Institut Philosophie

Was ist Transzendenz? In vielen Wissenschaften findet der Begriff heute seine Verwendung. Aber spricht man mit dem gleichen Begriff schon über dasselbe? Offenbar nicht oder, besser gesagt, nicht immer. Wie kann der Begriff Transzendenz einem oft geforderten interdisziplinären Diskurs dienen, wenn seine jeweilige Bestimmung – wie bisweilen deutlich wird – zumeist dunkel bleibt?
Andererseits: Wie oder woher ließe sich eine möglichst allgemeingültige Bestimmung der Transzendenz gewinnen? Oder ist es zureichend, wenn jede Wissenschaft „ihre“ Transzendenz so definiert, wie sie ihrer jeweiligen Forschungspragmatik am dienlichsten erscheint? Und was bedeutete dies für den oft geforderten und hin und wieder auch notwendigen interdisziplinären Diskurs? Zumindest die Philosophie gilt als eine Disziplin, die in der Lage sei, auch die ihr jeweils zugrunde liegenden forschungsleitenden Paradigmen mitzureflektieren. Wenn das stimmt, wäre gerade sie prädestiniert, mit einer reflektierten Begriffsanalyse die jeweiligen intern-wissenschaftspragmatischen Begriffsverwendungen auch für den interdisziplinären Diskurs zu öffnen und somit praktisch zugänglich zu machen.
Diese Arbeit versucht, dazu einen Beitrag zu leisten, indem sie auf eine deskriptiv-texthermeneutische Weise das Transzendenzverständnis zweier der bedeutendsten deutschsprachigen Philosophen – G. W. F. Hegel und Martin Heidegger – rekonstruiert. Dabei ergeben sich – besonders für ein Vorverständnis, das eher auf die Differenz der beiden Autoren setzt – überraschende Parallelen zwischen den beiden dargestellten Transzendenzkonzeptionen. Parallelen die die Hoffnung als berechtigt erscheinen lassen, früher oder später vielleicht doch ein gemeinsames und damit ein auch interdisziplinär anwendbares Transzendenzverständnis zu gewinnen.
Der Verfasser: Alexander Berg studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Psychologie in Dresden, Paris und Florenz.

Für eine Untersuchung zu der Frage „Was wusste Wittgenstein über Hegels Philosophie?“ zeigte sich die Schwierigkeit einer relativ schwachen Datenlage verbunden mit dem Wunsch aus diesem Wenigen möglichst viel historischen Sinn zu erzeugen. Wo verlaufen hier die methodischen Grenzen? Wenn Wittgenstein anmerkt: „Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten“ (VB: 483), hört er im deutschen Wort dichten sicherlich neben dem Aspekt des Poetischen auch denjenigen des Kreativen. Die Frage nach Wunsch und Wirklichkeit in der Wittgenstein-Forschung wird am konkreten Beispiel von Wittgensteins Russlandreise gezeigt und ermöglicht zugleich einen Einblick in Wittgensteins Interesse für russische Philosophie. Diese betont Polyphonie und Dialogizität bezogen auf die ursprüngliche mystische Einheit für die Glaube und Wissen sich nur nachträglich formell trennen lassen. Wittgenstein begegnet diesem Anspruch indem er die Philosophie als Projekt einer Synoptischen Übersicht kennzeichnet und ihre Tätigkeit als das Dringen auf eine übersichtliche Darstellung charakterisiert, die zugleich ihre methodischen Grenzen zeigen muss.

Als Ludwig Wittgenstein 1911 in Cambridge zu studieren beginnt, verfügt er kaum über philosophische Vorkenntnisse. Alles, was er in der vergleichsweise kurzen Zeit bis zur Abfassung seines ersten eigenen philosophischen Hauptwerkes – des Tractatus – lernt, lernt er im Wesentlichen von Bertrand Russell in dessen Vorlesungen und den anschließenden persönlichen abendfüllenden philosophischen Diskussionen. Wie war es möglich, dass Wittgenstein trotzdem – schon im Tractatus und noch mehr im Spätwerk – ein derart eigenständiges, von Russells Philosophie emanzipiertes Denken entwickeln konnte?
Die Antwort auf diese Frage wird anhand des Streits um das concrete universal – einer in der Zeit um Wittgensteins Ankunft in Cambridge heiß diskutierten Auseinandersetzung – rekonstruiert und bis auf Hegel zurückverfolgt.

Vom Wissen zum Denken – Wittgensteins Dialektische Methode am Beispiel der Seminarnotizen G. E. Moores

In den Arbeiten zu Wittgenstein wird regelmäßig versucht, an den philosophischen Gegenständen und Argumenten die Wittgenstein diskutiert, festzumachen, worin dessen Philosophie besteht. Durch die Untersuchung der konkreten Umstände seines Denkens und deren Genese in den Institutionen der Cambridge Apostel, im Moral Science Club und in den persönlichen Gesprächen mit Russell, Moore und anderen, wird deutlich, wie diese philosophischen Inhalte Wittgensteins Denken erreichten.
Damit eröffnet sich die Möglichkeit umgekehrt einmal zu versuchen, nicht mehr die philosophischen Gegenstände als Inhalte, sondern die besondere Form die Wittgenstein diesen Inhalten gibt oder in der er die philosophischen Gegenstände aufeinander bezieht, als das Genuine und Eigentümliche seines Denkens zu verstehen.
Mit Hilfe der Seminarnotizen G. E. Moores aus den frühen 1930-er Jahren werden im Folgenden historische und systematische Verbindungen von den auf Aristoteles zurückgehenden scholastischen Disputationen bis zu Wittgensteins eigenen Diskussionsseminaren aufgezeigt; und es wird weiter dafür argumentiert, die dialektische Form dieser Disputationen in einer ebenso dialektischen Form des Wittgenstein’schen Denkens wiederzuerkennen.

In seinen Memoiren erinnert sich Theodore Redpath an ein Gespräch mit Ludwig Wittgenstein über die Philosophie G. W. F. Hegels. Wittgenstein erzählt Redpath, dass er kaum etwas von Hegel gelesen hatte, jedoch nach diesem Wenigen zu urteilen, denke, Hegel „habe eine gute Nase“. Er zeigt sich besonders beeindruckt von Hegels Ablehnung des ‚Satzes vom Widerspruch‘ und Redpath verbindet diese Bemerkung Wittgensteins mit dessen Interesse für Paradoxien.
Im Vortrag wird die Frage erörtert, inwieweit bei Hegel von einer „Ablehnung des sogenannten Satzes vom Widerspruch“ gesprochen werden kann und wie das Hegel’sche Verständnis des Widerspruchs mit demjenigen Wittgensteins zusammenhängt. Dafür wird die Geschichte des Widerspruches im Hegel’schen Denken über seine wesentlichen Stationen erzählt, beginnend mit der Habilitationsthese von 1801, wo er als „contradictio est regula veri, non contradictio falsi“ über sein Moment der bestimmten Negation zum umfassenden Strukturbegriff des Denkens avanciert, und endend mit der Wissenschaft der Logik um 1831, wo der Widerspruch als wesenslogischer Reflexionsbegriff seine Verortung in der Sphäre der Vermittlung vom Seyn (in der Lehre vom Sein) zum Insichseyn des Begriffs (in der Lehre vom Begriff) erfährt.
Dieser Hegel’schen Geschichte des Widerspruch wird ein Wittgenstein’scher Widerspruch gegenübergestellt, der in seinem frühen episthemischen Stadium im Traktat noch als transzendental gedacht ist und deshalb von einigen Autoren als „sprachliche Version des transzendentalen Idealismus“ interpretiert wird und im Spätwert sein operatives Stadium findet, in dem der Widerspruch nur noch durch die jeweils konkreten Gebrauchssituationen in seinem nur je vorläufigen Wesen bestimmt ist.

Einem von Wittgenstein selbst vorgeschlagenen Lexikon-Eintrag zufolge hat dieser seine Beschäftigung mit den Grundlagen der Mathematik als dasjenige betrachtet, was die philosophische Nachwelt über sein Denken zu wissen braucht. In den Vorlesungen über die Grundlagen der Mathematik von 1939 untersucht Wittgenstein wiederum, was genau er als das Wesentliche dieser Beschäftigung betrachtet. Dabei stellt sich heraus, dass es Wittgenstein um eine Betonung der Unterschiede bzw. Differenzen beim Umgang mit (mathematischen) Begriffen geht, welche er besonders einem Einheits- oder Identitätsdenken der Begriffe gegenüberstellt.
Die Charakterisierung dieses Gegensatzes erinnert in ihrer Struktur stark an eine weitere Überlegung Wittgensteins, in welcher er etwas später ebenfalls sein Denken über seine Differenzierungsbemühungen charakterisiert – nur erfolgt in diesem Fall die Abgrenzung seiner Differenzphilosophie gegen eine Identitätsphilosophie G. W. F. Hegels.
Die folgende Untersuchung versucht zu klären, auf welche Weise Wittgenstein ursprünglich zu diesen Überlegungen gekommen ist und darauf aufbauend, was sie vor dem Hintergrund seines eigenen Philosophie-Verständnisses bedeuten.

We can say with some certainty that Wittgenstein never read any of Hegel’s works, yet he was able to talk about Hegel and even at several points to describe the relation between his own philosophy and that of Hegel. In this chapter, I present two major moments in Wittgenstein’s philosophical career where he was explicitly taught about Hegel’s philosophy, and attempt to evaluate Wittgenstein’s statements about Hegel and what they show about the influence Wittgenstein’s knowledge of Hegel may have had on his own philosophy.

Wittgenstein als Schüler Bertrand Russells und Friedrich Schiller als Schüler Immanuel Kants nutzen für ihre theoretischen Schriften kaum meta-theoretische Strukturbegriffe. Eine Ausnahme, in der sich beide Autoren philosophisch treffen, bildet der Begriff des Spiels. Das Spiel übernimmt hier je-weils die Aufgabe einen Ausweg aufzuzeigen, aus erstarrt-ernsthaften Theoriebildungen der Philosophie in das Flüssig-Lebendige menschlicher Praxis. Das Spiel mit dem es bei Wittgenstein und Schiller Ernst wird, steht so für einen philosophischen Strukturbegriff der seine eigene Überwindung und Aufhebung als theoretischer Begriff enthält. Im Folgenden wird die Geschichte des Spiels erzählt, zugleich als eine Überwindung der ernsthaft-philosophischen Überlegungen Russells und Kants und als Aufhebung der Geschichte des philosophischen Ernstes im ernsten Spiel durch Wittgenstein und Schiller. "Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." Friedrich Schiller 1795