Papers by Wolfgang Bunzel

Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Oftmals lassen sich nur Spekulationen darüber anstellen, warum ein Autor eine bestimmte Textsorte... more Oftmals lassen sich nur Spekulationen darüber anstellen, warum ein Autor eine bestimmte Textsorte ignoriert oder deren Gebrauch verweigert. Wenn aber die auktoriale Kreation eines neuen Vertextungsmusters als expliziter oder impliziter Gegenentwurf zu einem bereits bestehenden Muster fungiert und zu diesem in Konkurrenz tritt, besteht ein eindeutiger Bezug zum Negierten, welcher die Struktur einer Antwort hat. Ein derartiges negatives Responsionsverhältnis charakterisiert die vielleicht wichtigste, in jedem Fall aber spektakulärste lyrische Innovationsleistung des deutschsprachigen fin de siecle. Arno Holz' >Erfindung< des modernen Mittelachsengedichts nämlich resultiert beileibe nicht nur aus dem Impuls, eine »Revolution der Lyrik« (so der Titel einer seiner poetologischen Schriften aus dem Jahr 1899) einzuleiten; sie definiert sich zugleich auch über die Zielsetzung, das als fundamentalen Angriff auf die Grundlagen der Versdichtung verstandene Gattungsmodell des Prosagedichts ein für alle Mal aus dem Zuständigkeitsbereich der Lyrik auszuschließen. 1 Wohl wissend, daß er sich mit der von ihm vorgeschlagenen Neuerung auf dem Gebiet der Textpräsentation gegen starke, durch kulturell eingeschliffene Rezeptionsgewohnheiten bedingte Widerstände zu behaupten hatte, entwarf der Autor zur Legitimierung seines Vorgehens ein theoretisches Stützgerüst, das-genau betrachtet-ein überaus ehrgeiziges Ziel verfolgt: die Schaffung einer postprosodischen Poetik. Mit seinen Überlegungen knüpft er dabei direkt an die Thesen Max Halbes zur Situation der Versdichtung an, gelangt aber-auch wenn die Zustandsdiagnose beider weitgehend übereinstimmt-zu gegensätzlichen Schlußfolgerungen. Es verwundert denn auch nicht, daß er im Januar 1891 als Redakteur der Freie» Bühne fiir modernes Leben den Abdruck von Halbes Aufsatz Lyrik? verweigert hat, 2 der ja gerade die »Prosaform [...] als das lyrische Zukunftsideal« 3 postulierte. Fülleboms Ansicht, »daß Holz Vers-und Prosalyrik so eng zusammengeführt hat wie kein anderer«, zeugt dagegen von einem völligen Unverständnis der Poetik dieses Autors; Deutsche Prosagedichte vom 18. Jahrhundert bis zur letzten Jahrhundertwende, S. 276. 2 Vgl. Kapitel III/2. 3 Walter Hettche: Max Halbes Berliner Anfänge, S. 63. Die Frage: »Hatten meine Freunde, die den Vers für die überwundene Form einer überwundenen Epoche erklärten, recht?« (W X, S. 20), die Holz in seiner ersten poetologischen Abhandlung Die Kunst. Ihr Wesen und ihn Holz erklärt deshalb mit radikaler Geste alle »überlieferten Kunstmittel« (W X, S. 498) wie Metrum 4 , »Reim, Strophe, Parallelismus, Alliteration und Assonanz« (W X, S. 510) für obsolet. Doch auch die freirhythmische Dichtung kann nach seiner Einschätzung keine uniimitierte literarische Ausdrucksfreiheit gewährleisten, weil sie auf Grund ihrer Gattungstradition an stilistische und rhetorische Konventionen gebunden ist. Ihre Lexik etwa sei, wie einschlägige Gedichte von Goethe oder Heine zeigten, generell auf »Pathos« (W X, S. 501) gestimmt. Damit aber werde zwangsläufig »ein vorgefaßtes Klangschema« (W X, S. 493) erzeugt, das die scheinbar freien Rhythmen letztlich zu einem »Konglomerat von metrischen Reminiszenzen« (W X, S. 537) mache. Und dort, wo das Versgedicht sich seines >poetischen< Charakters vollständig entschlage, werde die Lyrik als eigenständiger sprachlicher Modus insgesamt suspendiert. 5 Gesetze (1891) aufwirft, ist denn auch als direkter Reflex auf die Herausforderung durch Halbes Thesen zu werten. Der Autor ist sich dabei der Tragweite seines Handelns wohlbewußt, sieht er doch »jede Wortkunst, von frühester Urzeit bis auf unsere Tage«, »auf Metrik« als »letztem, riefstuntersten Formprinzip [...] gegründet« (W X, S. 472). Liliencrons freirhythmische Texte beispielsweise erscheinen Holz als »reine Prosa« (W X, S. 619). So kommt ihm das Versgedicht Betrunken (Erstdruck 1892) »wie der Anfang einer Skizze« vor: »Stelle ich mir vollends auch noch die Schreibweise [gemeint ist offenbar: das 70 Ebd., S. 44. 71 Vgl. hierzu Kapitel III/8. Karl [sie] Busse: Die moderne Bewegung in der deutschen Literatur, S. 858. 73 Viktor Zmegac: Kunst und Ideologie in der Gattungspoetik der Jahrhundertwende [1980], S. 90. 74 Ebd.
Literatur in Bayern, H. 39, 1995
Das deutschsprachige Prosagedicht, 2021
Nach den emphatischen Projekten romantischer Gattungsmischung 2 und der im Vormärz als Reaktion a... more Nach den emphatischen Projekten romantischer Gattungsmischung 2 und der im Vormärz als Reaktion auf die Aporien der Autonomieästhetik erfolgten »Rehabilitierung der literarischen >Zweckformen«< 3 war es im Zeitraum zwischen 1850 und 1880 in Deutschland zu einer beinahe vollständigen Rücknahme der bis dahin erreichten Ausweitung des Gattungssystems gekommen. Unter legitimierendem Verweis auf die geschichtsphilosophisch grundierte Asthetiktheorie des Idealismus, die im 19. Jahrhundert-popularisierend vergröbert-nachgerade ubiquitäre Verbreitung fand, 4 wurde das Spektrum literarischen Ausdrucks in fast allen Teilbereichen soweit
Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-krit... more Eine neuentdeckte Verssatire Clemens Brentanos aus dem Jahr 1815* I Auch wenn die historisch-kritische Frankfurter Brentano-Ausgabe in nahezu jedem ihrer Bände ungedruckte Texte des Autors enthält, kommt es doch nur sehr selten vor, dass ein bislang gänzlich unbekanntes Werk auftaucht. Ein solcher, durchaus spektakulär zu nennender Fund kann nun hier präsentiert werden. Im Zusammenhang der Arbeiten an Band 13,2 der Edition, der Dramen, Dramenfragmente und -pläne enthält, 1 ist es nämlich gelungen, die anonym, ohne Jahreszahl und mit bewusst irreführender Ortsangabe erschienene Verssatire ›Das Maifeld von St. Helena‹ zweifelsfrei Clemens Brentano zuzuschreiben.

In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 2018, 2018
Versöhnung als Diskursstrategie Goethes Aufsatz ›Klassiker und Romantiker in Italien‹ im Kontext ... more Versöhnung als Diskursstrategie Goethes Aufsatz ›Klassiker und Romantiker in Italien‹ im Kontext der Zeitschrift ›Ueber Kunst und Alterthum‹* »Man kann Niemand zwingen, die Alten für klassisch zu halten« (Friedrich Schlegel) 1 Der 1820 im zweiten Heft des zweiten Bandes von ›Ueber Kunst und Alter thum‹ erschienene Aufsatz ›Klassiker und Romantiker in Italien, sich heftig bekämpfend‹ ist ein Beleg für das Interesse, das Goethe den Literaturen der europäischen Nachbarländer entgegenbrachte, aber mehr noch ein Text, der Auskunft gibt über die-gewissen Konjunkturen unterliegende-Haltung des Autors gegenüber dem Kunstprogramm der Romantik. 2 Da er erst im »Februar 1820« gedruckt * Der Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, der auf der von Anne Bohnenkamp und Luigi Reitani veranstalteten Tagung »Goethe und der italienische Romanticismo« (Villa Vigoni, 6.-9. Juni 2016) gehalten wurde.
WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) eBooks, 2008
De Gruyter eBooks, May 30, 2013
E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch
Das Jahrbuch gilt als wichtigstes Forum der internationalen E.T.A. Hoffmann-Forschung. Band 30 ve... more Das Jahrbuch gilt als wichtigstes Forum der internationalen E.T.A. Hoffmann-Forschung. Band 30 versammelt aktuelle Beiträge von Wissenschaftler/Innen aus aller Welt und zeigt neueste Diskussionen über den Autor und sein Werk auf. Der Rezensionsteil stellt wichtige Neuerscheinungen vor. Das Jahrbuch 2022 informiert ergänzend über eine Reihe von Aktivitäten, Ausstellungen, Aufführungen und Tagungen rund um E.T.A. Hoffmann. Neueste Beiträge widmen sich u.a. dem „Fräulein von Scuderi“ in innovativer Perspektivierung auf die Cardillac’sche Urszene, Hoffmanns juristischen Schriften und Streitvorgängen sowie deren Literarisierungen im „Meister Floh“ und den „Lebens-Ansichten des Katers Murr“.
Bettina von Arnim Handbuch, 2019

Arbitrium, 2007
Zwölf Jahre nach dem Textband von Clemens Brentanos Romanzen vom Rosenkranz (Bd. 10, 1994) 1 ist ... more Zwölf Jahre nach dem Textband von Clemens Brentanos Romanzen vom Rosenkranz (Bd. 10, 1994) 1 ist innerhalb der Frankfurter Brentano-Ausgabe als Band 11,1 nun der erste Band des zugehörigen Dokumentationsteils erschienen. Er enthält die ,frühen Fassungen' und die Entstehungsgeschichte sowie die Beschreibung der Überlieferung von Brentanos unvollendeter Verserzählung. Ursprünglich sollte dieser Band einmal "Lesarten und Erläuterungen" gemeinsam enthalten, 2 doch füllt der bloße Umfang der augenscheinlich Ð und glücklicherweise Ð entgegen den frühen Editionsprinzipien von 1975 vollständig und nicht in Auswahl angeführten Varianten schon den Band. Daher scheint es nicht unangebracht, die Erläuterungen auf einen weiteren Teilband zu verschieben. Ob es eventuell ratsamer gewesen wäre, diese beiden Teilbände zusammen zu publizieren, um sie besser zu verzahnen, wird sich erst nach Erscheinen des ausstehenden Bandes 11,2 sagen lassen. Unter solchen Verzahnungsproblemen leiden nämlich Band 10 und Band 11,1 durchaus, was jedoch nicht dem Herausgeber des neuen Dokumentationsbandes 11,1, Dietmar Pravida, anzulasten ist, auch nicht allein dem anderen Herausgeber des Textbandes 10, Clemens Rauschenberg, sondern der Konzeption des Verhältnisses zwischen Band 10 und Band 11,1 insgesamt. Ein Herausgeberwechsel zwischen Text-und Dokumentationsteil und ein großer zeitlicher Abstand von über einem Jahrzehnt zwischen deren Erscheinen bringen fast automatisch Probleme mit sich, denen auch die Edition der Romanzen vom Rosenkranz nicht entgeht. Die zwischen 1802/04 und 1811 entstandenen 19 Romanzen sind der ausgeführte Teil eines wesentlich umfangreicher geplanten Werkes, das Brentano
De Gruyter eBooks, Sep 7, 2020
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