David Flusser und seine Bedeutung für den jüdisch-christlichen Dialog, 2024
Abstract: David Flusser and his significance for Jewish-Christian dialogue
8e life story of David... more Abstract: David Flusser and his significance for Jewish-Christian dialogue 8e life story of David Flusser (1917 Vienna – 2000 Jerusalem) extends from interwar Czechoslovakia, where he grew up and studied, to the broad research and teaching activities of an erudite professor at the Hebrew University in Jerusalem. He was a leading authority on Second Temple Judaism as well as early Christian writings. His contribution to the Jewish-Christian dialogue lies above all in his deep understanding of early Christianity, which he approached with great interest, openness and friendliness. For him, both Jesus and the apostle Paul are inspirational personalities who can only be properly understood in the context of the Jewish tradition of the time. 8e presented article focuses on how Flusser perceives their relationship to Jewish law (Torah) and how he sees Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion.
Keywords: David Flusser; Jewish-Christian dialogue; early Christianity; relationship to Torah; Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion
Auf der Grundlage des rabbinischen Judentum und zahlreicher älterer Überlieferungen entstand verm... more Auf der Grundlage des rabbinischen Judentum und zahlreicher älterer Überlieferungen entstand vermutlich im 6. Jh. die so genannte Hekhalotliteratur (HL). Als wichtigste Werke sind Hekhalot Rabbati (Die grossen Paläste), Hekhalot Zutarti (Die kleinen Paläste), Maase Merkava (Das Werk des Thronwagens), Merkava Rabba (Der grosse Thronwagen) und das sog. 3. Buch Henoch (d.h. hebräische im Unterschied zum äthiopischen und slavischen Henochbuch) zu nennen. In der HL wird die Himmelsreise eines Frommen beschreiben: Nach gefahrwollen Auseinandersetzungen mit Engeln, die keinem Menschen den Zutritt in die himmlische Welt gestatten wollen, gelangt er durch Gottes Schutz zu den himmlischen Palästen (hebr. hekhalot), in denen Gott als der König der Welt residiert. Dort kann er am himmlischen Gottesdienst und am Lobpreis der Engel vor dem Thron Gottes teilnehmen. Diese Praktik wird in den Hekhalot Texten den beiden großen Gelehrten der frühen talmudischen Zeit – Rabbi Akiba und Rabbi Ischmael – zugeschrieben. Anders als im Fall der gewaltigen rabbinischen Literatur des Talmud und Midrasch, bezieht sich die HL nicht auf die Auslegung biblischer Verse, sondern auf unmittelbare, persönliche spirituelle Erfahrungen. Der Wahrheitsanspruch beruht nicht, wie in der nachbiblischen hebräischen Literatur üblich, auf der Formulierung " der Vers sagt " , sondern auf persönlicher Erfahrung: " ich sah " , " ich hörte " , " ich hatte eine Vision ". " Obwohl Hekhalotliteratur erst später entstanden ist, lassen sich im Hinblick auf die Darstellung des himmlischen Gottesdienst bemerkenswerte Parallelen zu Offb 4. und 5. aufzeigen. Vermutlich schöpfen beide Überlieferungen aus gemeinsamen Traditionen. " 1 Diese Parallelen möchte ich auf der Grundlage der gemeinsamen Hauptmotive kurz vorstellen. Diese Gemeinsame Hauptmotive sind: 1. Die Türe zur himmlischen Welt, 2. die Aufforderung zum Eintritt in die Thronwelt Gottes, 3. der Thron der Herrlichkeit (Gottesthron), 4. die Qeduscha (Lobgesang), 5. Das Himmlische Buch, 6. Der Begriff " Würde " (rauj/axioj) und 7. Die Akklamation der Engelwelt und der Schöpfung. 1. Die Türe zur himmlischen Welt Offb 4,1a Danach sah ich – da! eine Tür, geöffnet im Himmel. Der geöffnete Zugang in Himmel ist die Grundvoraussetzung für die Absicht der Offenbarung insgesamt. Die " offene Tür " gehört zu den entscheidenden Elementen des theologischen Verständnisses der Apokalyptik überhaupt. So beginnt auch 3. Henoch: Rabbi Ischmael sagte: " Als ich aufstieg in die Höhe, um die Vision der Merkaba zu schauen, bin ich eingetreten in die sechs Paläste (hekhaoth), eine Kammer in der anderen. Und sofort als ich mich der Tür des siebten Palastes näherte, stand ich im Gebet vor dem Heiligen… " (3 Hen 1,1.2). Immer sind es die Portale, die Türen oder eine andere Tür, mit denen der Übergang in die Herrlichkeit der himmlischen Welt ausgedrückt wird. 2. Die Aufforderung zum Eintritt in die Thronwelt Gottes Offb 4,1b Die Posaunenklangstimme, die ich zu Beginn gehört hatte, sagte mir: »Komm hinauf, hierher, und ich werde dir zeigen, was danach geschehen muss.« Die HL hat das System der sieben Himmel mit den Gefahren des Aufstieges an den Torwächtern vorbei in höchster Vollendung perfektioniert. Aber der Zweck der Himmelreise ist es ja gerade, den räumlichen Abstand zwischen Himmeln und Erde,
David Flusser und seine Bedeutung für den jüdisch-christlichen Dialog, 2024
Abstract: David Flusser and his significance for Jewish-Christian dialogue
8e life story of David... more Abstract: David Flusser and his significance for Jewish-Christian dialogue 8e life story of David Flusser (1917 Vienna – 2000 Jerusalem) extends from interwar Czechoslovakia, where he grew up and studied, to the broad research and teaching activities of an erudite professor at the Hebrew University in Jerusalem. He was a leading authority on Second Temple Judaism as well as early Christian writings. His contribution to the Jewish-Christian dialogue lies above all in his deep understanding of early Christianity, which he approached with great interest, openness and friendliness. For him, both Jesus and the apostle Paul are inspirational personalities who can only be properly understood in the context of the Jewish tradition of the time. 8e presented article focuses on how Flusser perceives their relationship to Jewish law (Torah) and how he sees Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion.
Keywords: David Flusser; Jewish-Christian dialogue; early Christianity; relationship to Torah; Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion
Auf der Grundlage des rabbinischen Judentum und zahlreicher älterer Überlieferungen entstand verm... more Auf der Grundlage des rabbinischen Judentum und zahlreicher älterer Überlieferungen entstand vermutlich im 6. Jh. die so genannte Hekhalotliteratur (HL). Als wichtigste Werke sind Hekhalot Rabbati (Die grossen Paläste), Hekhalot Zutarti (Die kleinen Paläste), Maase Merkava (Das Werk des Thronwagens), Merkava Rabba (Der grosse Thronwagen) und das sog. 3. Buch Henoch (d.h. hebräische im Unterschied zum äthiopischen und slavischen Henochbuch) zu nennen. In der HL wird die Himmelsreise eines Frommen beschreiben: Nach gefahrwollen Auseinandersetzungen mit Engeln, die keinem Menschen den Zutritt in die himmlische Welt gestatten wollen, gelangt er durch Gottes Schutz zu den himmlischen Palästen (hebr. hekhalot), in denen Gott als der König der Welt residiert. Dort kann er am himmlischen Gottesdienst und am Lobpreis der Engel vor dem Thron Gottes teilnehmen. Diese Praktik wird in den Hekhalot Texten den beiden großen Gelehrten der frühen talmudischen Zeit – Rabbi Akiba und Rabbi Ischmael – zugeschrieben. Anders als im Fall der gewaltigen rabbinischen Literatur des Talmud und Midrasch, bezieht sich die HL nicht auf die Auslegung biblischer Verse, sondern auf unmittelbare, persönliche spirituelle Erfahrungen. Der Wahrheitsanspruch beruht nicht, wie in der nachbiblischen hebräischen Literatur üblich, auf der Formulierung " der Vers sagt " , sondern auf persönlicher Erfahrung: " ich sah " , " ich hörte " , " ich hatte eine Vision ". " Obwohl Hekhalotliteratur erst später entstanden ist, lassen sich im Hinblick auf die Darstellung des himmlischen Gottesdienst bemerkenswerte Parallelen zu Offb 4. und 5. aufzeigen. Vermutlich schöpfen beide Überlieferungen aus gemeinsamen Traditionen. " 1 Diese Parallelen möchte ich auf der Grundlage der gemeinsamen Hauptmotive kurz vorstellen. Diese Gemeinsame Hauptmotive sind: 1. Die Türe zur himmlischen Welt, 2. die Aufforderung zum Eintritt in die Thronwelt Gottes, 3. der Thron der Herrlichkeit (Gottesthron), 4. die Qeduscha (Lobgesang), 5. Das Himmlische Buch, 6. Der Begriff " Würde " (rauj/axioj) und 7. Die Akklamation der Engelwelt und der Schöpfung. 1. Die Türe zur himmlischen Welt Offb 4,1a Danach sah ich – da! eine Tür, geöffnet im Himmel. Der geöffnete Zugang in Himmel ist die Grundvoraussetzung für die Absicht der Offenbarung insgesamt. Die " offene Tür " gehört zu den entscheidenden Elementen des theologischen Verständnisses der Apokalyptik überhaupt. So beginnt auch 3. Henoch: Rabbi Ischmael sagte: " Als ich aufstieg in die Höhe, um die Vision der Merkaba zu schauen, bin ich eingetreten in die sechs Paläste (hekhaoth), eine Kammer in der anderen. Und sofort als ich mich der Tür des siebten Palastes näherte, stand ich im Gebet vor dem Heiligen… " (3 Hen 1,1.2). Immer sind es die Portale, die Türen oder eine andere Tür, mit denen der Übergang in die Herrlichkeit der himmlischen Welt ausgedrückt wird. 2. Die Aufforderung zum Eintritt in die Thronwelt Gottes Offb 4,1b Die Posaunenklangstimme, die ich zu Beginn gehört hatte, sagte mir: »Komm hinauf, hierher, und ich werde dir zeigen, was danach geschehen muss.« Die HL hat das System der sieben Himmel mit den Gefahren des Aufstieges an den Torwächtern vorbei in höchster Vollendung perfektioniert. Aber der Zweck der Himmelreise ist es ja gerade, den räumlichen Abstand zwischen Himmeln und Erde,
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8e life story of David Flusser (1917 Vienna – 2000 Jerusalem) extends from interwar
Czechoslovakia, where he grew up and studied, to the broad research and teaching activities
of an erudite professor at the Hebrew University in Jerusalem. He was a leading
authority on Second Temple Judaism as well as early Christian writings. His contribution to
the Jewish-Christian dialogue lies above all in his deep understanding of early Christianity,
which he approached with great interest, openness and friendliness. For him, both Jesus
and the apostle Paul are inspirational personalities who can only be properly understood
in the context of the Jewish tradition of the time. 8e presented article focuses on how
Flusser perceives their relationship to Jewish law (Torah) and how he sees Jewish attitudes
to Jesus’ crucifixion.
Keywords: David Flusser; Jewish-Christian dialogue; early Christianity; relationship to Torah;
Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion
8e life story of David Flusser (1917 Vienna – 2000 Jerusalem) extends from interwar
Czechoslovakia, where he grew up and studied, to the broad research and teaching activities
of an erudite professor at the Hebrew University in Jerusalem. He was a leading
authority on Second Temple Judaism as well as early Christian writings. His contribution to
the Jewish-Christian dialogue lies above all in his deep understanding of early Christianity,
which he approached with great interest, openness and friendliness. For him, both Jesus
and the apostle Paul are inspirational personalities who can only be properly understood
in the context of the Jewish tradition of the time. 8e presented article focuses on how
Flusser perceives their relationship to Jewish law (Torah) and how he sees Jewish attitudes
to Jesus’ crucifixion.
Keywords: David Flusser; Jewish-Christian dialogue; early Christianity; relationship to Torah;
Jewish attitudes to Jesus’ crucifixion