Articles (Download) by Sebastian Winter

ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung
Die Rechtsextremismusforschung, die im Kontext Sozialer Arbeit stattgefunden hat, war jahrzehntel... more Die Rechtsextremismusforschung, die im Kontext Sozialer Arbeit stattgefunden hat, war jahrzehntelang fast ausschließlich eine Forschung über extrem rechts orientierte Jugendliche und die pädagogischen Möglichkeiten, sie von ihrem eingeschlagenen Pfad wieder abzubringen. Die Prävention durch Soziale Arbeit wurde und wird in der Öffentlichkeit-neben der Repression durch Polizei und Verfassungsschutz-oftmals als DER entscheidende Faktor zur Eindämmung und Verhinderung extrem rechter Entwicklungen und Mobilisierungen gesehen. Dieser Zugang ist fraglich geworden:einerseits vor dem Hintergrund des in den letzten Jahren in der deutschen Transformationsgesellschaft reüssierendeng esellschaftlichen Rechtsrucks und den Herausforderungen, dies ich durch die weit über die extreme Rechte hinausreichende (und auch die Akteur*innen Sozialer Arbeit selbst nicht auslassende)V erfestigung von Ideologien der Ungleichwertigkeit ergeben; andererseits durch die Kritik an einer Pädagogisierung und Entpolitisierung des Rechtsextremismus im Zugeder Kontroverse um das Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit und dessen Umsetzung im Rahmen des ersten Bundesprogramms AgAG Anfang der 1990er Jahre (vgl. exemplarisch für den De-battenbeginnS cherr1 993; Krafeld 1993). Nach der Aufdeckung der Anfänge des späteren NSU in einem Jenaer Jugendzentrum ist die Skepsis noch einmal gewachsen. Um Potenziale, Grenzen und Gefahren von Sozialer Arbeit/Pädagogik im Bereich der Prävention von Rechtsextremismus zu eruieren,brauchtesnach wie vor eine feldspezifische Sozialarbeitsforschung. Aktuell ist eine Öffnung und thematische Verbreiterung dieser Forschungslandschaftzuverzeichnen, die insbesondere selbstreflexiver und-kritischergeworden ist. Eine Debatte, in der fokussiert die eigene Profession und Disziplin betrachtet werden, begann erst vor wenigen Jahren, zunächst mit Bezug auf die Hochschulen. So warfen Albert Scherr und Renate Bitzan 2007 die Frage auf, welche Erfahrungen es mit Studierenden Sozialer Arbeit gibt, die sich rechtsextrem orientieren. Sie fragten, welche Strategien im Umgang damit bestehen und problematisierten, dass über die Existenz extrem rechter Studierender in der Sozialen Arbeit geschwiegen wird, obwohl es diese in einem "begrenzten aber relevanten Ausmaß" (Scherr/Bitzan 2007:9)gibt. Die Debatte, in der es auch Anwürfe gegen die Autor*innen gab, endete vergleichsweise schnell. Knapp zehn Jahre später diskutierten Esther Lehnert und Heike Radvan (2016: 59-120) Beispiele,die zeigen, dass extrem rechts eingestellte Personen Soziale Arbeit studieren und in der Praxis tätig sind, obwohl ihre Einstellungenund Ziele den professionsethischen Grundsätzendiametral entgegenstehen. Seit 2018 ist eine vertiefende und vermutlich nachhaltigere Hinwendung zu dieser Debatte in Disziplin und Profession zu beobachten. Dabei profitiert der Fachdiskurs auch von Analysen aus der ursprünglich zivilgesellschaftlich verorteten,imweiterenV erlauf professionalisierten Beratungspraxis gegen Rechtsextremismus: So wird die begriffliche Unterscheidung zwischen extrem rechts orientierten und organisierten Adressat*innen-ursprünglich vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Berlin (VDK/MBR2 006:8 0-87) hinsichtlich der pädagogischen Erreichbarkeit in jugendpädagogischen Gruppenkontexten
Winter S. Lüstern und verkopft. Zur affektiven Dimension antisemitischer Feindbilder im Nationals... more Winter S. Lüstern und verkopft. Zur affektiven Dimension antisemitischer Feindbilder im Nationalsozialismus. In: Brunner M, Lohl J, Pohl R, Winter S, eds. Volksgemeinschaft, Täterschaft und Antisemitismus. Beiträge zur psychoanalytischen Sozialpsychologie des Nationalsozialismus und seiner Nachwirkungen. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2011: 135-168
Normalungetüme, 2013
Winter S. School Shootings als männliche Lösung der narzisstischen Spannung zwischen Selbstverwir... more Winter S. School Shootings als männliche Lösung der narzisstischen Spannung zwischen Selbstverwirklichung und Anpassung im Postfordismus. In: Brunner M, Lohl J, eds. Normalungetüme. School Shootings aus psychoanalytisch-sozialpsychologischer Perspektive. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2013: 103-130
Kritische Sozialpsychologie
Uber die tiefenhermeneutische Rekonstruktion einer 1951 von Mitarbeitern des Frankfurter Institut... more Uber die tiefenhermeneutische Rekonstruktion einer 1951 von Mitarbeitern des Frankfurter Instituts fur Sozialforschung mit »Kriegskindern« gefuhrten Gruppendiskussion werden die mentalitats- und emotionsgeschichtlichen Folgewirkungen des Nationalsozialismus auf der affektiven und unbewussten Ebene erschlossen. Insbesondere wird betrachtet, wie die jungen Erwachsenen in diesem Kontext ihre Erfahrungen mit der amerikanischen Besatzung und der jungen Bundesrepublik verarbeiten. Uberpruft wird anhand des historischen Materials unter anderem eine bekannte These von Alexander und Margarete Mitscherlich: Ihnen zufolge habe es in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft eine Ruckkehr zu einem vor-nationalsozialistischen Uber-Ich gegeben, dass von den Alliierten psychisch reprasentiert wurde.
Handbuch Feministische Perspektiven auf Elternschaft, 2021

Journal Fur Psychologie, 2010
Wir wollen auf dieser Podiumsdiskussion zum Ausklang der Tagung einige Grundfragen, welche die ge... more Wir wollen auf dieser Podiumsdiskussion zum Ausklang der Tagung einige Grundfragen, welche die gesamte Tagung durchzogen haben, sowie einige, die bisher nicht angesprochen worden sind, aber in ein Resümee hineingehören, diskutieren. 1 Außerdem wollen wir uns mit so genannten »anwendungsbezogenen«-auch wenn dieser Ausdruck grundsätzlich problematisch ist-Fragen und Themen beschäftigen. Dies bezieht sich auf ältere und neue Forschungsfelder. Vielleicht kommen wir auch noch einmal zu den methodischen Fragen zurück, obwohl wir diese eigenständige Methodendiskussion selbst an dieser Stelle nicht weiterführen sollten. Die dritte Frage, die uns ja alle interessiert, ist die nach den Strategien und Perspektiven, d.h. nach der Organisation und nach der institutionellen Einbindung der hier vertretenen Ansätze einer weitgehend psychoanalytisch ausgerichteten Politischen Psychologie. Abgeschlossen werden soll die Podiumsdiskussion mit einer kleinen Abschlussrunde. Der erste Bereich, also Grundfragen und konzeptionelle Grundlagen, berührt die Frage, welchen Status die Psychoanalyse eigentlich hat oder welcher ihr in einer subjekt-und gleichzeitig gesellschaftstheoretisch ausgerichteten Politischen Psychologie zukommen kann. Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Ansätze hier besonders wichtig und brauchbar sind, sollten wir uns zunächst einer zentralen Grundfrage stellen, die wir im Verlauf der Tagung immer vorausgesetzt, aber noch nicht systematisch behandelt haben, nämlich: Was ist eigentlich das Politische an der Politischen

Sozialpsychologie und Sozialtheorie
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die psychoanalytische Sozialpsychologie-eine wissenschaf... more Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die psychoanalytische Sozialpsychologie-eine wissenschaftliche Perspektive, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt hat und seitdem die gesellschaftliche Relevanz und Produktion von Unbewusstheit untersucht. Hierzu werden zunächst zentrale Begriffe vorgestellt (Unbewusstes, Ich, Es, Über-Ich, Abwehr, kollektive Projektion und kollektiver Narzissmus, Nachträglichkeit). Um einen Überblick über verschiedene Fragestellungen, Themen und Ansätze der psychoanalytischen Sozialpsychologie zu geben, werden anschließend ihre Entwicklung ausgehend von ihren Anfängen bei Freud, den Freudomarxisten und in der Kritischen Theorie bis in die Gegenwart hinein skizziert und ausgewählte Hauptwerke kurz vorgestellt. Abschließend werden aktuelle Weiterentwicklungen und neuere Themenstellungen diskutiert. Definition Psychoanalytische Sozialpsychologie ist der Name eines transdisziplinären wissenschaftlichen Ansatzes, welcher die Psychoanalyse nutzt, um sozial-und kulturwissenschaftliche Themen auf eine spezifische Weise zu untersuchen: Ihr Fokus richtet sich auf die affektive Dimension gesellschaftlicher Phänomene und insbesondere auf deren unbewusste Anteile. Sie untersucht die gesellschaftliche Produktion und Relevanz von Unbewusstheit: Wie verarbeiten die Individuen die gesellschaftlichen Macht-und Herrschaftsverhältnisse, denen sie ausgesetzt sind, affektiv und kognitiv, bewusst und unbewusst? Welche Rolle spielen hierbei Ideologien, Diskurse oder die
Kulturwissenschaftliche Zeitschrift, 2020
Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, 2018
Ayşe Çavdars Analyse der Affektpolitiken des »contemporary right-wing (AKP)
populism« in der Tür... more Ayşe Çavdars Analyse der Affektpolitiken des »contemporary right-wing (AKP)
populism« in der Türkei zeigt eingängig auf, wie der in weiten Teilen der Bevölkerung
allgemein bekannte Märchenstoff von dem jugendlichen Helden Deli Dumrul,
der durch viele Krisen hindurch zum verantwortungsvollen Führer seiner Gemeinschaft
reift, gegenwärtig gezielt über kulturindustrielle Medien mit neuer politischer
Bedeutung aufgeladen wird und die an ihn gebundenen Affekte so auf die aktuelle
gesellschaftliche Situation übertragen werden. Die von Çavdar genutzte theoretische
Rahmung ihrer Analyse wirft allerdings einige Probleme auf, die auch Konsequenzen
für die politischen Folgerungen haben, mit denen ihr Aufsatz schließt.
Eigen und anders. Beiträge aus der Geschlechterforschung und der psychoanalytischen Pädagogik
Dass ‘ich‘ nicht identisch bin mit ‘dir‘, ist ein schmerzliches Erleben, von dem kein Kind versch... more Dass ‘ich‘ nicht identisch bin mit ‘dir‘, ist ein schmerzliches Erleben, von dem kein Kind verschont bleibt. Wie aber lernt das Kind dieses Erleben von Differenz unter Zuhilfenahme kultureller Sinnstiftungsangebote bzw. -vorgaben in eine intelligible Erfahrung zu gießen? Diese Frage stellt sich, da Differenz sehr verschiedene Formen annehmen kann. Sie kann dualistisch oder plural, dichotom oder mit fließenden Übergängen, mimetisch auf den Anderen bezogen, dialektisch, hierarchisch, komplementär und noch vieles anderes mehr sein. In dem folgenden Aufsatz sollen zwei Formen von kulturellen Fassungen der Differenz und deren Verflechtung aufgezeigt werden: ihre geschlechtliche und ihre antisemitisch-völkische Codierung.
Konstellationen des Antiziganismus
Zwei Merkmale, die alle Ressentiments gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit teilen, treten am An... more Zwei Merkmale, die alle Ressentiments gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit teilen, treten am Antiziganismus in besonderer Deutlichkeit hervor: Erstens die Ambivalenz von Verachtung und Romantisierung gegenuber der stigmatisierten Gruppe und zweitens die Aktivitat „von unten“, welche den Staat drangt, institutionelle und rechtliche Diskriminierungen auszuweiten. Die sich hier auch jenseits ihrer politischen Instrumentalisierung zeigende affektive Anziehungskraft des Ressentiments muss verstanden werden, um es wirksam bekampfen zu konnen.

Lernen aus der Geschichte, 2018
Antisemitische Äußerungen von AfD-, Pegida- oder IB-Protagonist_innen zu finden, ist keine besond... more Antisemitische Äußerungen von AfD-, Pegida- oder IB-Protagonist_innen zu finden, ist keine besondere Schwierigkeit. Oftmals werden sie in der kritischen Öffentlichkeit benutzt, um insbesondere der AfD nachzuweisen, dass sie dem nationalsozialistischen Ungeist verhaftet bleibe. Die Partei selbst wiederum bemüht sich – wenig entschlossen – diese Äußerungen als Einzelfälle darzustellen und manchmal auch zu sanktionieren (vgl. z.B. Soldt 2018). In diesem Aufsatz soll es darum gehen, das hinter diesen ‚Einzelfällen‘ liegende Muster zu beschreiben und zu untersuchen, wie dieses mit den breiteren, politische Lager überlappenden, Diskursen über die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands zusammenhängt. Es wird die These entwickelt, dass die Tabuisierung, auf welcher die Kommunikationslatenz des Antisemitismus (Bergmann & Erb 1986) als Bestandteil der kulturellen Atmosphäre der Bundesrepublik jahrzehntelang beruhte und die das offene Wiederanknüpfen an die völkisch-antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus im politischen Raum verhinderte, mittlerweile an Kraft verliert und dass dies durch die Art der ‚Vergangenheitsaufarbeitung‘ mitverursacht ist.
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/14018

Soziopolis, 2019
Die Lektüre von Klaus Theweleits Männerphantasien, das im vergangenendieses Jahr bei Matthes & Se... more Die Lektüre von Klaus Theweleits Männerphantasien, das im vergangenendieses Jahr bei Matthes & Seitz mit einem langen Nachwort des Autors neu aufgelegt wurde, ist ein einschneidendes Erlebnis, ein über 1000 Seiten langer Blick in einen Abgrund, der zurückblickt. Ausgehend von der (autobiographischen) Literatur, die Freikorpssoldaten der Zwischenkriegszeit verfassten, entwickelt Theweleit hier ein Modell der psychischen und leiblichen Struktur soldatischer Männlichkeit. Dazu greift er theoretisch auf verschiedene psychoanalytische Ansätze, unter anderemu.a. von Margaret Mahler, Wilhelm Reich und Gilles Deleuze & Félix Guattari, sowie auf die Theorien von Michel Foucault und Norbert Elias zurück. Das so entwickelte Modell begreiftsieht den soldatischen Mann als Endpunkt einer zivilisationsgeschichtlichen Entwicklung, die in einer zunehmenden Verpanzerung des Leibes besteht, einer panischen Abwehr gegen das verführerische, auflösende, die Selbstdisziplin untergrabende "weibliche" Fluten der unbewussten "Wunschmaschine". Von der Mutter nicht zu Ende geboren, vonm Vater und dem militärischemn Drill ins Leben geprügelt, benötigen die soldatischen Männer die starre Ordnung von Gemeinschaften wie der Truppe oder dem Volk, in die sie sich einfügen können und die ihren Leib vor der psychotischen Fragmentierung bewahren. Panisch und mordlüstern verlaufen ihre Begegnungen mit der bedrohlichen Weiblichkeit. Alle Frauen werden "entlebendigt": als asexuelle, verehrte "weiße Frau" oder aber als vergewaltigte, ermordete, zu Brei zerstampfte "rote Frau".
Danielsson, Sarah K. (Hrsg.): War and Sexual Violence. Paderborn: Schöningh, 2019
Psychoanalytic social psychology2 aims to deepen the understanding that common psychological appr... more Psychoanalytic social psychology2 aims to deepen the understanding that common psychological approaches share about the affective layer of military and war. Descriptions of group cohesion, obedience, dehumanization of the enemy, and the difficult process of overcoming one's inhibition to kill, as offered by Dave Grossman's illuminating study On Killing3, are complemented by psychoanalytic studies that trace the genesis of these very phenomena – which are in no way brute or natural facts but carry a history marked by the interdependence of culture and the development of the subject.
Rendtorff, Barbara, Riegraf, Birgit & Mahs, Claudia (Hrsg.): Struktur und Dynamik – Un/Gleichzeitigkeiten im Geschlechterverhältnis. Wiesbaden: Springer VS, S. 45–64, 2019
Auf die Kritik und den Druck der Frauenbewegung hin und in Wechselwirkung mit den neoliberalen Di... more Auf die Kritik und den Druck der Frauenbewegung hin und in Wechselwirkung mit den neoliberalen Diskursverschiebungen hin zu Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung hat, zumindest in der Leitkultur der urbanen und liberalen Mittelschichtmilieus, in den letzten Jahrzehnten eine rhetorische Modernisierung der Geschlechterordnung stattgefunden. Offener Sexismus und ‚Altherrenwitze‘ erzeugen Empörung und erscheinen peinlich und veraltet. Unbeschadet davon bleibt die tatsächliche Praxis der Hausarbeitsteilung in heterosexuellen Paaren erstaunlich konservativ.

Mittelweg 36 (4/2018), 2018
Die psychoanalytische Sozialpsychologie behandelt »Männlichkeit« als
etwas Gewordenes, in dessen ... more Die psychoanalytische Sozialpsychologie behandelt »Männlichkeit« als
etwas Gewordenes, in dessen Werden zahlreiche Konflikte und Widerstände auftreten. Sie interessiert sich dafür, welche unterschiedlichen Krisen Mädchen und Jungen unter dem Vorzeichen männlicher Herrschaft zu durchleben haben und wie sie mit den entsprechenden Erfahrungen jeweils umgehen. Auf dem Weg zur Männlichkeit lernen Jungen, nicht »weiblich« zu sein und das als weiblich apostrophierte Erleben zu verdrängen. Sie werden sich den Liebesobjekten, in denen sich das Verdrängte für sie verkörpert findet, dann nur herrschaftlich begehrend und nicht identifikatorisch nähern. Die sexuelle Gewalt der Männer ist unter der Perspektive einer so verstandenen Psychoanalyse eine ausgelebte Abwehr und Bemächtigung von Weiblichkeit. Ihr affektives Fundament ist folglich ein konstitutiver Bestandteil des männlichen Habitus.

Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Soazialpsychologie, 2018
»Sie wollen Vater sein und Mann bleiben«-dieser Slogan des »Väterzentrums Berlin«, dem Aushängesc... more »Sie wollen Vater sein und Mann bleiben«-dieser Slogan des »Väterzentrums Berlin«, dem Aushängeschild der engagierten Väter in Prenzlauer Berg, bringt die Gleichzeitigkeit von Persistenz und Wandel in den heutigen Väterlichkeitsentwürfen auf den Punkt: Väter sollen sich um ihre Kinder kümmern, sie pflegen und für diese da sein, also vormals ›weiblich‹ attribuierte Tätigkeiten übernehmen, aber dabei eben »Mann bleiben«. Die Betonung der Männlichkeit fällt schon in der Innenraumgestaltung des Zentrums mit Carrerabahn, Krökeltisch und Boxsack ins Auge (vgl. die Bilder auf http://vaeterzentrum-berlin.de/). Kann der Anspruch so eingelöst werden? Die »engagierte Vaterschaft«, die das Väterzentrum unterstützen will, hat ihre Vorläufer in den ›Neuen Vätern‹ der 1970er Jahre, die »Freund und Kamerad« ihrer Kinder sein und sich auch an ihrer Pflege beteiligen wollten (Pross, 1978, S. 119ff.). Eine vergleichende Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Einstellungswandel zwischen dieser Generation und der ihrer Eltern beeindruckend gewesen ist. Dies gilt insbesondere für die Männer, die sich mental der ›weiblichen‹ Sphäre der Kinderpflege öffneten, während die Frauen auch in der älteren Generation schon überwiegend einer Erwerbsarbeit (zusätzlich zur Hausarbeit) nachgegangen waren: »Der Wandel auf der Ebene der Normen zwischen beiden Generationen ist erstaunlich weit reichend, und er betrifft die männliche Seite, die die weibliche eingeholt hat« (Born & Krüger, 2002, S. 139). 1978 konstatierte Helge Pross allerdings, dass dieser neue »reale Vater dem idealen Vater […] ziemlich fern steht«: »Viele Männer hatten gesagt, der Vater solle sich von den ersten Lebenstagen der Kinder an ihrer Erziehung widmen. In der Praxis scheint diese Beteiligung aber recht begrenzt. Nach ihrem eigenen Zeugnis haben sich die Väter mit den kleinen Kindern nur wenig 30 © Psychosozial-Verlag, Gießen • www.psychosozial-verlag.de

Psychologie und Gesellschaftskritik, 2017
Die Erinnerungskultur, wie sie sich seit den 1980er Jahren in (West-)Deutschland zunehmend etabli... more Die Erinnerungskultur, wie sie sich seit den 1980er Jahren in (West-)Deutschland zunehmend etabliert hat und mittlerweile zu einem identitätsstiftenden und staatstragenden Moment geworden ist, steht unter dem Motto ›Erinnerung ist Erlösung‹. Der ›Schande‹, die der Nationalsozialismus über Deutschland gebracht habe, wird der Stolz auf die gelungene ›Aufarbeitung‹ entgegengesetzt. Im Lichte der wiedergewonnenen ›Ehre‹ wird dabei der kollektive Narzissmus des Nationalgefühls, der nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg kryptisiert worden war, restituiert. In der AfD werden nun Stimmen laut, die an diese Entwicklung anknüpfen und die weiter anhaltende Betonung der ›Schande‹ ablehnen Schlüsselbegriffe: Schuldabwehr, Erinnerungskultur, Nationalismus, Antisemitismus, Neue Rechte »Denkmal der Schande« Das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas sei ein »Denk-mal der Schande«, wütete der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke. In seiner von der Parteijugend organisierten Ansprache, die an-schließend in den Medien zur ›Dresdener Rede‹ überhöht wurde, stachel-te er seine Anhängerschaft gegen die Schmach auf: 1 »Der […] Wiederaufbau der Frauenkirche war für uns Patrioten ein Hoffnungsschim-mer dafür, dass es ihn doch noch gibt, diesen kleine Funken deutschen Selbstbehaup-tungswillen. [Applaus] Aber, liebe Freunde, bis jetzt sind es nur Fassaden, die wieder entstanden sind. Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besieg-ten Volkes. Dieses Dokument ist lizenziert für Universität Wien, uf33237k.

Mahs, Claudia/Rendtorff, Barbara/Rieske, Thomas Viola (Hg.): Erziehung, Gewalt, Sexualität. Zum Verhältnis von Geschlecht und Gewalt in Erziehung und Bildung. Opladen/Berlin/Toronto (Barbara Budrich), S. 97-112
Väterlichkeit ist historischem Wandel unterworfen. Aber auch in je einem ausgewählten historische... more Väterlichkeit ist historischem Wandel unterworfen. Aber auch in je einem ausgewählten historischen Zeitabschnitt ist sie nicht ein kompaktes, in sich stimmiges Phänomen, sondern ein widersprüchlicher Komplex aus Idealbildern, realen Praxen, als ‚väterlich' anerkannten Gefühlen und diesen zumindest teilweise zuwiderlaufenden Affekten. In einem jüngst angelaufenen Forschungsprojekt am Interdisziplinären Zentrum für Frauen-und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld versuche ich diese Verflochtenheit für den derzeit leitenden Väterlichkeitsentwurf zu entwirren. Dieser zeichnet sich gegenüber früheren Väterlichkeiten dadurch aus, dass er impliziert, emotionalen Anteil an den Kindern zu nehmen und den Männern nahelegt, sich auch für vormals ‚mütterliche' Aufgaben der Kinderpflege zuständig zu fühlen. Mittels tiefenhermeneutischer Interviewinterpretationen gehe ich den Ambivalenzen nach, die diese Normativität im väterlichen Erleben mit sich bringt.
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populism« in der Türkei zeigt eingängig auf, wie der in weiten Teilen der Bevölkerung
allgemein bekannte Märchenstoff von dem jugendlichen Helden Deli Dumrul,
der durch viele Krisen hindurch zum verantwortungsvollen Führer seiner Gemeinschaft
reift, gegenwärtig gezielt über kulturindustrielle Medien mit neuer politischer
Bedeutung aufgeladen wird und die an ihn gebundenen Affekte so auf die aktuelle
gesellschaftliche Situation übertragen werden. Die von Çavdar genutzte theoretische
Rahmung ihrer Analyse wirft allerdings einige Probleme auf, die auch Konsequenzen
für die politischen Folgerungen haben, mit denen ihr Aufsatz schließt.
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/14018
etwas Gewordenes, in dessen Werden zahlreiche Konflikte und Widerstände auftreten. Sie interessiert sich dafür, welche unterschiedlichen Krisen Mädchen und Jungen unter dem Vorzeichen männlicher Herrschaft zu durchleben haben und wie sie mit den entsprechenden Erfahrungen jeweils umgehen. Auf dem Weg zur Männlichkeit lernen Jungen, nicht »weiblich« zu sein und das als weiblich apostrophierte Erleben zu verdrängen. Sie werden sich den Liebesobjekten, in denen sich das Verdrängte für sie verkörpert findet, dann nur herrschaftlich begehrend und nicht identifikatorisch nähern. Die sexuelle Gewalt der Männer ist unter der Perspektive einer so verstandenen Psychoanalyse eine ausgelebte Abwehr und Bemächtigung von Weiblichkeit. Ihr affektives Fundament ist folglich ein konstitutiver Bestandteil des männlichen Habitus.
populism« in der Türkei zeigt eingängig auf, wie der in weiten Teilen der Bevölkerung
allgemein bekannte Märchenstoff von dem jugendlichen Helden Deli Dumrul,
der durch viele Krisen hindurch zum verantwortungsvollen Führer seiner Gemeinschaft
reift, gegenwärtig gezielt über kulturindustrielle Medien mit neuer politischer
Bedeutung aufgeladen wird und die an ihn gebundenen Affekte so auf die aktuelle
gesellschaftliche Situation übertragen werden. Die von Çavdar genutzte theoretische
Rahmung ihrer Analyse wirft allerdings einige Probleme auf, die auch Konsequenzen
für die politischen Folgerungen haben, mit denen ihr Aufsatz schließt.
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/14018
etwas Gewordenes, in dessen Werden zahlreiche Konflikte und Widerstände auftreten. Sie interessiert sich dafür, welche unterschiedlichen Krisen Mädchen und Jungen unter dem Vorzeichen männlicher Herrschaft zu durchleben haben und wie sie mit den entsprechenden Erfahrungen jeweils umgehen. Auf dem Weg zur Männlichkeit lernen Jungen, nicht »weiblich« zu sein und das als weiblich apostrophierte Erleben zu verdrängen. Sie werden sich den Liebesobjekten, in denen sich das Verdrängte für sie verkörpert findet, dann nur herrschaftlich begehrend und nicht identifikatorisch nähern. Die sexuelle Gewalt der Männer ist unter der Perspektive einer so verstandenen Psychoanalyse eine ausgelebte Abwehr und Bemächtigung von Weiblichkeit. Ihr affektives Fundament ist folglich ein konstitutiver Bestandteil des männlichen Habitus.
Diese Selbst- und Feindbilder stellten ein Sinnstiftungsangebot dar, dessen affektive Attraktivität sich aus ihrer Funktionalisierbarkeit zur Verleugnung basaler Konflikte der Geschlechtsidentitätsgenese erklärt. Dieser Zusammenhang wurde in der psychoanalytisch-sozialpsychologischen Antisemitismusforschung oft benannt, aber bislang meist androzentrisch und sozialcharakterologisch verkürzt dargestellt. Sebastian Winter untersucht die Thematik anhand der SS-Zeitung Das Schwarze Korps und verknüpft dabei einen diskursanalytischen Ansatz mit einer psychoanalytisch-sozialpsychologischen Interpretation.