Papers by Tabea Häberlein
Es gibt wohl nur wenige Themen der Ethnologie, die mit solcher Leidenschaft erforscht, verdammt u... more Es gibt wohl nur wenige Themen der Ethnologie, die mit solcher Leidenschaft erforscht, verdammt und wiederentdeckt worden sind wie die Verwandtschaft. Während bis in die 1960er Jahre hinein die Analyse von Verwandtschaft noch als eigentlicher Kern der ethnologischen Arbeit ...

Verwandtschaftsbeziehungen haben in Afrika überragende Bedeutung. Dies zeigt sich nicht nur bei b... more Verwandtschaftsbeziehungen haben in Afrika überragende Bedeutung. Dies zeigt sich nicht nur bei besonderen Anlässen wie Festen oder Beerdigungszeremonien, sondern ebenso in Alltagssituationen: bei der gemeinsamen Arbeit von Frauen mit ihren (Pflege-)Töchtern, beim Bau eines Hauses durch verwandte Männer, wenn ein Städter nach dem Besuch eines Verwandten aus dem Dorf diesem das Geld für die Heimfahrt zusteckt oder wenn eine Mutter, die in Paris Fuß gefasst hat, ihre Kinder oder ihren Mann nach Europa nachziehen lässt. Dem Einfluss verwandtschaftlicher Bindungen kann oder will sich kaum jemand in Afrika entziehen: Sie sind unabdingbar, um zu überleben (besonders in Krisenzeiten und im Alter), um erwachsen zu werden, zu heiraten und Kinder zu bekommen, um auch über den Tod hinaus Teil der Gemeinschaft zu bleiben. Die Bedeutung verwandtschaftlicher Beziehungen zeigt sich auch in Bildungs-und Migrationsbiografien (vgl. z.B. Behrends 2002; Martin 2005), wo fast immer intensive verwandtschaftliche Verbindungen in die Heimatregion gepflegt werden. Angesichts des Fehlens beziehungsweise der schwachen Ausbildung sozialer Sicherungssysteme, seien sie nun staatlich oder privat organisiert, stellen verwandtschaftliche Netzwerke in vielen afrikanischen Gesellschaften nach wie vor die zentrale soziale Einheit dar. Sie bietet den Individuen Überleben, Krisenbewältigung, Alterssicherung und sozialen Status, wie auch Orientierung und Halt in einer komplexer werdenden Welt. Zugleich liefern verwandtschaftliche Beziehungen und die Anforderungen, die sie an die Einzelnen stellen, Stoff für Konflikte, Missgunst, Neid und Aufbegehren. Das gilt für die in ihren Herkunftsorten Verbliebenen ebenso wie für jene Afrikanerinnen und Afrikaner, die in den Städten oder außerhalb des Landes leben. So sehr die zentrale Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen für Menschen jedweden Alters-auch über Afrika hinaus-als Konstante gelten kann, so sehr ändern sich die konkreten Formen des jeweiligen verwandtschaftlichen Zusammenlebens und die auf Verwandtschaft basierenden Bindungen und Erwartungen. Damit in Zusammenhang stehend verändern sich auch die sozialwissenschaftlichen Forschungsansätze, mit denen versucht wird, Verwandtschaft und deren Wandel zu fassen. Die Fragen, die Wissenschaftler an Verwandtschaft stellen, haben sich dabei ebenso geändert wie die Methoden, mit denen sie diese zu beantworten suchen. Unser Beitrag beleuchtet Aspekte dieses komplexen Wandlungsprozesses in Afrika für das 20. Jahrhundert.

Kinship and Politics are often conceptualized as distinct realms of social life, in Western socie... more Kinship and Politics are often conceptualized as distinct realms of social life, in Western societies as much as in Western social science. The distinctness in Anthropological research in the sub-disciplines kinship and political anthropology began with the 1940s. However, recent process oriented kinship anthropologists tend to work increasingly on state regulation of reproduction and adoption, while political anthropologists studying nationalist identification and focus on entanglements of state and kin. Both research tendencies helped to progressively erode the conceptual boundaries between the subfields. The focus on the interconnections between kinship and politics expressed in the title „Doing politics – making kinship“ of the international workshop organized by ERDMUTE ALBER (Bayreuth) and TATJANA THELEN (Vienna) is thus very timely.1 In their introductory comments, the organisers historicized the workshop topic and suggested four cross-cutting themes: the impact of kinship on...
Africa Spectrum, 2010
Changes in kinship relations are part of the broad social change in all African societies. This a... more Changes in kinship relations are part of the broad social change in all African societies. This article highlights trends and characteristics of changing kinship relations in West Africa. Its analysis focuses on the twentieth century, which was shaped by the colonial conquest and profound societal transformations like the political independence of the African colonies. In analysing three important kinship relations – parent–child relations, marriage, and care for the elderly – this article depicts the trends and conditions of historical change of these relationships. It also shows whether and how these changes are accompanied by conflict, and how people refer to the different ways of dealing with those conflicts. The article is based on empirical data from three thematically intertwined research projects.

Sociologus, 2014
Kerngebiet des sozialanthropologischen Interesses ist die Erforschung menschlicher Gruppen und ih... more Kerngebiet des sozialanthropologischen Interesses ist die Erforschung menschlicher Gruppen und ihrer sozialen Beziehungen. Dies trifft insbesondere auf die Verwandtschaftsforschung zu. Die Methode der teilnehmenden Beobachtung ist hierfur noch immer ein Werkzeug, das von zentraler Bedeutung ist. Sie hat dabei in den vergangenen Jahrzehnten durch intensive Fachdiskussionen uber die Writing Culture-Debatte, Intersubjektivitat der Ethnopsychoanalyse und ethnographische Autobiographie neue Akzente erhalten, die bislang selten zusammen gefuhrt wurden. Dieser Beitrag fragt anhand von empirischen Beispielen aus der Forschung zu verwandtschaftlichen Generationenbeziehungen in einem togoischen Dorf danach, in welcher Weise eine Forschung uber soziale Nahbeziehungen gestaltet werden kann und welche Erkenntnisse eine soziale Involvierung ins Feld ermoglichen konnen. Konzeptionelles Anliegen des Textes ist uber Begrifflichkeiten aus der Ethnopsychoanalyse zu einer neuen Form einer selbstreflexiven Forschung uber verwandtschaftliche Nahbeziehungen zu gelangen. Schlagworter: Verwandtschaftsforschung, Feldforschung, dichte Teilhabe, teilnehmende Beobachtung, Selbstreflexion, Togo

Generationen, 2009
Das Thema Generationen erlebt derzeitig in der Ethnologie Afrikas (und darüber hinaus) ene Renais... more Das Thema Generationen erlebt derzeitig in der Ethnologie Afrikas (und darüber hinaus) ene Renaissance. Nach langer Nicht-Beachtung erschienen in neuerer Zeit einige Sammelbände, die sich allerdings von den älteren Forschungen dadurch absetzten, dass sie sich kaum auf den "klassischen" verwandtschaftlichen Generationenbegriff stützen. Auch jener der Generation als Ordnungssystem wird kaum bedacht. Konjunktur hat vielmehr ein Ansatz, der Generation im Mannheimischen Sinne als Kohorte auffasst. Auf der Basis neuerer Fallstudien aus Afrika sowie einer kritischen Textlektüre diskutiert der Beitrag die verschiedenen Generationenkonzepte in der Ethnologie, die neueren wie älteren Texten implizit zugrunde liegen und plädiert für deren Intergration. Der Abwendung von älteren Generationenkonzepten liegt, so die vertretene These, eine stärkere Wahrnehmung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse zugrunde. Galt Generation früher als gesellschaftliches Ordnungsprinzip, das Beständigkeit und Kohäsion zu garantieren schien, so werden in neueren Arbeiten stärker der Bruch, sowie die Wandlungsfähigkeit von Gesellschaften betont, die sich in den einander ablösenden Generationen manifestieren. So liegt der beobachteten Ablösung älterer Generationenkonzepte in der Ethnologie eine stärkere Wahrnehmung der Dynamik und damit Historizität (afrikanischer) Gesellschaften und Generationen zugrunde.

Sociologus, 2014
Ethnologische Feldforschung als Methode ist untrennbar mit der Person des/der Forschenden verbund... more Ethnologische Feldforschung als Methode ist untrennbar mit der Person des/der Forschenden verbunden. Anders als andere Methoden der empirischen Sozialforschung ist sie in ihrer Umsetzung nicht ubertragbar. Ausgangsinteresse, Verlauf sowie Art und Weise der personlichen Einbindung wahrend der teilnehmenden Beobachtung sind hochst individuell. Diese sollen zwar zu nachvollziehbaren Ergebnissen fuhren, sind aber in ihrer Umsetzung stark an einzelne Besonderheiten des/der Forschenden gebunden. Wie also ist mit dieser Bedeutung des Personlichen im ethnologischen Feldforschungsprozess umzugehen? Im Folgenden werde ich zunachst nachzeichnen, wie bislang in der Ethnologie mit personlichen Faktoren im Forschungsprozess der teilnehmenden Beobachtung umgegangen wurde. Ausgehend von den allgemeinen Entwicklungen suche ich dabei nach Umgangsweisen in der deutschsprachigen Ethnologie. Mit diesem Fokus mochte ich die Diskussion uber die methodische Nutzbarmachung der eigenen Rolle im Feld auch im deutschsprachigen Raum weiter verankern.

IntroductionTo begin with some generalised observations, when talk is of the future, children and... more IntroductionTo begin with some generalised observations, when talk is of the future, children and youth never seem to be far off. Apparently, for a good reason. For how can we imagine the future without them? In common public discourses, it is often said that “children are our future”, but for generations, doubts have been expressed about whether “today’s youth” will be able and willing to creatively shape the future. This doubt is indicative of what society expects from children and young people: while they may be seen as carriers of political and economic achievements and the existing social order, they are, after all, the symbol of new horizons, change, and of a brighter and better future. However, such expectations are also often bound up with worries concerning the future prospects of children and young people. Perhaps this has always been so (Lindenau 2009: 9f). But the pace at which social, economic and political changes are currently taking place in the world, while bringing...
Familie, Bindungen und Fürsorge
Being a Parent in the Field, 2020
Avoidance is a modus to deal with conflict that is deeply embedded in Mongolian society. Exemplif... more Avoidance is a modus to deal with conflict that is deeply embedded in Mongolian society. Exemplified by empery this article shows how the behaviour of avoidance deals in the private as well as in local politics as strategy of action. Avoidance means in the district Zuunchangai Sum under the actual social, political and economic conditions a routine of conflict regulation. The case is made that avoidance as actual behaviour of the nomadic society in Mongolia is as a strategy to deal with conflicts of vital importance and embedded in a wide network of institutional patterns.
Uploads
Papers by Tabea Häberlein
political attention due to expanded schooling and, as a result, an
expanding number of unemployed educated youths who challenge
governments. While many studies have described young people in
Africa as being in a stage of ‘waithood’, this special issue looks at
decision-making processes in youths’ education. The articles, which are
mainly based on anthropological fieldwork, show how fears of ‘losing’
the future and ideas of ‘securing’ it guide decisions about young
people’s education. Economic, political, moral, gendered, and religious
factors are decisive in educational decision-making processes. Moreover,
the status and prestige attributed to various forms of education impact
those decisions. By looking beyond ideas of ‘proper’ education, which
often reduce it to public schooling, this issue gives insight into the
educational landscape in Africa and its connections to those of other
continents that shapes young people’s lives and futures.