-Ethnographie, Gruppendiskussionen, Diskursanalyse relevanter Dokumente wie z.B. Broschüren, Vorlesungsverzeichnisse etc.) verknüpfen und zur Debatte stellen. Das Spannungsfeld Aneignung – Adressierung birgt die Möglichkeit, einen erweiterten theoretischen Blick auf Studierendenerfahrungen, Identitätsbildung im Studium und letztendlich die Herausbildung von fachlicher Identität zu richten. Aneignung bedeutet immer auch widersprüchliche und scheiternde Identitätsarbeit, mittels derer Erfahrungen zu einem Bestandteil des eigenen Selbstbildes werden. Identitätsbildungsprozesse eröffnen und verschließen, gelingen und scheitern. Dabei werden die Fragen relevant: Welchen Anrufungen begegnen Studierende durch unterschiedliche Akteur*innen und Institutionen (Dozent*innen, Kommiliton*innen, Einführungswoche, Info-Broschüren, Architektur etc.) im Kontext ihres Studiums? Wie kommt es dabei zur Herausbildung fachlicher Identitäten? Lassen sich bestimmte Möglichkeitsräume in der Sphäre der Hochschule identifizieren, die Bildungsaufsteiger*innen (fachliche) Identifikationsprozesse ermöglichen, die im Universitätsalltag aufgrund von Passungsproblemen scheitern? Lassen sich daraus emanzipatorische Interventionsstrategien ableiten? In unserem Beitrag möchten wir einige Überlegungen zu einem Forschungsprojekt aus unserem Arbeitsbereich „Bildung und Beratung im Lebenslauf“ unter der Leitung von Prof. Dr. Bettina Dausien präsentieren. Das Projekt knüpft an einen Materialbestand zu biographischen Erfahrungen Studierender im Kontext ihres Studiums der Bildungswissenschaft in Wien an. Im weiteren Forschungsverlauf wird das bestehende Material unter Berücksichtigung des sich stetig weiterentwickelnden und zu präzisierenden methodisch-theoretischen Fokus erweitert. Gemeinsam mit den Teilnehmenden der Tagung möchten wir diese Überlegungen – an sich anbietenden Stellen unter Rückgriff auf illustrierendes Forschungsmaterial – in Hinblick auf ihre bisherigen Erfahrungen und Forschungsergebnisse diskutieren. Es soll erprobt werden, welche Denkräume ein adressierungs¬analytischer Blick hinsichtlich einer kritischen Hochschulforschung eröffnen könnte.
Papers by Flora Petrik

Sozialer Aufstieg durch Bildung? Theoretische Zugänge, empirische Einsichten, 2024
Nicht nur in diesem Band, sondern auch in den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien vorgel... more Nicht nur in diesem Band, sondern auch in den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien vorgelegt, die sich den Herausforderungen von Bildungsaufsteiger*innen an der Universität zuwenden. Deutlich wird in all jenen Untersuchungen die Rolle von Mentor*innen, welche sich mit Rückgriff auf Bourdieu ausbuchstabieren lässt: Fehlen ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital, das die Universität voraussetzt, muss dieses durch Förderung kompensiert werden; an die Stelle von Eltern, Geschwistern und Verwandten treten dann unterstützende und beratende Lehrer*innen, Dozent*innen oder Professor*innen, welche vielfach zum Verbleib im Bildungssystem und der Wissenschaft ermutigen. Mit Blick auf den Forschungsstand bleibt offen, wie Förderverhältnisse zustande kommen, wie sie affektiv besetzt sind und inwiefern sie, unter der Berücksichtigung sozialer Selektivität, an einem Verbleib in der Wissenschaft beteiligt sind. Es lässt sich annehmen, dass gerade in weniger formalisierten, intransparenteren, vermeintlich ‚zufälligen‘ (Auswahl‑)Prozessen Spielräume für die Reproduktion sozialer Ungleichheit entstehen. Diese Räume auszuleuchten ist das Anliegen unseres Beitrags. Wie entstehen Förderverhältnisse am Übergang in die Wissenschaft? Wie werden Förderverhältnisse und ‑beziehungen gestaltet? In den Fokus rücken in unserer Arbeit Förderverhältnisse aus den Perspektiven der Beteiligten – den Geförderten und den Fördernden.
Verlag Julius Klinkhardt eBooks, 2024
Journal für Psychologie, Jun 1, 2024
Gemeinsam leben, Apr 21, 2020
Zeitschrift für Pädagogik Beiheft, Mar 4, 2022
Routledge eBooks, Oct 23, 2023

Gesellschaft - Individuum - Sozialisation, May 27, 2024
Was passiert, wenn junge Menschen nach höheren Bildungsabschlüssen als ihre Eltern streben-und da... more Was passiert, wenn junge Menschen nach höheren Bildungsabschlüssen als ihre Eltern streben-und dabei in Berührung mit linken Milieus, ihren Akteur*innen und Weltanschauungen kommen? Das Verhältnis von Linksaffinität und Bildungsaufstieg bildet den Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags, in dessen Zentrum die affektive Dimension dieses Zusammenspiels steht. Unter Rückgriff auf praxistheoretische Perspektiven werden biografisch-narrative Erzählungen Studierender aus dem linksaffinen Alltagsmilieu analysiert und es wird danach gefragt, welche Rolle Gefühle für ihre Bildungswege spielen. Zusammenfassend lassen sich als Ergebnis zwei bedeutsame Pole eines Spektrums rekonstruieren: Emotionen als Antrieb und Emotionen als Hemmnis im Bildungsaufstieg. Die jeweilige Beschaffenheit von Emotionen ist verbunden mit zwei Konstellationen in Aufstiegsbiografien: der Möglichkeit, sich ideologische Deutungsmuster anzueignen sowie der Möglichkeit, Zugang zu ermächtigenden Kollektiven zu erhalten. Wie das Verhältnis von Bildungsaufstieg und linksaffiner politischer Sozialisation schlussendlich emotional gestimmt ist, lässt sich vor dem Hintergrund der biografischen Ausgestaltung eben jener Konstellationen verstehen.

Gesellschaft – Individuum – Sozialisation. Zeitschrift für Sozialisationsforschung (GISo), 2024
Gefühle erfahren in gegenwärtigen sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschungen verstärkt Bea... more Gefühle erfahren in gegenwärtigen sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschungen verstärkt Beachtung. Dass weder Wahlentscheidungen noch politischer Aktivismus oder moralische Urteilsbildung rein kognitiver Natur sind, sondern zu einem erheblichen Teil biografisch, sozialisatorisch und affektiv geprägt, wurde in den vergangenen Jahren einsichtsreich diskutiert. An diesem Punkt setzt das Themenheft mit dem Titel „‚Once more, with feeling‘ – (Anti-)emanzipatorisches Transformationspotential von Gefühlen“ an und widmet sich interdisziplinären Perspektiven auf Gefühle und ihrem Potential, Biografien, Kollektive und Gesellschaft in (anti-)emanzipatorischer Weise zu transformieren. Das Schwerpunktheft geht auf eine dreitägige Tagung zurück, welche im November 2022 an der Universität Tübingen stattfand.

Gesellschaft – Individuum – Sozialisation. Zeitschrift für Sozialisationsforschung (GISo), 2024
Was passiert, wenn junge Menschen nach höheren Bildungsabschlüssen als ihre Eltern streben – und ... more Was passiert, wenn junge Menschen nach höheren Bildungsabschlüssen als ihre Eltern streben – und dabei in Berührung mit linken Milieus, ihren Akteur*innen und Weltanschauungen kommen? Das Verhältnis von Linksaffinität und Bildungsaufstieg bildet den Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrags, in dessen Zentrum die affektive Dimension dieses Zusammenspiels steht. Unter Rückgriff auf praxistheoretische Perspektiven werden biografisch-narrative Erzählungen Studierender aus dem linksaffinen Alltagsmilieu analysiert und es wird danach gefragt, welche Rolle Gefühle für ihre Bildungswege spielen. Zusammenfassend lassen sich zwei bedeutsame Pole eines Spektrums rekonstruieren: Emotionen als Antrieb und Emotionen als Hemmnis im Bildungsaufstieg. Die jeweilige Beschaffenheit von Emotionen ist dabei verbunden mit zwei Konstellationen in Aufstiegsbiografien: der Möglichkeit, sich ideologische Deutungsmuster anzueignen, sowie der Möglichkeit, Zugang zu ermächtigenden Kollektiven zu erhalten. Wie das Verhältnis von Bildungsaufstieg und linksaffiner politischer Sozialisation schlussendlich emotional gestimmt ist, lässt sich vor dem Hintergrund der biografischen Ausgestaltung eben jener Konstellationen verstehen.

Übergänge mit Klasse. Klassismus im Kontext von Übergangsgestaltung, 2024
In unserem Beitrag fragen wir dementsprechend: Was gewinnen wir, wenn wir in der Übergangsforschu... more In unserem Beitrag fragen wir dementsprechend: Was gewinnen wir, wenn wir in der Übergangsforschung Klasse als relationale Kategorie konzeptualisieren? Unser Anliegen ist, die Engführung des Klassenbegriffs auf einen Indikator für soziale Herkunft hinter uns zu lassen und stattdessen ein Konzept zu explizieren, das der relationalen Eingebundenheit sozialer Akteur:innen in unterschiedliche Klassen sowie damit verbundenen Subjektivierungsprozessen Rechnung trägt, ohne diesen eine determinierende Macht zuzuschreiben. Wir arbeiten demnach mit einem Klassenkonzept, das nicht im Vorgriff schon Unentrinnbarkeiten impliziert; das sowohl Gefühlslagen, diskursive Anrufungen und Positionierungsweisen wie auch institutionelle und strukturelle, oftmals sich dem Bewusstsein entziehende Dimensionen von Klasse greifbar macht; und schließlich deren (relative) Bedeutung jeweils kontextgebunden untersucht.
transcript Verlag eBooks, Dec 31, 2022

FQS, 2023
Damit durch Forschung Neues hervorgebracht wird, muss Gewohntes irritiertwerden. Dabei stellt sic... more Damit durch Forschung Neues hervorgebracht wird, muss Gewohntes irritiertwerden. Dabei stellt sich die Frage, wie Wissenschaftler*innen im Prozess der Forschung mitIrritationen umgehen und welche Bedeutung diesen im Erkenntnisprozess zukommt.Ausgangspunkt unseres Beitrages bildet die These, dass es in der empirischen Sozialforschungzwar laufend zu Irritationen kommt, sie jedoch in ihrer Bedeutung für den Erkenntnisgewinn nochzu wenig systematisch ausgeleuchtet sind. Deshalb widmen wir uns dem Umgang mit ihnen amBeispiel ethnografischer Forschungsstrategien, mit denen sie gesucht und erzeugt, aber auchvermieden werden können, um das Potenzial eines reflexiven Umgangs mit Irritationen für dieGewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse auszuloten. Als empirisches Material dienen unshierfür ethnografische Studien im Feld der Erziehungswissenschaft, welchen wir uns im Moduseiner reflexiven Sekundäranalyse nähern. Ziel des Beitrags ist eine systematisierende Darstellungvon Momenten der Irritation in qualitativ-interpretativen Forschungsprozessen sowie die Diskussionihrer Bedeutung, Potenziale und Grenzen
Der Beitrag wendet sich der bildungswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Emanzipation zu. Da... more Der Beitrag wendet sich der bildungswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Emanzipation zu. Dabei geraten das intensiv diskutierte Verhältnis von Bildung und Emanzipation, die gesellschaftspolitische Bedeutungsdimension des Begriffs sowie rezente Debatten, wie und ob (pädagogische) Theoriebildung Emanzipation fördern kann, in den Fokus. Entlang der bildungswissenschaftlichen Reflexion der Beiträge Michel Foucaults, Pierre Bourdieus und Jacques Rancières wird Emanzipation schließlich als relationale, soziale und gesellschaftlich situierte Praxis vorgestellt.

Erziehungswissenschaft
Mit Blick auf die erziehungswissenschaftliche Forschung im US-amerikanischen Raum kommt Norm Frie... more Mit Blick auf die erziehungswissenschaftliche Forschung im US-amerikanischen Raum kommt Norm Friesen zur kritischen Einschätzung: "[b]oth education and pedagogy-as well as their ‚knowability' […] are left only implicitly defined in American discourse" (Friesen 2019, S. 81). Bildung, so lässt sich mit Friesen argumentieren, stellt in der US-amerikanischen Erziehungswissenschaft eine Leerstelle dar, während sie in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft als Konzept zentral, wenn auch umkämpft ist. Dieser Befund spiegelt sich auch in unseren Erfahrungen auf der Jahrestagung der World Education Research Association (WERA) in San Diego (USA) wider. Das WERA Focal Meeting wurde vom 21. bis 26. April 2022 im Rahmen der Jahrestagung der American Educational Research Association (AERA) abgehalten. Im Hybrid-Format versammelten sich unter dem Tagungsthema "Cultivating Equitable Education Systems for the 21st Century" zahlreiche Symposien, Vorträge und Round Tables, die sich mit sozialer Ungleichheit in Bildungssystemen auseinandersetzten. Auf Einladung der DGfE gestaltete das DFG-Graduiertenkolleg "Doing Transitions-Formen der Hervorbringung von Übergängen im Lebenslauf" der
Pädagogische Professionalität und Migrationsdiskurse, 2022
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Book Reviews by Flora Petrik
(Alina Brehm, Reflexivität und Erkenntnis
Das Zitat Brehms, das den Leser*innen in Form eines Interviewausschnitts am Ende des Sammelbands begegnet, könnte genauso gut am Anfang stehen. Denn es fasst treffend die Haltung der jungen Herausgeber*innen und die Stimmung, die das Werk „Reflexivität und Erkenntnis“ durchzieht, zusammen. Alina Brehm und Jakob Kuhlmann sind noch mitten in ihrem Soziologie-Studium, als sie beschließen, Subjektivität im Forschungsprozess aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und kritisch zu diskutieren. Am Anfang steht dabei das eigene Unbehagen: Warum gibt es innerhalb der qualitativen Sozialforschung so viel Ablehnung gegenüber der Idee, die Gefühle und das dynamische Innenleben der Forscher*innen könnten zu Erkenntnissen über den beforschten Gegenstand beitragen? Diese Frage nach der Positionierung „introspektiv-selbstreflexiven Vorgehens“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 10) im wissenschaftlichen Feld war leitend für eine interdisziplinär angelegte Vortragsreihe, die das Verhältnis der Subjektivität der Forschenden zur Erkenntnisproduktion in den Blick nahm, und schließlich in dem hier diskutierten Sammelband mündete. Die eigene affektive Verwicklung der Herausgeber*innen und Mitwirkenden in die Debatte über den Umgang mit Subjektivität in der Wissenschaft durchzieht das Buch wie ein roter Faden und lässt den Anspruch einer „strong reflexivity“ (Kühner et al. 2016), wonach die Subjektivität der Forscher*innen als zentral zu setzen ist, als gelebte wissenschaftliche Praxis erscheinen. In Anschluss an Georges Devereux, der seine sozialwissenschaftlichen Kolleg*innen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür kritisierte, in ihrem methodischen Vorgehen das eigene Handeln und Empfinden auszublenden, soll „[d]urch systematische Reflexion der Erfahrung der Forschenden […] ihre Subjektivität zu einem sozialwissenschaftlich produktiven Erkenntniswerkzeug werden“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 16), anstatt sie als störende Einflussfaktoren in Bezug auf vermeintlich objektive Erkenntnisse abzutun. Die Herausgeber*innen führen differenziert in ihr Forschungsprogramm ein und beleuchten dabei auch das Missverständnis von starker Reflexivität als uneingeschränkter Einfühlung und Identifikation. Gesellschaftliche Entwicklungen gelten als Folie für zahlreiche Ausführungen, so wird auch selbstkritisch nach der Verstrickung von dem Fokus auf Subjekte mit aktuellen neoliberalen Tendenzen gefragt.
talks, workshops, conference presentations by Flora Petrik
Papers by Flora Petrik
(Alina Brehm, Reflexivität und Erkenntnis
Das Zitat Brehms, das den Leser*innen in Form eines Interviewausschnitts am Ende des Sammelbands begegnet, könnte genauso gut am Anfang stehen. Denn es fasst treffend die Haltung der jungen Herausgeber*innen und die Stimmung, die das Werk „Reflexivität und Erkenntnis“ durchzieht, zusammen. Alina Brehm und Jakob Kuhlmann sind noch mitten in ihrem Soziologie-Studium, als sie beschließen, Subjektivität im Forschungsprozess aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und kritisch zu diskutieren. Am Anfang steht dabei das eigene Unbehagen: Warum gibt es innerhalb der qualitativen Sozialforschung so viel Ablehnung gegenüber der Idee, die Gefühle und das dynamische Innenleben der Forscher*innen könnten zu Erkenntnissen über den beforschten Gegenstand beitragen? Diese Frage nach der Positionierung „introspektiv-selbstreflexiven Vorgehens“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 10) im wissenschaftlichen Feld war leitend für eine interdisziplinär angelegte Vortragsreihe, die das Verhältnis der Subjektivität der Forschenden zur Erkenntnisproduktion in den Blick nahm, und schließlich in dem hier diskutierten Sammelband mündete. Die eigene affektive Verwicklung der Herausgeber*innen und Mitwirkenden in die Debatte über den Umgang mit Subjektivität in der Wissenschaft durchzieht das Buch wie ein roter Faden und lässt den Anspruch einer „strong reflexivity“ (Kühner et al. 2016), wonach die Subjektivität der Forscher*innen als zentral zu setzen ist, als gelebte wissenschaftliche Praxis erscheinen. In Anschluss an Georges Devereux, der seine sozialwissenschaftlichen Kolleg*innen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür kritisierte, in ihrem methodischen Vorgehen das eigene Handeln und Empfinden auszublenden, soll „[d]urch systematische Reflexion der Erfahrung der Forschenden […] ihre Subjektivität zu einem sozialwissenschaftlich produktiven Erkenntniswerkzeug werden“ (Brehm/Kuhlmann 2018: S. 16), anstatt sie als störende Einflussfaktoren in Bezug auf vermeintlich objektive Erkenntnisse abzutun. Die Herausgeber*innen führen differenziert in ihr Forschungsprogramm ein und beleuchten dabei auch das Missverständnis von starker Reflexivität als uneingeschränkter Einfühlung und Identifikation. Gesellschaftliche Entwicklungen gelten als Folie für zahlreiche Ausführungen, so wird auch selbstkritisch nach der Verstrickung von dem Fokus auf Subjekte mit aktuellen neoliberalen Tendenzen gefragt.