Papers by Robert Meißner

Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft nachhaltig und gravierend, weshalb zu Recht von ei... more Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft nachhaltig und gravierend, weshalb zu Recht von einer gerade stattfindenden digitalen Revolution gesprochen wird. Dies betrifft auch – und das sogar in besonderem Maße – die Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern, wobei hier Soziale Medien, wie Instagram, TikTok und WhatsApp, einen zentralen Stellenwert einnehmen.
Sie werden nahezu von allen genutzt und das häufig in einem geradezu exzessiven Maße. Dadurch nehmen sie einen signifikanten Einfluss sowohl auf die Kommunikation untereinander als auch auf die Wahrnehmung der Welt sowie die Auseinandersetzung mit dieser.
Der Aufsatz zeigt, dass Soziale Medien damit zu einer maßgeblichen Sozialisationsdeterminante geworden sind, deren Wirkung noch nicht im ausreichenden Maße erfasst und berücksichtigt wird. Sie sind letztlich als Teil einer neuen Ausprägung des Kapitalismus – des Überwachungskapitalismus – zu betrachten, deren Vertreter, wie etwa Facebook oder Google, nie dagewesene Profite durch die Schöpfung und Analyse von Nutzerdaten sowie die darauf aufbauende Modi-fikation des Verhaltens der Nutzer erzielen. Hierbei werden psychologische Techniken angewandt, die unter anderem darauf abzielen, die Nutzer nicht nur zu einer möglichst häufigen und langen Interaktion mit Sozialen Medien zu verführen, sondern auch um deren Verhalten zu konditionieren.
Hierauf aufbauend, wird die These aufgestellt, dass Schülerinnen und Schüler somit vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden, die in dieser Dimension noch nicht ausreichend im medienethischen und medienpädagogischen Diskurs bearbeitet werden. Diese Herausforderungen haben aber gleichsam nachteilige bis hin zu schädigenden Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen, die somit als vulnerable Gruppe der Digitalisierung bezeichnet werden können.
Damit wird verdeutlicht, dass es dringend einer vertieften philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema Soziale Medien bedarf, um die Schülerinnen und Schüler zu einer reflektierten, vernunftgeleiteten und damit emanzipierten Selbstverortung in und Interaktion mit der digitalisierten Welt zu befähigen.
Der Text stellt einen ersten Ansatz zur phänomenologischen Analyse der Auswirkungen der Moderne a... more Der Text stellt einen ersten Ansatz zur phänomenologischen Analyse der Auswirkungen der Moderne auf den Menschen dar, aufbauend auf Günther Anders‘ Untersuchung der Seele des Menschen in der zweiten und dritten industriellen Revolution, die er in "Die Antiquiertheit des Menschen" vorgenommen hat.
Düsseldorf, 02. Januar 2013
Conference Presentations by Robert Meißner

Phänomenologie der digitalen Welt. Frühlingsschule der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung (DGPF), 2022
In diesem Aufsatz werden die Methoden und Konzepte von Günther Anders‘ Technikphilosophie auf das... more In diesem Aufsatz werden die Methoden und Konzepte von Günther Anders‘ Technikphilosophie auf das Phänomen der Digitalisierung angewandt, um so das Potenzial des andersschen Denkens für eine kritische Phänomenologie der digitalen Revolution zu verdeutlichen.
Hierfür wird zunächst in die phänomenologische Methode von Anders, die sogenannte Gelegenheitsphilosophie, eingeführt, um ihren Nutzen für eine solche Untersuchung zu erläutern. Dann werden erste Ergebnisse einer Analyse digitaler Phänomene vor- und zur Diskussion gestellt. Dabei wird das Verhältnis des Individuums zu den von ihm genutzten digitalen Technologien analysiert. Ausgangspunkt ist einerseits Anders‘ negative Anthropologie sowie der ihr inhärente Freiheitsbegriff, in dem diese zum pathologischen Zustand verkommt, andererseits die prometheische Scham. Digitale Technologien zeigen sich so weniger als Werkzeug, sondern vielmehr als übergeordnete innerpsychische Instanz, die ihren Nutzer in einen Zustand der Überforderung führt. Hierdurch offenbart sich nicht nur eine Strukturierung und Durchdringung der Lebenswelt durch digitale Technologien, sondern auch der menschlichen Psyche.
Schlagworte:
Ethik der Digitalisierung, Philosophie der Digitalisierung, Technikphilosophie, Digitale Revolution, Kritische Theorie
Summary
This paper applies the methods and concepts of Günther Anders' philosophy of technology to the phenomenon of Digital Revolution. In doing so, the potential of Anders' thinking for a critical phenomenology of the digital world is clarified.
For this purpose, Anders' phenomenological method, the so-called occasional philosophy, is first introduced in order to explain its usefulness for such an investigation. Then, first results of an analysis of digital phenomena will be presented and discussed. In doing so, the relationship of the individual to the digital technologies he or she uses is analyzed. The starting point is on the one hand Anders' negative anthropology as well as the concept of freedom inherent in it, in which this degenerates into a pathological state, and on the other hand the so called “Promethean shame”. Digital technologies show themselves less as a tool, but rather as a superior inner-psychic instance, which leads its user into a state of excessive demand. This reveals not only a structuring and penetration of the living world by digital technologies, but also of the human psyche.

Im Jahr 1999 kam es in einem Interview des BBC-Journalisten Jeremy Paxman mit dem Musiker David B... more Im Jahr 1999 kam es in einem Interview des BBC-Journalisten Jeremy Paxman mit dem Musiker David Bowie zu folgendem Dialog über die Bedeutung des Internets:
„Bowie:
I don’t think we have even seen the tip of the iceberg. I think the potential of what the internet is going to do to society, both good and bad, is unimaginable. I think we're actually on the cusp of something accelerating and terrifying.
Paxman:
It’s just a tool though, isn’t it?
Bowie:
No it’s not, no. It’s an alien lifeform, just landed.”
Dieser Vortrag verdeutlicht, wie recht David Bowie hatte und es wird gleichzeitig dargelegt, welches Potenzial die Technikphilosophie von Günther Anders für die Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Menschen und sein Selbstverständnis hat.
Die zentrale These dabei lautet, dass das Verhältnis von Mensch und Technik, beschleunigt durch die Digitalisierung und das Internet als zentrale Technologie, ein gänzlich anderes ist, als gemeinhin angenommen.
Technik ist längst kein Werkzeug mehr, das dem Menschen für konkrete Zwecke dient. Vielmehr ist sie eine Manifestation des menschlichen Wunsches nach absoluter Freiheit und Perfektion.
Als innerpsychische Instanz drängt sie den Menschen dazu, sich an deren Leistungsfähigkeit anzupassen, was durch den exponentiellen Fortschritt der Technik zwangsläufig und zunehmend zu einem Zustand der permanenten Überforderung, der sukzessiven Entmündigung und schließlich der Selbstverleumdung führt.
Technik ist, um auf David Bowie zurückzukommen, zu einem Geschöpf geworden, das seinem Schöpfer nicht länger dient – im Gegenteil. Die Rollen von Creator und Creatum scheinen vertauscht.

Günther Anders ist dem fachkundigen Publikum vor allem durch sein aus den 1950er Jahren stammende... more Günther Anders ist dem fachkundigen Publikum vor allem durch sein aus den 1950er Jahren stammendes, zentrales Werk „Die Antiquiertheit des Menschen – Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution“ bekannt. Dem außerfachlichen Publikum war er, wenn überhaupt, nicht durch dieses Werk im Gedächtnis verhaftet, sondern vielmehr durch seine hieraus abgeleitete Kritik an der Atombombe, die er im Anschluss in verschiedenen Schriften konkretisierte und die – dem Zeitgeist entsprechend – ein durchaus starkes öffentliches Echo
hervorrief.
Allenthalben weniger bekannt ist, dass die Grundlage der andersschen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Menschen zu der von ihm geschaffenen Technik eine eigene Anthropologie bildet, die er in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte. Somit steht er zeitlich in einer Reihe mit den Vertretern der sogenannten modernen philosophischen
Anthropologie wie zum Beispiel Max Scheler, Ernst Cassirer, Helmut Plessner oder Arnold
Gehlen. Wie Scheler und Plessner studierte Anders bei Edmund Husserl und wurde von ihm, wie auch von Martin Heidegger, bei dem er ebenfalls studierte, beeinflusst.
Das zentrale Element der Anthropologie von Anders ist dessen Verständnis der menschlichen Freiheit. Diese ist in der sogenannten Weltfremdheit des Menschen begründet. Während das Tier mit seiner Umwelt regelrecht verwachsen ist, ist der Mensch in der Lage, diese Umwelt aus einer Distanz zu betrachten, sie zu verändern und zu formen. Er ist in seiner Umwelt und gleichzeitig außerhalb von ihr. Hierdurch ist er auf keine spezifische Lebensweise angewiesen, er ist frei in der Bestimmung seiner Identität und der Gestaltung seiner Umwelt. Der Mensch erfährt allerdings, dass er durch verschiedene Faktoren bestimmt wird. Hieraus resultiert ein sogenannter Schock der Kontingenz, der für Anders entweder in einem zwar zufriedenen, aber
letztlich unfreien Leben als geschichtlicher Mensch oder in einem Leben als rastloser, letztlich zur Selbstzerstörung verdammter nihilistischer Mensch mündet.
Der Vortrag stellt die argumentative Entfaltung der andersschen Anthropologie hin zu ihrer zentralen These dar und gibt abschließend einen Ausblick auf die sich hieraus entwickelnde Technikphilosophie von Günther Anders.
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Papers by Robert Meißner
Sie werden nahezu von allen genutzt und das häufig in einem geradezu exzessiven Maße. Dadurch nehmen sie einen signifikanten Einfluss sowohl auf die Kommunikation untereinander als auch auf die Wahrnehmung der Welt sowie die Auseinandersetzung mit dieser.
Der Aufsatz zeigt, dass Soziale Medien damit zu einer maßgeblichen Sozialisationsdeterminante geworden sind, deren Wirkung noch nicht im ausreichenden Maße erfasst und berücksichtigt wird. Sie sind letztlich als Teil einer neuen Ausprägung des Kapitalismus – des Überwachungskapitalismus – zu betrachten, deren Vertreter, wie etwa Facebook oder Google, nie dagewesene Profite durch die Schöpfung und Analyse von Nutzerdaten sowie die darauf aufbauende Modi-fikation des Verhaltens der Nutzer erzielen. Hierbei werden psychologische Techniken angewandt, die unter anderem darauf abzielen, die Nutzer nicht nur zu einer möglichst häufigen und langen Interaktion mit Sozialen Medien zu verführen, sondern auch um deren Verhalten zu konditionieren.
Hierauf aufbauend, wird die These aufgestellt, dass Schülerinnen und Schüler somit vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden, die in dieser Dimension noch nicht ausreichend im medienethischen und medienpädagogischen Diskurs bearbeitet werden. Diese Herausforderungen haben aber gleichsam nachteilige bis hin zu schädigenden Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen, die somit als vulnerable Gruppe der Digitalisierung bezeichnet werden können.
Damit wird verdeutlicht, dass es dringend einer vertieften philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema Soziale Medien bedarf, um die Schülerinnen und Schüler zu einer reflektierten, vernunftgeleiteten und damit emanzipierten Selbstverortung in und Interaktion mit der digitalisierten Welt zu befähigen.
Conference Presentations by Robert Meißner
Hierfür wird zunächst in die phänomenologische Methode von Anders, die sogenannte Gelegenheitsphilosophie, eingeführt, um ihren Nutzen für eine solche Untersuchung zu erläutern. Dann werden erste Ergebnisse einer Analyse digitaler Phänomene vor- und zur Diskussion gestellt. Dabei wird das Verhältnis des Individuums zu den von ihm genutzten digitalen Technologien analysiert. Ausgangspunkt ist einerseits Anders‘ negative Anthropologie sowie der ihr inhärente Freiheitsbegriff, in dem diese zum pathologischen Zustand verkommt, andererseits die prometheische Scham. Digitale Technologien zeigen sich so weniger als Werkzeug, sondern vielmehr als übergeordnete innerpsychische Instanz, die ihren Nutzer in einen Zustand der Überforderung führt. Hierdurch offenbart sich nicht nur eine Strukturierung und Durchdringung der Lebenswelt durch digitale Technologien, sondern auch der menschlichen Psyche.
Schlagworte:
Ethik der Digitalisierung, Philosophie der Digitalisierung, Technikphilosophie, Digitale Revolution, Kritische Theorie
Summary
This paper applies the methods and concepts of Günther Anders' philosophy of technology to the phenomenon of Digital Revolution. In doing so, the potential of Anders' thinking for a critical phenomenology of the digital world is clarified.
For this purpose, Anders' phenomenological method, the so-called occasional philosophy, is first introduced in order to explain its usefulness for such an investigation. Then, first results of an analysis of digital phenomena will be presented and discussed. In doing so, the relationship of the individual to the digital technologies he or she uses is analyzed. The starting point is on the one hand Anders' negative anthropology as well as the concept of freedom inherent in it, in which this degenerates into a pathological state, and on the other hand the so called “Promethean shame”. Digital technologies show themselves less as a tool, but rather as a superior inner-psychic instance, which leads its user into a state of excessive demand. This reveals not only a structuring and penetration of the living world by digital technologies, but also of the human psyche.
„Bowie:
I don’t think we have even seen the tip of the iceberg. I think the potential of what the internet is going to do to society, both good and bad, is unimaginable. I think we're actually on the cusp of something accelerating and terrifying.
Paxman:
It’s just a tool though, isn’t it?
Bowie:
No it’s not, no. It’s an alien lifeform, just landed.”
Dieser Vortrag verdeutlicht, wie recht David Bowie hatte und es wird gleichzeitig dargelegt, welches Potenzial die Technikphilosophie von Günther Anders für die Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Menschen und sein Selbstverständnis hat.
Die zentrale These dabei lautet, dass das Verhältnis von Mensch und Technik, beschleunigt durch die Digitalisierung und das Internet als zentrale Technologie, ein gänzlich anderes ist, als gemeinhin angenommen.
Technik ist längst kein Werkzeug mehr, das dem Menschen für konkrete Zwecke dient. Vielmehr ist sie eine Manifestation des menschlichen Wunsches nach absoluter Freiheit und Perfektion.
Als innerpsychische Instanz drängt sie den Menschen dazu, sich an deren Leistungsfähigkeit anzupassen, was durch den exponentiellen Fortschritt der Technik zwangsläufig und zunehmend zu einem Zustand der permanenten Überforderung, der sukzessiven Entmündigung und schließlich der Selbstverleumdung führt.
Technik ist, um auf David Bowie zurückzukommen, zu einem Geschöpf geworden, das seinem Schöpfer nicht länger dient – im Gegenteil. Die Rollen von Creator und Creatum scheinen vertauscht.
hervorrief.
Allenthalben weniger bekannt ist, dass die Grundlage der andersschen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Menschen zu der von ihm geschaffenen Technik eine eigene Anthropologie bildet, die er in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte. Somit steht er zeitlich in einer Reihe mit den Vertretern der sogenannten modernen philosophischen
Anthropologie wie zum Beispiel Max Scheler, Ernst Cassirer, Helmut Plessner oder Arnold
Gehlen. Wie Scheler und Plessner studierte Anders bei Edmund Husserl und wurde von ihm, wie auch von Martin Heidegger, bei dem er ebenfalls studierte, beeinflusst.
Das zentrale Element der Anthropologie von Anders ist dessen Verständnis der menschlichen Freiheit. Diese ist in der sogenannten Weltfremdheit des Menschen begründet. Während das Tier mit seiner Umwelt regelrecht verwachsen ist, ist der Mensch in der Lage, diese Umwelt aus einer Distanz zu betrachten, sie zu verändern und zu formen. Er ist in seiner Umwelt und gleichzeitig außerhalb von ihr. Hierdurch ist er auf keine spezifische Lebensweise angewiesen, er ist frei in der Bestimmung seiner Identität und der Gestaltung seiner Umwelt. Der Mensch erfährt allerdings, dass er durch verschiedene Faktoren bestimmt wird. Hieraus resultiert ein sogenannter Schock der Kontingenz, der für Anders entweder in einem zwar zufriedenen, aber
letztlich unfreien Leben als geschichtlicher Mensch oder in einem Leben als rastloser, letztlich zur Selbstzerstörung verdammter nihilistischer Mensch mündet.
Der Vortrag stellt die argumentative Entfaltung der andersschen Anthropologie hin zu ihrer zentralen These dar und gibt abschließend einen Ausblick auf die sich hieraus entwickelnde Technikphilosophie von Günther Anders.
Sie werden nahezu von allen genutzt und das häufig in einem geradezu exzessiven Maße. Dadurch nehmen sie einen signifikanten Einfluss sowohl auf die Kommunikation untereinander als auch auf die Wahrnehmung der Welt sowie die Auseinandersetzung mit dieser.
Der Aufsatz zeigt, dass Soziale Medien damit zu einer maßgeblichen Sozialisationsdeterminante geworden sind, deren Wirkung noch nicht im ausreichenden Maße erfasst und berücksichtigt wird. Sie sind letztlich als Teil einer neuen Ausprägung des Kapitalismus – des Überwachungskapitalismus – zu betrachten, deren Vertreter, wie etwa Facebook oder Google, nie dagewesene Profite durch die Schöpfung und Analyse von Nutzerdaten sowie die darauf aufbauende Modi-fikation des Verhaltens der Nutzer erzielen. Hierbei werden psychologische Techniken angewandt, die unter anderem darauf abzielen, die Nutzer nicht nur zu einer möglichst häufigen und langen Interaktion mit Sozialen Medien zu verführen, sondern auch um deren Verhalten zu konditionieren.
Hierauf aufbauend, wird die These aufgestellt, dass Schülerinnen und Schüler somit vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden, die in dieser Dimension noch nicht ausreichend im medienethischen und medienpädagogischen Diskurs bearbeitet werden. Diese Herausforderungen haben aber gleichsam nachteilige bis hin zu schädigenden Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsbiografie von Kindern und Jugendlichen, die somit als vulnerable Gruppe der Digitalisierung bezeichnet werden können.
Damit wird verdeutlicht, dass es dringend einer vertieften philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema Soziale Medien bedarf, um die Schülerinnen und Schüler zu einer reflektierten, vernunftgeleiteten und damit emanzipierten Selbstverortung in und Interaktion mit der digitalisierten Welt zu befähigen.
Hierfür wird zunächst in die phänomenologische Methode von Anders, die sogenannte Gelegenheitsphilosophie, eingeführt, um ihren Nutzen für eine solche Untersuchung zu erläutern. Dann werden erste Ergebnisse einer Analyse digitaler Phänomene vor- und zur Diskussion gestellt. Dabei wird das Verhältnis des Individuums zu den von ihm genutzten digitalen Technologien analysiert. Ausgangspunkt ist einerseits Anders‘ negative Anthropologie sowie der ihr inhärente Freiheitsbegriff, in dem diese zum pathologischen Zustand verkommt, andererseits die prometheische Scham. Digitale Technologien zeigen sich so weniger als Werkzeug, sondern vielmehr als übergeordnete innerpsychische Instanz, die ihren Nutzer in einen Zustand der Überforderung führt. Hierdurch offenbart sich nicht nur eine Strukturierung und Durchdringung der Lebenswelt durch digitale Technologien, sondern auch der menschlichen Psyche.
Schlagworte:
Ethik der Digitalisierung, Philosophie der Digitalisierung, Technikphilosophie, Digitale Revolution, Kritische Theorie
Summary
This paper applies the methods and concepts of Günther Anders' philosophy of technology to the phenomenon of Digital Revolution. In doing so, the potential of Anders' thinking for a critical phenomenology of the digital world is clarified.
For this purpose, Anders' phenomenological method, the so-called occasional philosophy, is first introduced in order to explain its usefulness for such an investigation. Then, first results of an analysis of digital phenomena will be presented and discussed. In doing so, the relationship of the individual to the digital technologies he or she uses is analyzed. The starting point is on the one hand Anders' negative anthropology as well as the concept of freedom inherent in it, in which this degenerates into a pathological state, and on the other hand the so called “Promethean shame”. Digital technologies show themselves less as a tool, but rather as a superior inner-psychic instance, which leads its user into a state of excessive demand. This reveals not only a structuring and penetration of the living world by digital technologies, but also of the human psyche.
„Bowie:
I don’t think we have even seen the tip of the iceberg. I think the potential of what the internet is going to do to society, both good and bad, is unimaginable. I think we're actually on the cusp of something accelerating and terrifying.
Paxman:
It’s just a tool though, isn’t it?
Bowie:
No it’s not, no. It’s an alien lifeform, just landed.”
Dieser Vortrag verdeutlicht, wie recht David Bowie hatte und es wird gleichzeitig dargelegt, welches Potenzial die Technikphilosophie von Günther Anders für die Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf den Menschen und sein Selbstverständnis hat.
Die zentrale These dabei lautet, dass das Verhältnis von Mensch und Technik, beschleunigt durch die Digitalisierung und das Internet als zentrale Technologie, ein gänzlich anderes ist, als gemeinhin angenommen.
Technik ist längst kein Werkzeug mehr, das dem Menschen für konkrete Zwecke dient. Vielmehr ist sie eine Manifestation des menschlichen Wunsches nach absoluter Freiheit und Perfektion.
Als innerpsychische Instanz drängt sie den Menschen dazu, sich an deren Leistungsfähigkeit anzupassen, was durch den exponentiellen Fortschritt der Technik zwangsläufig und zunehmend zu einem Zustand der permanenten Überforderung, der sukzessiven Entmündigung und schließlich der Selbstverleumdung führt.
Technik ist, um auf David Bowie zurückzukommen, zu einem Geschöpf geworden, das seinem Schöpfer nicht länger dient – im Gegenteil. Die Rollen von Creator und Creatum scheinen vertauscht.
hervorrief.
Allenthalben weniger bekannt ist, dass die Grundlage der andersschen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Menschen zu der von ihm geschaffenen Technik eine eigene Anthropologie bildet, die er in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte. Somit steht er zeitlich in einer Reihe mit den Vertretern der sogenannten modernen philosophischen
Anthropologie wie zum Beispiel Max Scheler, Ernst Cassirer, Helmut Plessner oder Arnold
Gehlen. Wie Scheler und Plessner studierte Anders bei Edmund Husserl und wurde von ihm, wie auch von Martin Heidegger, bei dem er ebenfalls studierte, beeinflusst.
Das zentrale Element der Anthropologie von Anders ist dessen Verständnis der menschlichen Freiheit. Diese ist in der sogenannten Weltfremdheit des Menschen begründet. Während das Tier mit seiner Umwelt regelrecht verwachsen ist, ist der Mensch in der Lage, diese Umwelt aus einer Distanz zu betrachten, sie zu verändern und zu formen. Er ist in seiner Umwelt und gleichzeitig außerhalb von ihr. Hierdurch ist er auf keine spezifische Lebensweise angewiesen, er ist frei in der Bestimmung seiner Identität und der Gestaltung seiner Umwelt. Der Mensch erfährt allerdings, dass er durch verschiedene Faktoren bestimmt wird. Hieraus resultiert ein sogenannter Schock der Kontingenz, der für Anders entweder in einem zwar zufriedenen, aber
letztlich unfreien Leben als geschichtlicher Mensch oder in einem Leben als rastloser, letztlich zur Selbstzerstörung verdammter nihilistischer Mensch mündet.
Der Vortrag stellt die argumentative Entfaltung der andersschen Anthropologie hin zu ihrer zentralen These dar und gibt abschließend einen Ausblick auf die sich hieraus entwickelnde Technikphilosophie von Günther Anders.