
Anne Gräfe
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21335 Lüneburg
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Books by Anne Gräfe
LINK: https://www.kulturverlag-kadmos.de/programm/details/langeweile_aushalten
In diesem Sinne liegt der Fokus auf der europäischen Geschichte im globalen Kontext, Wissenschaftsgeschichte der Historischen Kulturwissenschaft im Zeichen der Globalisierung, Theorie und historischer Analyse institutioneller Mechanismen politisch-sozialer Ordnungen, der Neuständischen Vergesellschaftung sowie der regionalen Kulturgeschichte Berlin-Brandenburgs um 1800. So finden sich Beiträge, die von geschichtstheoretischen Fragestellungen (Falko Schmieder, Anselm Haverkamp) über die Analyse konkreter historischer Wissensordnungen (Karl-Siegbert Rehberg, Christoph Asendorf, Joachim Fischer) bis hin zu Beiträgen zu historischen Praktiken an der Schwelle zur Moderne (Julia Schmidt-Funke, Gerhard Göhler) reichen.
Papers by Anne Gräfe
Der Videofilm Lunch Break von Sharon Lockhart (2008) zeigt, radikal auf 83 Minuten verlangsamt, eine einzige, ursprünglich 10-minütige und ungeschnittene 35mm Filmaufnahme einer Kamerafahrt durch den Hauptgang und Verbindungskorridor einer Werft in Maine, Massachusetts. 83 zunächst entsetzlich langweilig wirkende Videominuten, in quälender Langsamkeit nur eine Bewegung zeigen. Die Plansequenz wurde in der titelgebenden Mittagspause, in der vermeintlich nichts passiert, der Schiffswerft gedreht. Schon die Originalaufnahme der Mittagspause verfügt über keinen erkennbar markierten Beginn, kein narratives Ende. Die subjektive Wahrnehmung weist zum einen der Dauer vergehender Zeit in einer Stimmung von Langeweile gefühlte Abweichungen gegenüber dem messbaren Zeitverlauf auf. Zum anderen fungiert die technische Möglichkeit der Dehnung als strukturierendes sowie fragmentierendes Zeitwahrnehmungswerkzeug der Reorganisation der Wahrnehmungsweisen.
Lockharts Lunch Break arbeitet die Ästhetik im Sinne einer aisthesis mit der voranschreitenden Entwicklung der Technik Hand in Hand an einer neuen, ästhetischen Erfahrungssituation. Diese hat höchste Relevanz für die im Workshop verhandelten Fragen zu den Potentialen der Langeweile als ästhetische und künstlerische Reorganisation der Wahrnehmungsweisen in und durch Gegenwartskunst. Die künstlerische Strategie der Verlangsamung ermöglicht eine sinnlich-gestimmte körperliche Erfahrung: eine Erfahrung von Langeweile, die eine besondere Aufmerksamkeit bewirkt, weil sie sich den Sehgewohnheiten und -erwartungen der Gegenwart widersetzt. Anhand der künstlerischen Arbeit Sharon Lockharts möchte ich mit Alva Noe und Siegfried Kracauer zeigen, dass im aktiven Aushalten der ästhetischen Langeweile das Potential für neue Wahrnehmungsweisen liegt. Lockhart nutzt neueste technische Verfahren, um anders zu erzählen, Simultanitäten aufzuzeigen und Zeit zu gewinnen. Dies jedoch nicht durch die immer schon kulturindustriell vereinnahmten, visuellen Anreize und Effekte eines lustbringenden, technisch manipulierten Blickregimes, sondern in der ästhetischen Version einer Art der Langzeitbeobachtung, die ihrerseits technisch bearbeitet ist, die aber durch die erzeugte Langeweile gerade nicht lustbringend, sondern quälend langwierig anzusehen, mithin langweilig sein kann.
Im Aushalten der durch technische Manipulationen erzeugten Verlängerung der dargestellten Mittagspause kommen die Zuschauenden nicht umhin, sich einer langen Weile auszusetzen, in der ebenfalls die möglichen Interpretationen, Kommentare und Zusammenhänge aufscheinen. Darüber hinaus wird im Aushalten dieser langen Weile, wie zu argumentieren sein wird, eine Veränderung der eigenen Zeitwahrnehmung deutlich. Die technische wie digitale Reproduzierbarkeit ermöglicht in der Stimmung der Langeweile die Reorganisation der Wahrnehmungsweisen, hin zu einer ästhetischen Erfahrung von Zeit.
vermittelt verfügbar gemachten Unverfügbarkeit besteht im Experiment mit der Ambivalenz der bewussten Entscheidung zum Unbewussten. Es wird aufgezeigt, dass die in der ästhetischen Erfahrung ermöglichende Freiheit der freien Zeit zwischen bewusstem Aushalten und unbewussten Umherschweifen entspringt, als Zwischenraum und Zwischenzeit zum Anders-Denken und Anders-Wahrnehmen, abseits von Bedürfnisproduktion und -befriedigung.
Am 11. März 1928 schreibt Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung, was sich fast 100 Jahre später als pointierte Schilderung des erfolgreichen Werbeschachzugs von The Lego Movie, dem Kassenschlager des Jahres 2014, lesen lässt: »Filme für die niedere Bevölkerung sind noch bürgerlicher als die für das bessere Publikum; gerade weil es bei ihnen gilt, gefährliche Perspektiven anzudeuten, ohne sie zu eröffnen, und die achtbare Gesinnung auf den Zehenspritzen einzuschmuggeln« (Kracauer 1977: 279)¹ und, so könnte ergänzt werden, mithin qua verzerrtem Selbstbild zur Verfestigung der vorherrschenden Machstrukturen beizutragen. The Lego Movie setzt die physische Kinderzimmerrealität ebenso wie Kinderzimmernostalgie in eine Kulturindustrie für die ganze Familie um und vermag es dabei zugleich noch jede Kritik an derselben zu vereinnahmen.
Wir kennen die Zukunft nicht. Jeder handelt in eine Zukunft hinein, die keiner kennen kann. Keiner weiß, was er tut, weil die Zukunft von selbst geschieht. Handeln ist ein Wir und nicht ein Ich. Nur wenn ich die Einzige wäre, könnte ich voraussagen, was aus dem, was ich tue, herauskommen mag. Es sieht so aus, als ob alles, was geschieht, völlig zufällig wäre.
https://pop-zeitschrift.de/2021/03/29/der-virus-als-metapher-als-virusautorvon-anne-graefe-und-ellen-wagner-autordatum29-3-2021-datum/#_ftnref1
In nicht allzu ferner spekulativer Zukunft wird die soziale Realität durch künstliche Intelligenz reguliert. Was dem Einzelnen im Durchschnitt gut und dem Ganzen der Gesellschaft am besten tut, entscheidet ein Code, der auch sich selbst unermüdlich an Effizienz steigert. So stellt es uns zumindest Melanie Gilligans 5-teilige Miniserie 'Popular Unrest' (2010) vor, die eine Gesellschaft zeigt, welche ihre sozialen Interaktionen und alltäglichen Abläufe von der Gesundheitsvorsorge bis zur Ernährung und Abgabe von Körperwärme zugunsten des „großen Ganzen“ durchkalkuliert und algorithmisiert hat.
Doch in die oberflächliche Reibungslosigkeit brechen plötzlich unerwartete Ereignisketten ein: Eine Serie unerklärlicher, scheinbar „urheberloser“ Morde reißt überall auf der Welt Individuen aus dieser vermeintlich perfekt funktionierenden Gemeinschaft. Parallel ist zu beobachten, wie sich ebenfalls weltweit vermehrt Gruppen aus einander bisher unbekannten Menschen zusammenfinden, die ein spezielles Gefühl der Nähe und Zugehörigkeit verbindet. Obwohl in Herkunft und Lebensweise einander fremd und unterschiedlich, verbindet sie ein unerklärliches Gemeinschaftsgefühl. Doch ist dieses, wie allmählich deutlich wird, von eben jenem „Spirit“ inspiriert, welcher auch die unerklärlichen Morde verantwortet. Es scheint, als seien sowohl die Individuen als auch die Gesellschaft in Gänze wie von einem Virus infiziert. Als „measuring device“ für das, was, algorithmisch besehen, zum Wohle aller zusammengehört oder aussortiert werden muss, steht der „Spirit“ Pate für das kapitalistische System. Dieser „Spirit“ regelt einem Weltgeist gleich weltumspannend das Leben und sortiert Einheiten nach dem Kriterium des Warenwerts: Geld verbindet, unterscheidet, bewertet, hierarchisiert, transformiert.[Kittsteiner: Weltgeist, Weltmarkt, Weltgericht, 2007] Das System scheint wie von einem Virus befallen. Ursprünglich vom Menschen programmiert, ist dieser Weltgeist, dem herbeigerufenen Besen des Zauberlehrlings ähnlich: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“.
Anhand von Gilligans 'Popular Unrest' und Stanya Kahns 'Don’t Go Back To Sleep' (2014) zeigen Ellen Wagner und Anne Gräfe auf, wie das Virus das Hereinbrechen einer neuen Realität in die bestehende markiert – oder: eine Differenzierung der Wirklichkeitsgrade und Realitätsebenen.
https://faustkultur.de/4484-0-Ellen-Wagner-Anne-Graefe-Virale-Autoritaet.html
Katalog zur Ausstellung SHARED SPACES im Kunstverein Aschaffenburg sowie zur Gruppenausstellung "shared spaces / wrong places" im Satelit Berlin / Aufbauhaus Berlin
Bookrelease war am 21.04.2018; ab 18 Uhr im Satellit Berlin im Collaboratorium im Aufbau Haus, Prinzenstraße 84.2 / Eingang: Oranienstraße 142, 10969 Berlin auf der Vernissage der Ausstellung "shared spaces / wrong places".
Talks by Anne Gräfe
A workshop of the Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, Research Group ‘Ethico-Aesthetics of the Visual’ and University Greifswald, Interdisciplinary Centre for Baltic Sea Region Research, in cooperation with the ICI Berlin
abstract:
The Ambiguity of In/Activity in John Knights “The Right to be Lazy”
With the title of his artwork "The Right to be Lazy", artist John Knight quotes Paul
Lafargue's 1880 manifesto of the same name. Knight's Right to be Lazy is a flower circle
with wild plants in front of the entrance to the Hamburger Bahnhof - Museum für
Gegenwart. The former director acquired the installation in 2008, whereupon the
museum received numerous letters of complaint: Why would this wasteland be
allowed, couldn't they afford a gardener to do something here instead of being so
inactive? 4 Years later, the flower roundel, and with it the endlessness work of inactivity,
became the setting for an installation as part of the exhibition by another artist - who
erected a tent.
In the outdoor area of the Hamburger Bahnhof, different intrinsic temporalities of
inactivity come into contact: Firstly, in the space of art, an aesthetic temporality of
inactivity is propagated, which represents an active display of the inaction of human
action. Within this museum situation, however, there is also a disregard for the work of
art's call for inactivity, and therefore an inactive respect for the work of art's autonomy.
Secondly, the public urban space of a former train station forecourt celebrates an
inactivity that consists of not building on or interfering with nature in the middle of the
city - regardless of the fast pace of urban life and acceleration tendencies of the present.
Thirdly, these temporalities of inactivity experienced a call to activity and new
description - and thus also belong to the moment of art as an interactive reception
reaction. This already shows what I want to talk about: that art that uses strategies such
as inactivity, doing nothing, or even boredom is disturbingly disturbing.
So my argument is that in the moment of aesthetic uncertainty it becomes clear, on the
one hand, that reason and rationality describe the world, but can never fully grasp it.
Something, a surplus, remains uncertain. Art, on the other hand, is never directly
knowledge or politics itself, but rather puts us at a reflexive distance from the knowledge
we believed to be certain and enables us to experience a different, often more uncertain
approach to the world. Based on this “lazy” work by John Knight and its evolution in the
years since its installation, my talk aims to show that philosophy, politics and ecology
can be experienced differently through art. The task of art is therefore never per se
critical and enlightening, i.e. political. Rather, the many different constellations provide
an opportunity to confront and pursue the uncertainties of the world within the
framework of aesthetic inactivity.
LINK: https://www.kulturverlag-kadmos.de/programm/details/langeweile_aushalten
In diesem Sinne liegt der Fokus auf der europäischen Geschichte im globalen Kontext, Wissenschaftsgeschichte der Historischen Kulturwissenschaft im Zeichen der Globalisierung, Theorie und historischer Analyse institutioneller Mechanismen politisch-sozialer Ordnungen, der Neuständischen Vergesellschaftung sowie der regionalen Kulturgeschichte Berlin-Brandenburgs um 1800. So finden sich Beiträge, die von geschichtstheoretischen Fragestellungen (Falko Schmieder, Anselm Haverkamp) über die Analyse konkreter historischer Wissensordnungen (Karl-Siegbert Rehberg, Christoph Asendorf, Joachim Fischer) bis hin zu Beiträgen zu historischen Praktiken an der Schwelle zur Moderne (Julia Schmidt-Funke, Gerhard Göhler) reichen.
Der Videofilm Lunch Break von Sharon Lockhart (2008) zeigt, radikal auf 83 Minuten verlangsamt, eine einzige, ursprünglich 10-minütige und ungeschnittene 35mm Filmaufnahme einer Kamerafahrt durch den Hauptgang und Verbindungskorridor einer Werft in Maine, Massachusetts. 83 zunächst entsetzlich langweilig wirkende Videominuten, in quälender Langsamkeit nur eine Bewegung zeigen. Die Plansequenz wurde in der titelgebenden Mittagspause, in der vermeintlich nichts passiert, der Schiffswerft gedreht. Schon die Originalaufnahme der Mittagspause verfügt über keinen erkennbar markierten Beginn, kein narratives Ende. Die subjektive Wahrnehmung weist zum einen der Dauer vergehender Zeit in einer Stimmung von Langeweile gefühlte Abweichungen gegenüber dem messbaren Zeitverlauf auf. Zum anderen fungiert die technische Möglichkeit der Dehnung als strukturierendes sowie fragmentierendes Zeitwahrnehmungswerkzeug der Reorganisation der Wahrnehmungsweisen.
Lockharts Lunch Break arbeitet die Ästhetik im Sinne einer aisthesis mit der voranschreitenden Entwicklung der Technik Hand in Hand an einer neuen, ästhetischen Erfahrungssituation. Diese hat höchste Relevanz für die im Workshop verhandelten Fragen zu den Potentialen der Langeweile als ästhetische und künstlerische Reorganisation der Wahrnehmungsweisen in und durch Gegenwartskunst. Die künstlerische Strategie der Verlangsamung ermöglicht eine sinnlich-gestimmte körperliche Erfahrung: eine Erfahrung von Langeweile, die eine besondere Aufmerksamkeit bewirkt, weil sie sich den Sehgewohnheiten und -erwartungen der Gegenwart widersetzt. Anhand der künstlerischen Arbeit Sharon Lockharts möchte ich mit Alva Noe und Siegfried Kracauer zeigen, dass im aktiven Aushalten der ästhetischen Langeweile das Potential für neue Wahrnehmungsweisen liegt. Lockhart nutzt neueste technische Verfahren, um anders zu erzählen, Simultanitäten aufzuzeigen und Zeit zu gewinnen. Dies jedoch nicht durch die immer schon kulturindustriell vereinnahmten, visuellen Anreize und Effekte eines lustbringenden, technisch manipulierten Blickregimes, sondern in der ästhetischen Version einer Art der Langzeitbeobachtung, die ihrerseits technisch bearbeitet ist, die aber durch die erzeugte Langeweile gerade nicht lustbringend, sondern quälend langwierig anzusehen, mithin langweilig sein kann.
Im Aushalten der durch technische Manipulationen erzeugten Verlängerung der dargestellten Mittagspause kommen die Zuschauenden nicht umhin, sich einer langen Weile auszusetzen, in der ebenfalls die möglichen Interpretationen, Kommentare und Zusammenhänge aufscheinen. Darüber hinaus wird im Aushalten dieser langen Weile, wie zu argumentieren sein wird, eine Veränderung der eigenen Zeitwahrnehmung deutlich. Die technische wie digitale Reproduzierbarkeit ermöglicht in der Stimmung der Langeweile die Reorganisation der Wahrnehmungsweisen, hin zu einer ästhetischen Erfahrung von Zeit.
vermittelt verfügbar gemachten Unverfügbarkeit besteht im Experiment mit der Ambivalenz der bewussten Entscheidung zum Unbewussten. Es wird aufgezeigt, dass die in der ästhetischen Erfahrung ermöglichende Freiheit der freien Zeit zwischen bewusstem Aushalten und unbewussten Umherschweifen entspringt, als Zwischenraum und Zwischenzeit zum Anders-Denken und Anders-Wahrnehmen, abseits von Bedürfnisproduktion und -befriedigung.
Am 11. März 1928 schreibt Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung, was sich fast 100 Jahre später als pointierte Schilderung des erfolgreichen Werbeschachzugs von The Lego Movie, dem Kassenschlager des Jahres 2014, lesen lässt: »Filme für die niedere Bevölkerung sind noch bürgerlicher als die für das bessere Publikum; gerade weil es bei ihnen gilt, gefährliche Perspektiven anzudeuten, ohne sie zu eröffnen, und die achtbare Gesinnung auf den Zehenspritzen einzuschmuggeln« (Kracauer 1977: 279)¹ und, so könnte ergänzt werden, mithin qua verzerrtem Selbstbild zur Verfestigung der vorherrschenden Machstrukturen beizutragen. The Lego Movie setzt die physische Kinderzimmerrealität ebenso wie Kinderzimmernostalgie in eine Kulturindustrie für die ganze Familie um und vermag es dabei zugleich noch jede Kritik an derselben zu vereinnahmen.
Wir kennen die Zukunft nicht. Jeder handelt in eine Zukunft hinein, die keiner kennen kann. Keiner weiß, was er tut, weil die Zukunft von selbst geschieht. Handeln ist ein Wir und nicht ein Ich. Nur wenn ich die Einzige wäre, könnte ich voraussagen, was aus dem, was ich tue, herauskommen mag. Es sieht so aus, als ob alles, was geschieht, völlig zufällig wäre.
https://pop-zeitschrift.de/2021/03/29/der-virus-als-metapher-als-virusautorvon-anne-graefe-und-ellen-wagner-autordatum29-3-2021-datum/#_ftnref1
In nicht allzu ferner spekulativer Zukunft wird die soziale Realität durch künstliche Intelligenz reguliert. Was dem Einzelnen im Durchschnitt gut und dem Ganzen der Gesellschaft am besten tut, entscheidet ein Code, der auch sich selbst unermüdlich an Effizienz steigert. So stellt es uns zumindest Melanie Gilligans 5-teilige Miniserie 'Popular Unrest' (2010) vor, die eine Gesellschaft zeigt, welche ihre sozialen Interaktionen und alltäglichen Abläufe von der Gesundheitsvorsorge bis zur Ernährung und Abgabe von Körperwärme zugunsten des „großen Ganzen“ durchkalkuliert und algorithmisiert hat.
Doch in die oberflächliche Reibungslosigkeit brechen plötzlich unerwartete Ereignisketten ein: Eine Serie unerklärlicher, scheinbar „urheberloser“ Morde reißt überall auf der Welt Individuen aus dieser vermeintlich perfekt funktionierenden Gemeinschaft. Parallel ist zu beobachten, wie sich ebenfalls weltweit vermehrt Gruppen aus einander bisher unbekannten Menschen zusammenfinden, die ein spezielles Gefühl der Nähe und Zugehörigkeit verbindet. Obwohl in Herkunft und Lebensweise einander fremd und unterschiedlich, verbindet sie ein unerklärliches Gemeinschaftsgefühl. Doch ist dieses, wie allmählich deutlich wird, von eben jenem „Spirit“ inspiriert, welcher auch die unerklärlichen Morde verantwortet. Es scheint, als seien sowohl die Individuen als auch die Gesellschaft in Gänze wie von einem Virus infiziert. Als „measuring device“ für das, was, algorithmisch besehen, zum Wohle aller zusammengehört oder aussortiert werden muss, steht der „Spirit“ Pate für das kapitalistische System. Dieser „Spirit“ regelt einem Weltgeist gleich weltumspannend das Leben und sortiert Einheiten nach dem Kriterium des Warenwerts: Geld verbindet, unterscheidet, bewertet, hierarchisiert, transformiert.[Kittsteiner: Weltgeist, Weltmarkt, Weltgericht, 2007] Das System scheint wie von einem Virus befallen. Ursprünglich vom Menschen programmiert, ist dieser Weltgeist, dem herbeigerufenen Besen des Zauberlehrlings ähnlich: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“.
Anhand von Gilligans 'Popular Unrest' und Stanya Kahns 'Don’t Go Back To Sleep' (2014) zeigen Ellen Wagner und Anne Gräfe auf, wie das Virus das Hereinbrechen einer neuen Realität in die bestehende markiert – oder: eine Differenzierung der Wirklichkeitsgrade und Realitätsebenen.
https://faustkultur.de/4484-0-Ellen-Wagner-Anne-Graefe-Virale-Autoritaet.html
Katalog zur Ausstellung SHARED SPACES im Kunstverein Aschaffenburg sowie zur Gruppenausstellung "shared spaces / wrong places" im Satelit Berlin / Aufbauhaus Berlin
Bookrelease war am 21.04.2018; ab 18 Uhr im Satellit Berlin im Collaboratorium im Aufbau Haus, Prinzenstraße 84.2 / Eingang: Oranienstraße 142, 10969 Berlin auf der Vernissage der Ausstellung "shared spaces / wrong places".
A workshop of the Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, Research Group ‘Ethico-Aesthetics of the Visual’ and University Greifswald, Interdisciplinary Centre for Baltic Sea Region Research, in cooperation with the ICI Berlin
abstract:
The Ambiguity of In/Activity in John Knights “The Right to be Lazy”
With the title of his artwork "The Right to be Lazy", artist John Knight quotes Paul
Lafargue's 1880 manifesto of the same name. Knight's Right to be Lazy is a flower circle
with wild plants in front of the entrance to the Hamburger Bahnhof - Museum für
Gegenwart. The former director acquired the installation in 2008, whereupon the
museum received numerous letters of complaint: Why would this wasteland be
allowed, couldn't they afford a gardener to do something here instead of being so
inactive? 4 Years later, the flower roundel, and with it the endlessness work of inactivity,
became the setting for an installation as part of the exhibition by another artist - who
erected a tent.
In the outdoor area of the Hamburger Bahnhof, different intrinsic temporalities of
inactivity come into contact: Firstly, in the space of art, an aesthetic temporality of
inactivity is propagated, which represents an active display of the inaction of human
action. Within this museum situation, however, there is also a disregard for the work of
art's call for inactivity, and therefore an inactive respect for the work of art's autonomy.
Secondly, the public urban space of a former train station forecourt celebrates an
inactivity that consists of not building on or interfering with nature in the middle of the
city - regardless of the fast pace of urban life and acceleration tendencies of the present.
Thirdly, these temporalities of inactivity experienced a call to activity and new
description - and thus also belong to the moment of art as an interactive reception
reaction. This already shows what I want to talk about: that art that uses strategies such
as inactivity, doing nothing, or even boredom is disturbingly disturbing.
So my argument is that in the moment of aesthetic uncertainty it becomes clear, on the
one hand, that reason and rationality describe the world, but can never fully grasp it.
Something, a surplus, remains uncertain. Art, on the other hand, is never directly
knowledge or politics itself, but rather puts us at a reflexive distance from the knowledge
we believed to be certain and enables us to experience a different, often more uncertain
approach to the world. Based on this “lazy” work by John Knight and its evolution in the
years since its installation, my talk aims to show that philosophy, politics and ecology
can be experienced differently through art. The task of art is therefore never per se
critical and enlightening, i.e. political. Rather, the many different constellations provide
an opportunity to confront and pursue the uncertainties of the world within the
framework of aesthetic inactivity.
„Die Landschaft dauert länger als das Individuum. Inzwischen wartet sie auf das Verschwinden des Menschen, der sie verwüstet ohne Rücksicht auf seine Zukunft als Gattungswesen“, kommentiert der ostdeutsche Dramaturg Heiner Müller sein Triptychon Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten von 1983, dessen erste Zeilen lauten: „See bei Strausberg Verkommenes Ufer Spur / Flachstirniger Argonauten / Schilfborsten Totes Geäst / DIESER BAUM WIRD MICH NICHT ÜBERWACHSEN Fischleichen / Glänzen im Schlamm Keksschachteln Kothaufen FROMMS ACT CASINO /Die zerrissenen Monatsbinden Das Blut / Der Weiber von Kolchis“. Heiner Müller malt in einer Art trauma(r)tischer Bildsprache eine Warnung vor der Endzeit als Erinnerung an die Zukunft. Das Stück verkörpert auf besondere Weise Müllers eigene ästhetische-politische Geschichtsphilosophie nach Hegel, Marx und Benjamin. In vielen von Müllers Texten werden Bezüge zu Vergangenheit und Zukunft nur noch als Bruchstücke einer toten Welt erkennbar. Insbesondere durch den zerstückelten Theatertext Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten scheinen Fragmente aus Kunst und Literatur hindurch, wie als Hyperlink durch einen Hypertext, wenn Müller sich durch die verschiedenen Heldenmythen, Zeitebenen und geopolitischen wie ökologischen Entwicklungen durcharbeitet und diese infrage stellt. Mit Müller lässt sich somit eine zukünftige Kritik des Subjekts der ökologischen Verwüstung erfahren, die bei der ersten kolonisierenden „Landnahme“ durch die „Flachstirnigen Argonauten“ der Vergangenheit beginnt und an einem verkommenen Ufer der Gegenwart stranden. Zugleich zeigt sich, dass Müllers ästhetische Arbeit darin bestand, aus diesem vermeintlichen Defätismus eines Waste Land ein kollektives Hoffnungssubjekt herauszuschälen, als Opposition zur instrumentellen Vernunft der Aufklärung.
Pierre Charbonnier beschreibt in seiner ökologischen Geschichte der politischen Ideen „Überfluss und Freiheit“ einen „fast völligen Zusammenbruch der Brücken, die uns gewöhnlich mit der Vergangenheit verbinden, da die Erde, die wir bewohnen, ganz und gar nicht mehr dieselbe ist wie früher, aber auch mit der Zukunft, wie wir sie uns bisher vorgestellt haben.“ Seiner Meinung nach besteht die einzige Möglichkeit aus dieser Verlust- und Entmutigungserfahrung darin, ein neuartiges, kritisches kollektives Subjekt entstehen zu lassen sowie „unsere jüngste Geschichte zu erzählen und die Landkarte unserer Bindungen so zu konstruieren, dass die Politik und die Nutzung der Erde nicht mehr heterogen sind.“ Mit Texten des ostdeutschen Dramatikers Heiner Müller will ich in meinem Beitrag nicht nur eine soziologische Kritik durch die Quellen der Literatur betreiben sondern zugleich im Sinne der Ästhetischen Theorie zeigen, wie Kunst und Literatur dieses neuartige kritische kollektive Subjekt, von dem auch Chabonnier schreibt, imaginiert, vorbereitet und erschafft. Etwa, indem Müller eine zukünftige Landschaft mit Argonauten als „Erinnerung an die Zukunft“ aus- und vermisst. Eine Landschaft, aus der ein neues plurales Subjekt hinaus zu einer anderen Zukunft als eben jener weist. Ein Subjekt, dessen Identität sich zwischen Mann und Frau, zwischen Mensch und Nicht-Mensch, in unmittelbarer Verbindung zur Natur entwirft.
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Wir stehen uns gegenüber und wissen nicht weiter. Alles ist zu viel und zugleich ist alles zu wenig. Wir haben Angst, dass sich etwas ändert und wissen dennoch, dass sich was ändern muss. Und wird. Was uns fehlt ist eine Vision, eine Vorstellung, wie das aussehen kann. Gemeinsam wollen Lucia Jay von Seldeneck und Dr. Anne Gräfe diese Momentaufnahme des Gegenüberstehens etwas näher betrachten und der Frage nachgehen, woher der Schwung kommen könnte für ein Weitergehen. Und aus dem neuen Buch vorlesen. Und tanzen!
KOMM TANZEN! nimmt uns mit auf eine Wannseeparty auf eine Bootsfahrt mit ungewissem Ausgang. Zeigt uns, wo wir stehen. Es ist eine Momentaufnahme unter Freunden, mit Trotz und Träumen, vor allem aber ist es eine Aufforderung. Eine Aufforderung zum Tanz.
Es ist einer dieser allerersten warmen Abende: Die Luft ist schwer vom Fliederduft und von der Wiese hinter der Villa hört man die Musik, wie sie in den Himmel steigt, immer weiter, bis weit über den nachtschwarzen Wannsee. Alle sind da, wieder vereint, alte Freunde, gemeinsame Geschichten, hundert Mal erzählt. Aber was machen wir, wenn uns ganz plötzlich der Boden unter den Füßen weggerissen wird? Einfach so, von einem Moment auf den anderen? Wir kämpfen. Natürlich kämpfen wir. Und was machen wir, wenn uns bewusst wird, dass unser Glaubenssatz, unsere Lebenslosung, nämlich dass alles immer weitergeht, irgendwie, und dass alles gut wird, irgendwie, plötzlich gefährlich und atemstockend ins Wanken gerät? Jona sagt es laut, er sagt, es wird kein gutes Ende mehr geben. Jona ist elf Jahre alt.
»Eine starke Erzählung! Lucia Jay von Seldeneck taucht in den Strudel einer Zeit, der alle Gewissheiten abhanden kommen – und beschwört soghaft die Frage, welcher gemeinsame Boden bleibt. Nicht nur zum Tanzen.« (Patrick Wildermann, Kulturjournalist)
The present time is one of general disruption, in which crisis is the normal state of affairs. In a situation characterized by climate catastrophe, pandemic, war, interruptions to supply chains, and contestations of democracy, the modern Western categories of ‘progress’ and ‘History’ implode. Disruption describes contemporary socio-historical experience, in which break, interruption, discontinuity take on a very different sense than in modernity: They become hegemonic and begin to entirely dominate the onto-epistemological condition and socio-historical reality. But does the present attest solely to such immense collapse? Or is this disruptive un-worlding simultaneously a transformation, an opening to a plurality of worlds in the ruins of a formerly hegemonic world? There is, on the one hand, the very real ends of the world and the increasing threat to the possibility of any world; and, on the other hand, there is the undeniable multiplicity of worlds that reveal themselves at present, their coming to presence disrupting the unity of the one World. One is confronted by this difference between the technical homogenization of all into a worldless planet and a proliferation of techniques of world-making. It is at this tension that one encounters the thought of Jean-Luc Nancy. At times, he would see only the impossibility of any world due to techno-capitalist disruption and homogenization of sense. At others, he would attest to a transformation of sense, the flipside of techno-economic hegemony, presenting a multiplicity of worlds. Does one presently find oneself at the precipice of such a transformation of the sense of the world? Or is it instead that one is outside any world, in a techno-economic disruption that is no longer existence, but which nevertheless determines it? With Nancy’s companionship, this conference proposes to take up these questions, focusing on the conceptual triad of disruption, technique, and world. Through two days of presentations and discussions, the hope will be to re-think the present, between the techno-economic disruption of world and the techniques of (re)composing worlds.
With Jean-Luc Nancy’s work as the point of departure, the hope of this conference is to re-think the present and the present status of world: between the techno-economic disruption of world and the techniques of (re)composing worlds. The aim is to take up the aforementioned questions through two days of presentations and discussions,focusing especially on the conceptual triad of disruption, technique, and world.
I will hold a lecture with the title:
The Creation of the World out of Exhaustion
abstract:
On the one hand, abundance, excess and ecstasy are markers of a neoliberal attention economy in which the desire for more is awakened and materialized into the decadence of the luxury of too much, resulting in planetary exhaustion and excessive demands. At the same time, current artistic works on these same phenomena, from excess to exhaustion, offer a way out that cannot be understood as pure opposition, but rather as ecstatic transgressions. In a similar way, Nancy's crisis diagnosis of the exhaustion of philosophy as metaphysics also underlies his political theory of mondialization: "The fact that the world is destroying itself is not a hypothesis: it is, in a sense, the fact from which any thinking of the world follows " (CW, 35). This thinking of the world from destruction also includes a creation of the world from the excess of exhaustion as a possibility. Because “The world is a possibility before beeing a reality, reversing the perspective from the given to the giving,[…]. The "best of all possible worlds" is an expression that refers above all to the activity by which this world is drawn (or draws itself) from the immensity of possibilities" (CW,65). The lecture uses contemporary artistic works to show how to endure and accept the Entropy principle, exhaustion, enables an aesthetic experience which, in the state of chaos and disorder of the world, allows something like a sensitization to become sensitive in the exhausted state - and not dulled.
In ihrem Buch "Langeweile Aushalten - Kontingenzerfahrung in der Gegenwartskunst" befragt Anne Gräfe die Kraft der ästhetischen Langeweile: Was können wir von der Langeweile erwarten? Wohin führt uns diese Stimmung als besondere ästhetische Erfahrung? In den genreübergreifenden künstlerischen Arbeiten von Heiner Goebbels lassen sich ästhetische, gesellschaftliche, philosophische und darin oftmals politische Motive dieses menschlichen Erfahrungsbereichs aufdecken, die in einem Plädoyer für das Aushalten einer radikalen Kontingenz münden. Im Gespräch zwischen Heiner Goebbels und Anne Gräfe wird im Kontext einiger künstlerischer Arbeiten von Heiner Goebbels die immanente Logik und Vorstellungen von Zeit als Behauptung einer disruptiven Erfahrung der Dialektik der ästhetischen Langeweile eröffnet und erfragt, welche Formen der Aufmerksamkeit die ästhetische Erfahrung der Langeweile bietet.
Professor Dr. h.c. Heiner Goebbels ist Komponist und Theatermacher, war von 1999 bis 2018 Professor für Künstlerische Praxis am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen, von 2012-2014 war er Intendant der Ruhrtriennale – International Festival of the Arts und von 2006 bis 2018 Präsident der Hessischen Theaterakademie. Sein künstlerisches Oeuvre umfasst Szenische Konzerte, Hörstücke, Kompositionen für Ensemble und großes Orchester, sowie Klang- und Video-installationen, das bei der Documenta 1987 und 1997, am Centre Pompidou, Paris 2000, in London 2012, Lyon 2014, Dresden 2016, Moskau 2017 und vielen anderen Orten ausgestellt wurde.
Im Kunstraum werden neben Goebbels Installation "Landscape 3" auch Ausschnitte aus "Die Provinz des Menschen", und "Stifters Dinge" Teil des Gesprächs sein.
Dienstag, 30. Jan. 2024 18:00h - 20:00h. Kunstraum der Leuphana, Lüneburg
Der Workshop widmet sich der Diskussion und phänomenologischen Weiterführung der Thesen von Alva Noë zur reorganisierenden Funktion der Kunst aus verschiedenen empirischen und theoretischen Perspektiven, z. B. anhand von Bildern, Filmen, Installationen, Musik, Literatur, Performance oder Tanz. Noë argumentiert in seinem Buch Strange Tools. Art and Human Nature (2015) ähnlich zu praxistheoretischen Ansätzen, dass menschliches Leben durch organisierte Aktivitäten strukturiert ist. Alle menschlichen Tätigkeiten (Wahrnehmen, Sprechen, Gehen, Essen u.a.m.) sind in komplexe Strukturen der Organisation eingelassen. Dabei ist das Entscheidende seiner Argumentation, dass diese Organisationsstrukturen nicht (oder nur zum Teil) von Menschen selbst geschaffen sind. Menschen erfinden, inszenieren oder steuern nicht die komplexen und dynamischen Muster, diese sie organisieren. Die Künste oder im weiteren Sinne ästhetische Praktiken haben nach Noë wiederum die Möglichkeit, die organisierenden Strukturen unserer alltäglichen Aktivitäten hervorzuheben, also Aspekte der Art und Weise, wie wir uns als Menschen organisieren, offenzulegen. Alle Künste sind in diesem Sinne reorganisierende Praktiken. Noë führt das in seinem Buch am Beispiel des Tanzes bzw. der Choreografie näher aus.
Marion Theis diskutiert mit Dr. Marc Wittmann, Silke Ohlmeier, und Dr. Anne Gräfe im SWR2 Forum.
Jeder kennt die unbehagliche Empfindung, nichts mit sich anfangen zu können oder öde Arbeit verrichten zu müssen. Trotz Internet und Smartphone gehört Langeweile zum Leben. Sie kann uns kriminell, krank oder kreativ machen.
Welche Spuren hinterlässt sie in Politik, Gesellschaft und Kultur?
Nachzuhören untern: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/langeweile-ueber-die-macht-eines-gefuehls-swr2-forum-2023-03-24-100.html
Video: https://youtu.be/LSkCccfUgGg
www.ag-medienphilosophie.de | www.dgae.de
abstract:
In Manon de Boers Videoarbeit 'An Experiment in Leisure' geschieht – fast – nichts, es scheint, als fehle ein roter Faden und doch hat sich bereits nach dem ersten Schnitt alles ein wenig verändert. Nach vier langen Minuten wird eine Off-Stimme, die über den Zwischenort des künstlerischen Prozesses im Unbewussten sinniert, gelegt. Dieser vertonte und bebilderte Gedankenschnipsel endet mit einem Hinweis auf Lewis Carrolls Fortsetzung von Alice‘s Adventures in Wonderland, das Kinderbuch Through the Looking-Glass. Dort gibt es jenen raumlosen Raum („spaceless space“) des Unbewussten, welcher Ort und Zeit kreativer Schöpferkraft darstellt und dem ich in meinem Beitrag sowohl mit Manon de Boers künstlerischer Arbeit als auch mit Arendts Theorie des Urteilens als Dazwischen der freien Zeit der Freiheit, sozusagen als zeitloser Zeit, nachgehen möchte.
Es scheint, wie es Eva von Redecker für die poetische Erzählweise von Olga Tokarczuk beschreibt, „als würde die Linie des gängigen Narrativs – also der modernen, menschlichen Zeit – selbst in Schlaufen gelegt. Die erzählte Zeit fächert sich zwischen den unendlichen Zyklen natürlicher Zeit auf.“ Und so ist es eben nur ein vermeintliches Fehlen eines roten Fadens in An Experiment in Leisure, denn Manon de Boer wählt andere Formen der Narration und des Berichtens, die sich nicht der distanzierten Perspektive von außen bedienen, sondern die sich aus der Erfahrung des Films ergeben, im Sinne einer Involviertheit eines „speaking nearby“ . Anhand der künstlerischen Arbeit Manon de Boers möchte ich aufzeigen, dass der rote Faden gerade das dargestellte nicht darstellbare Experiment in Leisure selbst ist. Das Dazwischen erschiene dann als freie Zeit abseits des Zeitverlusts, der sich aus der linearen Logik der chronologischen Zeit ergeben würde, als Poetik des Medialen.
im Rahmen der Ausstellung 'ich hab dich zum fressen gern' des kontingent kollektiv
kontingentkollektiv.com
Siegfried Kracauer Konferenz des Instituts für Sozialforschung ist.
Die Filmreihe findet von März bis Mai im DFF, dem Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, am Schaumainkai 41 in Frankfurt am Main statt. Informationen: https://www.dff.film/kino/kinoprogramm/filmreihen-specials-maerz-2022/siegfried-kracauer-film-und-gesellschaft/
Die Siegfried Kracauer Konferenz findet vom 19.–21. Mai 2022 in Frankfurt am Main statt. Informationen: kracauer-konferenz.de
abstract:
Albert Serras EL CANT DELS OCELLS stellt nur vordergründig ein Reenactment der wohlbekannten Reise dreier Könige zur Heiligen Familie dar. Subtil zeigt der Film in langen Kameraeinstellungen zugleich, wie die mühselige Suche des richtigen Stalls mitunter zu einem langatmigen Unterfangen werden kann – ganz im Sinne Kracauers, für den physische Realität in einzigartiger Weise durch Film enthüllt werden kann.
Anne Gräfe und Ellen Wagner beschäftigen sich mit der Konjunktur der metaphorischen Verwendung des Begriffes „Virus“ in der divers sich zeigenden Schnittmenge von politischen und künstlerischen Ausdrucksformen. Aus der Politik- bzw. Kunstwissenschaft kommend, werden die beiden im Gespräch die problematischen Aspekte der Metapher vom „Viralen“ in gesellschaftspolitischen und künstlerischen Diskursen erläutern, ebenso aber mögliche produktive Potentiale dieser Bildlichkeit erörtern. Dies soll nicht zuletzt im Rückgriff auf künstlerische Positionen (Melanie Gilligan: Popular Unrest; Stanya Kahn: Don’t Go Back to Sleep) geschehen, die „dem Viralen“ solche Bilder abgewinnen, welche der Komplexität der Gemengelage zwischen biologischen und gesellschaftlichen Dynamiken gerecht zu werden suchen, statt „den Virus“ zum leicht instrumentalisierbaren Schlagwort geraten zu lassen.
TIEF-DRUCK: Mit dem Titel „Winterlandschaft“ ist sowohl die Ausstellung als auch eine dreiteilige Arbeit Dominik Gußmanns bezeichnet. Bei dem für die Arbeitsweise Gußmanns typischen Triptychon handelt es sich um Fotoradierungen, die eine leere Landschaft erkennen lassen, die seltsam verkehrt erscheint. Gussmanns künstlerisches Vorgehen zielt darauf ab, die Grenzen des „klassischen“ Tiefdrucks zu erweitern. Er kombiniert Druckverfahren mit industriellen und digitalen Formen der Bilderzeugung und erforscht das Potenzial druckgrafischer Techniken mit größtmöglichem Experimentierwillen. Thematisch geht es um Gerechtigkeit, er zeigt die Zwiespältigkeit der westlichen Kultur und deren illegitimes Unrecht in manchen Bereichen.
Art meets Public:
Ellen Wagner, Kuratorin der Ausstellung, im Gespräch mit Anne Gräfe, Kulturwissenschaftlerin und Philosophin, und Linda Weiß, Künstlerin
Solidarität im Angesicht der Farce: Komische Politikvorschläge aus Karl Marx Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte
Im Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte analysiert Karl Marx, wie die gescheiterte Revolution von 18481851 den bürgerlichen Liberalismus in eine lumpige Farce (Marx 2007: 9) umschlagen liess. Dabei handelt es sich nicht um einen Unfall der Geschichte: In der vom Hanswurst (Marx 2007: 161) Louis Bonaparte ad absurdum geführten Klassenherrschaft manifestiert sich, so Marx These, eine systemisch im liberalen Versöhnungsmodell der politischen Moderne angelegte Logik der Verkehrung in ihr illiberales Gegenteil. Marx bleibt allerdings nicht bei dieser Kritik stehen. Er stellt der lumpigen Farce des Bonapartistischen Autoritarismus die Perspektive auf eine noch ausstehende politische Neuordnung gegenüber, die ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit [], sondern nur aus der Zukunft (2007: 12) schöpft. Der Vortrag geht der Frage nach, inwiefern sich diese Emanzipationsperspektive einer ästhetisch motivierten Solidarität angesichts der zunehmend autoritären Weltordnung unserer Zeit aktualisieren lässt.
Leonie Hunter arbeitet als Postdoc Fellow an der Princeton University. Nach dem Studium der politischen Philosophie und Theorie in Zürich, New York und Frankfurt am Main verfasste sie ihre Dissertation am Institut für Sozialforschung und an der École Normale Supérieure in Paris. Sie hat die Professur für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main vertreten und war Postdoc Fellow am Istituto Svizzero in Rom. 2023 erschien "Das Drama im Politischen. Hegels Ästhetik als demokratietheoretischer Traktat" bei Konstanz University Press, 2024 "Tragischer Liberalismus" im Campus Verlag.
Vortrag und Gespräch von und mit Prof. Dr. Paul Kottman (New School, New York) im Rahmen des Seminars "Ästhetik der Existenz" von Dr. Anne Gräfe.
Ethics and Contemporary Aesthetic Culture
The talk will consider two paradigmatic forms of contemporary aesthetic culture, globally: propaganda and pornography. And by the latter, Kottman do not only mean 'obscene' content, but also advertising in so-called 'food porn,' 'real estate porn' etc. What distinguishes both propaganda and pornography, historically, is the way in which their forms are capable of presenting any content with cognitive and ethical indifference. Contemporary aesthetic culture -- in this untethering of any aesthetically presented connection of form and content is post-artistic. This is also why these forms emerge in their contemporary shape thanks to the recording technologies of photography and sound. The question Kottman addresses in his talk is whether any ethical vindication of contemporary aesthetic culture is possible, in light of its manifest ethical costs.
Paul Kottman ist Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der New School for Social Research in New York. Er beschäftigt sich mit den Schnittstellen von Kunst, Philosophie und Kultur. Zu seinen Veröffentlichungen zählen Love as Human Freedom (Stanford University Press, 2017), Tragic Conditions in Shakespeare (Johns Hopkins University Press, 2009) und A Politics of the Scene (Stanford University Press, 2008), sowie als Herausgeber: The Art of Hegel's Aesthetics: Hegelian Philosophy and the Perspectives of Art History (Fink, 2017).
Kottmans Arbeiten sind geprägt von einer Reflexion über die kulturellen und sozialen Kontexte in Kunst, Kultur und Ästhetik sowie von einem Engagement für die Förderung kritischer Diskussionen über die Rolle der Kunst in der modernen Gesellschaft.
"Auf welche Weise kann ich zu Ergebnissen kommen, die mich womöglich selbst überraschen? Und lässt sich die Reparatur in die Zukunft denken? Ein Vortrag über poetische Schreibweisen zwischen Kontrollverlust und Sorge."
Am 08. und 09. Juli gibt es für Studierende der Akademie die Möglichkeit an einem zweitägigen Workshop mit Monika Rinck teilzunehmen. Vortrag und Workshop finden im Rahmen des Philosophie-Seminars "Autopoietisches Schreiben" von Anne Gräfe statt. Die Anmeldung hierfür ist abgeschlossen.
Workshop mit Monika Rinck: *"Hab ich Dir von dem Zufall erzählt?"*
Wie fange ich etwas an? Wie begünstige ich das Herannahen der Idee, die ich noch nicht habe und noch nie hatte? Im Surrealismus stellte man sich so etwas als "objektiven Zufall" vor, als hasard objectif, regelgeleitete Verfahren verfolgen mit anderen Mitteln ein ähnliches Ziel. Aber wie geht es nach dem Zufall weiter, mit oder ohne ihn? Eine Werkstatt mit Übungen und Lektüren.
Monika Rinck war, ist und wird gewesen sein: Lyrikerin, Essayistin, Übersetzerin, Liedtexterin, Radiomacherin, Mitglied der Aktionsgruppe „Das Lemma“, Schauspielerin in der fiktionalen Doku-WG-Soap "Le Pingpong d’Amour", Mitglied der Performance Rotten Kinck Schow (mit Ann Cotten, Monika Rinck und Sabine Scho), archiviert bis heute merkwürdige Begriffsprägungen und Wortbildungen im begriffstudio und hat unzählige Preise gewonnen: zuletzt 2021 den Friedrich-Hölderlin-Preis. Studiert hat sie Religionswissenschaft, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bochum, Berlin und Yale und bewegt sich Zeit ihres Studiums künstlerisch auf unterschiedlichen Gebieten der Kunst und Literatur in denen sie interdisziplinäre und intermediale Grenzüberschreitungen auslotete und ermöglichte. Sie lehrte u. a. am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und der Universität für angewandte Kunst in Wien, hielt 2015 die Münsterschen Poetikvorlesungen, 2019 die Lichtenberg-Poetikvorlesung in Göttingen sowie 2020 die Frankfurter Poetikvorlesungen. Im Sommersemester 2021 war sie Gastprofessorin für deutschsprachige Poetik am Peter-Szondi-Institut der FU Berlin. Im Jahr 2017 kuratierte sie die POETICA III in Köln, arbeitete zuvor viele Jahre beim rbb-Inforadio, ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste Berlin.
Die fiktive Kunstkritikerin Madame Realism wurde geboren, als Craig Owens 1984 die US-amerikanische Autorin Lynne Tillman fragte, ob sie für die Kunstzeitschrift Art in America über eine Renoir-Ausstellung in Boston schreiben wolle. Seitdem sind siebzehn Madame Realism Texte erschienen, die zwischen Fakt und Fiktion, zwischen New York und Umgebung, zwischen Kunstwerken und Kontexten, zwischen Gesellschaft und ihren Randgebieten, mithin zwischen Repräsentation und dem Nicht-Repräsentierten hinunher treiben und sich eindeutigen Zuschreibungen verweigern.
Dr. des. Isabel Mehl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Stephanie Marchal an der Ruhr-Universität Bochum. Sie ist Gründungsmitglied des FAK (Feministisches Arbeitskollektiv), das sich 2012 an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe gründete und u.a. das Magazin „Body of Work“ (2015) publizierte. Gemeinsam mit Laura Kowalewski und Oona Lochner gründete sie 2016 „From Where I Stand“; sie organisieren Workshops zu feministischen Schreib- und Kritikpratiken. Sie ist als Kunstkritikerin (u.a. frieze, Texte zur Kunst) und als freie Autorin für Hörspiele und das Theater tätig (u.a. Deutschlandfunk Kultur, WDR3, Badisches Staatstheater).
Dr. des. Isabel Klein ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie und Gender Studies des Instituts für Soziologie der LMU München bei Prof. Dr. Paula-Irene Villa. Für ihr Dissertationsprojekt mit dem Titel „Prekäre Intimität. Eine Ethnografie verkörperter, vergeschlechtlichter und unsichtbarer Arbeit in Nagel-und Kosmetikstudios“ erforschte sie ethnografisch Kosmetikarbeiten mit dem Fokus auf Intimität und Differenz.
Fireflies in the Dark: Letters on Ambiguities ist ein fortlaufender digitaler Briefwechsel zwischen den Künstlerinnen Jackie Grassmann und Sarah Lehnerer, der im März 2020 seinen Anfang nahm. Der dabei gewachsene Text ist ein Dokument des Desires der Autorinnen, eine Sprache für ihre künstlerische Praxis, ihr theoretisches Denken und für und den Alltag zu entwickeln, die sich in keiner traditionellen literarischen Kategorie bewegt, sondern eine eigene spezifische Form durch das Prinzip der Zugewandtheit, dem geteilten Denken und Begreifen, dem Zuhören und Ansprechen formuliert.
I am only in the adress to you. Dieses Zitat von Judith Butler ist hierbei die zentrale Einsicht und der ausschlaggebende Beweggrund, nicht aufzuhören, sondern weiter zu schreiben und in diesem gemeinsamen Verweben von verkörperter Gegenwart die eigenen Stimmen im Chor hörbar werden zu lassen. Die Kontinuität der Briefe zeichnet dabei ein lesbares, wenn auch widerspenstiges Dokument der Gegenwart. Denn das in die Lücken des Alltags eingeworbene Schreiben wird zu einer künstlerischen Praxisform, in der das Selbst und der soziale Raum aus einer subjektiven, aber nicht singulären Position, sondern im Dialog befragt werden. Die dabei stattfindende Fiktionalisierung der Selbste ist in diesem Fall keine literarische Technik (Autofiktion), in der das Selbst immer noch als eine kontingente, wenn auch multiple Figur begriffen werden kann, sondern formuliert einen hybriden, relationalen Begriff von Selbst; ein Selbst, das sich, so die These, erst in einer geteilten Praxis von Care, Zugewandtheit und Freundschaft überhaupt konstituiert und entfaltet. Im Adressieren eines/r Anderen schreiben wir den Chor zwangsläufig mit, betreiben wir ein polyphones Schreiben (Anna Tsing). Die Briefe aktivieren also die Idee eines Subjekts in Relation und versuchen die Idee des autonomen Individuums zu verlernen.
(im Rahmen des Philosophie-Seminars "Identität. Kollektivität. Kollektive Identität" von Anne Gräfe)
Gemeinsam mit Matthias Warkus (geboren 1981 in der Pfalz) hat Peter Neumann (geboren 1987 in Mecklenburg) zwischen dem 4. Dezember 2018 und dem 13. April 2019 ein Gespräch zum Thema 'critical westdeutschness' schriftlich geführt. Vorher hatten sie festgelegt: Es sollte ein Gespräch, kein Interview werden; und das Gespräch sollte ganz kathrinpassigmäßig asynchron und online verlaufen, damit sie aufkommende Themen, Links usw. beliebig recherchieren konnten. Im Rahmen des Seminars "Identität. Kollektivität. Kollektive Identität" sprechen wir mit Peter Neumann über die Identität des Subjekts, mit der sich oftmals eine je kohärente Erzählung verbindet, welche sich aus der Erinnerung an das bereits vergangene Leben speist. Eine Erzählung, die das Subjekt als einzigartig und besonders beschreibt, ausgestattet mit einem ganz eigenen Charakter. In dieser Lesart bedeutet Identität jedoch stets auch Abgrenzung: Diese Grenzen konturieren dann das Innere, das vermeintlich originär Eigene gegenüber dem Außen und Anderen. Im Kollektiv wiederum erscheinen diese individuellen Grenzen einerseits als verschwommen und in Auflösung begriffen, wenn vermeintlich das, was zuvor als individuell besonders nun in einem allgemeinen Muster homogenisiert wird. Andererseits zeigt dieses allgemein Verbindende sich im Kollektiv als Besonderes, als Muster, als kollektive Identität. Selbst- wie Fremdzuschreibungen, Mythen wie Statistiken versuchen so, die opake Pluralität der Gegenwart wahlweise in einer identitären Einheitsnarration oder einen latenten Konflikt zu ballen, je nach Intention der Autor*innenschaft. Darin enthalten ist dann jeweils auch das Unstabile, Fragile, Brüchige, sowie das Nichtbesondere, Durchschnittliche und Langweilige.
Peter Neumann ist Lyriker, Schriftsteller, Journalist und Philosoph. Er lebt in Berlin, arbeitet in Oldenburg und im Feuilleton der Zeit-Redaktion in Hamburg und hat, nach seinem Buch zu 'Jena 1800. Die Republik der freien Geister' im Siedler-Verlag, zuletzt 2019 im Alber-Verlag 'Zeit im Übergang zu Geschichte. Schellings Lehre von den Weltaltern und die Frage nach der Zeit bei Kant' veröffentlicht.
im Rahmen des Philosophie-Seminars „Liebe als Entscheidung“ von Anne Gräfe
Am Anfang jeder Beziehung steht eine Erfahrung von Unverfügbarkeit. So gründen zwischenmenschliche Verbindungen auf Unsicherheit, Ungewissheit und Zweifelund sind zugleich Anker von Vertrauen, Mitgefühl und Gewogenheit. Liebe, verstanden als romantische, freundschaftliche oder altruistische Zugewandtheit, fügt das Eigene mit dem Anderen zusammen, verbindet Eigeninteressen mit Uneigennützigkeit. In der politischen Theorie ist diese Verbindlichkeit im zwischenmenschlichen Umgang konstitutiv für jede kommende Gemeinschaft. Soziologisch stellt Liebe die erste Stufe der reziproken Anerkennung dar, in der sich die Subjekte ihrer gegenseitigen Bedürftigkeit versichern. Şeyda Kurt untersucht in ihrem im April 2021 erschienenem Buch "Radikale Zärtlichkeit-Warum Liebe politisch ist" alte und neue Konzepte von Intimität und zeigt auf, inwiefern das Private politisch ist-jedoch gänzlich anders, als bisher dieser Spruch verstanden wurde: "Es geht also um Gleichzeitigkeiten. Es geht um die Gleichzeitigkeit von Zärtlichkeit und Radikalität. Es geht um die Gleichzeitigkeit von Fairness im Privaten und Gerechtigkeit im Politischen. Und darum, dass diese Grenzziehungen irgendwann nicht mehr notwendig sind. Auf den Blick in die Vergangenheit und Gegenwart folgt in diesem Buch daher zwangsläufig ein Blick in die Zukunft. Radikale Zärtlichkeit ist das Eingeständnis der Notwendigkeit von Visionen, die politisch und vielfältig zugleich sind." Şeyda Kurt schreibt und spricht über Kultur, Politik und intersektionalen Feminismus. Als freie Journalist*in und Autor*in arbeitet sie für unterschiedliche Print-und Onlinemedien, u.a. für ZEIT Online, die Tageszeitung TAZ, nachtkritik, Edition F, sowie für unterschiedliche Podcast-Formate bei spotify. Als Kuratorin war sie darüber hinaus für das Goethe-Institut und verschiedene Filmfestivals (Berlinale, Kurzfilmtage Oberhausen) tätig.
im Rahmen der Philosophie-Seminare „Dazwischen“ und „Liebe als Entscheidung“ sowie des „Kolloquiums Philosophie“ ein öffentliches Online-Gespräch zum Thema der „Beziehungsweisen“ im künstlerischen Arbeiten mit der bildenden Künstlerin und Theaterregisseurin Konstanze Schmitt:
In der politischen Theorie ist die Verbindlichkeit als Dazwischen der zwischenmenschlichen Beziehungen konstitutiv für jede kommende Gemeinschaft. In den letzten Arbeiten von Konstanze Schmitt werden diese Beziehungen in einem vom Kapitalismus geprägten Alltag sowohl inhaltlich als auch in Form der kollektiven Projektarbeit thematisiert. Ob in ihrer Triologie „Liebe in Zeiten des Kapitalismus“ oder in dem kollektiven Protest-Opernprojekt „Wem gehört Lauratibor ?“, stets rückt sie die privaten Beziehungen zwischen den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. So eröffnet Konstanze Schmitt von den zwischenmenschlichen Beziehungen ausgehend politische Perspektiven: Sie fasst einerseits die Gesellschaft als Summe der in ihr existierenden sozialen Beziehungen und zeigt andererseits über mögliche andere Beziehungsweisen, wie diese Gesellschaft eine andere sein könnte.
Konstanze Schmitt ist eine bildende Künstlerin und Theaterregisseurin. Ausgehend von dokumentarischem und biografischem Material und politischen Kontexten, erforschen ihre Performances und Installationen Möglichkeiten und Wirklichkeiten von Utopien, z.B. kommunistische Sehnsucht und romantische Liebe. Neben diversen Einzelausstellungen und Aufführungen in Berlin, Hildesheim, Hamburg, Riga, Madrid, Bern, Mexiko, Asunción/Paraguay oder Tegucigalpa/Honduras bringt sie gemeinsam mit vielen anderen Künstler*innen und Aktivist*innen als Kollektiv Lauratibor aktuell die Protest-Oper „Wem gehört Lauratibor?“ auf die Straße (Uraufführung 12. Juni 2021, zweite Aufführung am 20.06.2021).
Jean-François Lyotard schrieb 1984: "Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem avantgardistischen Manifest und dem Vorlesungsverzeichnis einer Kunsthochschule, wenn man sie in ihrem Verhältnis zur Zeit betrachtet. Beide sind Optionen dafür, daß es weitergehen soll. Aber zugleich vergessen beide die Möglichkeit: daß nichts geschieht, daß es nicht weitergeht, daß die Wörter, die Farben, die Formen oder die Töne fehlen, daß der Satz der letzte sein wird, daß das Brot nicht täglich ist. Dieses Elend erwartet den Maler, wenn er mit der bildnerischen Oberfläche zu tun hat, den Musiker vor der surface sonore, den Denker vor der Wüste des Denkens usw. Nicht nur vor der weißen Leinwand oder der weißen Seite, zu »Beginn« des Werks, sondern jedesmal, wenn etwas auf sich warten läßt, d.h. in Frage steht, vor jedem Fragezeichen, jedem was nun?" Um diesem Vergessen einen weiteren ambivalenten Zwischenmoment hinzuzufügen, ist die Installationskünstlerin Maria Thrän eingeladen, um im Seminar "Dazwischen" über ihre Arbeit mit, am und im Dazwischen zu berichten.
Maria Thrän arbeitet als freischaffende Künstlerin mit analogem, installativen Licht und Sound. Ihre künstlerischen Schwerpunkte sind im Grenzbereich zwischen Bildender Kunst, Musik und experimenteller Forschung anzusiedeln. Ihre Arbeiten sind Reflexionen ökologischer wie gesellschaftlicher Dimensionen und beinhalten dabei stets die diversen Beziehungen zwischen Raum und Körper. Ausstellungen u.a. in Minsk, Prag, Berlin, Mailand, Frankfurt am Main. Mehr: http://mariathraen.com/#/
„Es gibt außer der ‚Postmoderne‘ in der ästhetischen Theorie wohl keinen Begriff, der so diffus und gleichzeitig so wirkungsmächtig ist“, wie ‚camp‘, schrieb Felix Stephan in der Süddeutschen Zeitung. Was ‚camp‘ ist, sei dafür umso problematischer zu fassen. 1964 definiert Susan Sontag Camp als eine Erlebnisweise, eine Sensibilität in der Art und Weise der Betrachtung der Kunst und der Welt unter rein ästhetischen Gesichtspunkten. Hier wird das Ästhetische derart überhöht, dass das Moralische und das Politische scheinbar dahinter verschwinden. Das Teilnahmslose, Coole und dabei vermeintlich nicht Identifizierende ist es, was Camp einerseits ausmacht. Andererseits ist Camp verwandt mit Ironie, Kitsch und Popkultur. Und so ist das Interessante an der als camp rezipierten Kunst, dass diese ernst gemeint ist und dadurch zugleich als camp wie nicht-camp, sondern als das was es gemeint ist, als identifizierend, rezipiert wird. „Reines Camp ist immer naiv. Camp, das weiß, dass es Camp ist, überzeugt in der Regel weniger.“ Bei Camp wurde in Form der ironischen Überhöhung und Übertreibung von sich selbst ernstnehmenden stereotypen Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft gerade jene stereotype Vorstellung als solche vorgeführt und entlarvt (auch wenn das nicht primäres Ziel der Camp-Bewegung gewesen sein mag). Interessant ist, dass Camp, von dem Susan Sontag selbst schrieb, es sei nicht zu beschreiben möglich, sich von einer ironischen Brechung mit der Massenkultur der 1960er und -70er Jahre, „Kultur in Anführungszeichen zu konsumieren“ , in der Gegenwart zu einer Retro-Mode und damit einem Massenphänomen entwickelte, dabei mittlerweile als oftmals ironiefreie Aneignung und Überhöhung, mithin als Produkt wie Motor, dieser Massenkultur fungiert. Camp wird von Sontag als Dandyismus im Zeitalter der Massenkultur bezeichnet. Wo sich die Dandys alten Stils noch dem guten Geschmack hingeben haben, unterscheiden die Anhänger des Camp nich mehr zwischen dem besonderen Gegenstand und dem Massengut. Der Dandy verstehe es, die Produkte der Massenkultur auf eine eigene, sensible Art zu besitzen.Das Terrain des Camp-Dandys der Massenkultur ist die Subkultur. Sontag sah nicht zuletzt im Erleben der Psychopathologien des Überflusses den Erfahrungsraum für Camp abgesteckt. Diese Psychopathologien des Überflusses haben sich seit damals jedoch intensiviert und verändert. Was kann dann heute camp sein? Wie kann der Dandy der Gegenwart aussehen?
Ausgehend von den Diskussionen des Seminars unternehmen wir mit Hans-Christian Dany einen Blick auf aktuelle künstlerische Positionen in der von ihm und Valérie Knoll kuratierten Ausstellung 'No Dandy, No Fun' (https://kunsthalle-bern.ch/ausstellungen/2020/no-dandy-no-fun/) um zu erfragen, welche Aktualisierungen sich seit Sontags Essays in Kunst, Popkultur und Ästhetik ausmachen lassen und wie Sontags Überlegungen in Zeiten von Identitätspolitik und Spätkapitalismus weiterhin helfen könnten, eine andere Perspektive, als eine andere Erlebnisweise, einzunehmen.
Das Gespräch mit Hans-Christian Dany findet im Rahmen des im Winterseemster 20/21 stattfindenden Seminars 'Camp, Gegen-Interpretation und eine neue ästhetische Erlebnisweise' des Lehrstuhls für Philosophie / Ästhetische Theorie an der Akademie der Bildenden Künste München statt, ist aber für alle Mitglieder der Akademie offen.
Alle Interessierten möchten wir sehr herzlich zur Veranstaltung einladen. Die Anmeldung sowie die nötigen Zugangsdaten senden wir gerne zu, nach kurzer Anfrage / Rückmeldung an: anne graefe via mail
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Das Buch 'Full Surrogacy Now' der Autorin Sophie Lewis ist ein "ernsthaft radikaler Ruf nach voller Schwangerschaftsgerechtigkeit" (Donna Haraway). Lewis plädiert dafür, Praktiken der Leihmutterschaft zu transformieren und zu erweitern und sieht darin auch die Möglichkeit für neue Vorstellungen von Verwandtschaft und Reproduktionsarbeit, die von der Kleinfamilie weg und zu anderen Formen von Sozialität und geteilter Verantwortung hinführen würden. Kämpfe in der Leihmutterschaftsbranche können laut Sophie Lewis dazu beitragen, den Weg zu alternativen Familienarrangements aufzuzeigen, indem wir mit der Annahme brechen, dass Kinder notwendigerweise zu denen gehören, deren Genetik sie teilen. Dieses erweiterte Konzept der Leihmutterschaft hilft uns zu erkennen und zu affirmieren, dass es immer, wie das Sprichwort sagt, mindestens ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen.
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Sophie Lewis ist Autorin und Übersetzerin. Unter anderem hat sie Communism for Kids von Bini Adamczak (MIT, 2016), Unterscheiden und Herrschen von Sabine Hark und Paula-Irene Villa (Verso, 2020) sowie A Short History of Feminism von Antje Schrupp (MIT, 2017) übersetzt. Sie ist Mitglied des Kollektivs Out of the Woods und Redakteurin bei Blind Field: A Journal of Cultural Inquiry. Als queere feministische Geografin hat sie sich der Cyborg-Ökologie und dem Antifaschismus verschrieben. Weitere Schriften zu Donna Haraway u.a. wurden in The New York Times, Boston Review, Viewpoint Magazine, Zeichen, Dialoge in Humangeographie, Antipode, Feminismus und Psychologie, Wissenschaft als Kultur, Grenzen, The New Inquiry, Jacobin, Mute and Salvage Quarterly veröffentlicht.
Mehr als 180 internationale und nationale Ästhetiker_innen nehmen daran teil; unter ihnen wichtige Namen der deutschsprachigen Ästhetik. International renommierte Redner_innen aus den Bereichen Philosophie (Lydia Goehr, Michael Kelly, jeweils aus den USA, Tristan Garcia, Frankreich), Kulturwissenschaft (Sianne Ngai, USA) und Literatur (Monika Rinck) konnten für die Keynotes gewonnen werden. Auch eine mit Christoph Menke, Eva Geulen, Tom Holert und Iris Laner prominent besetzte Podiumsdiskussion zur Gegenwart ästhetischer Bildung ist gesetzt. Thematisch beschäftigen sich die Panels und Workshops u.a. mit Designästhetik, Ästhetik des Rechts, Sexualästhetik, dem Begriff künstlerischer Forschung, dem Verhältnis von Ästhetik und Politik, der Medienästhetik u.v.m.
In der Periode von 2015 bis 2018 liegt die Präsidentschaft bei Juliane Rebentisch, Professorin für Philosophie und Ästhetik und Vizepräsidentin an der HfG Offenbach
14. bis 17. Februar 2018
Hochschule für Gestaltung Offenbach
Schlossstraße 31, Hauptgebäude
Orte: Aula, 101, 312, Bühnenbild B3, D 301, D 40
Die einzelnen Veranstaltungen werden zu Semesterbeginn bzw. einige Wochen vor Veranstaltungsbeginn über die Digitalen Netzwerke bekanntgegeben. Die Awareness Talks werden kuratiert von Anne Gräfe
Nach den Ereignissen in Paris stehen Begriffe wie Freiheit, Meinung, Sicherheit, Kritik und Identität auf dem Prüfstand. In der Öffentlichkeit konzentrieren sich die Debatten auf die Ausübung der Pressefreiheit und den gesellschaftlichen wie staatlichen Umgang mit dem radikalen Islamismus. Sei es der Ruf nach einem europäischen patriot act und der damit verbundenen Begrenzung der Freiheit zum Schutz derselbigen oder die sich anschließenden Diskurse um bestehenden, produzierten und resultierenden Antisemitismus und Islamophobie. Dahinter steht auch die Frage, welche Ideen und sozialen Kontexte der Ausübung brutaler Gewalt einerseits und der gesellschaftlichen Reaktion andererseits zugrunde liegen. Sind Terrorismus und Gewalt erklärbar oder müssen sie als letztlich unergründbar und damit willkürlich hingenommen werden? Ist der Umgang mit Teilen des europäischen Islam als Praktik des „othering“ zu verstehen, die durch Ausgrenzung die Gewalt gewissermaßen mitproduziert? Was sind die Konsequenzen für Debatten und Meinungsbildung der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft? Haben staatliche Sicherheitskräfte das Recht oder die Pflicht, die Freiheit der Meinungsäußerung (z.B. im Internet) einzuschränken, um sie an anderer Stelle (z.B. bei Satiremagazinen) zu bewahren? Und welche Rolle spielt in diesem Kontext die Universität als Ort, an dem - mit Derrida - nichts außer Frage stehen sollte!?
Das Projekt „Pensées Françaises Contemporaines“ beherbergt zumeist zwei französische Gastprofessoren aus Paris 1, die Viadrina beherbergt darüber hinaus einen weiteren permanenten Gastprofessor aus Paris 8. Seitens des Projekts und als Mitglieder der Viadrina luden wir alle Mitglieder der Universität ein, diese lose aufgeworfenen Fragen zu erweitern und in einer offenen Podiumsdiskussion zu erörtern. Auch, um als Universität gemeinsam mögliche Reaktionen, etwa in Form von gemeinsamen Lehrangeboten oder Veranstaltungen zu aktuellen Ereignissen, zu besprechen. Wir baten daher alle Mitglieder der Europa-Universität, sich mit einer kurzen Meinungsäußerung (3-5 Minuten) zu beteiligen.
Seit der Hochschulgründung ist die europäische Vernetzung für die Europa-Universität Viadrina programmatisch. Insbesondere die Länder des Weimarer Dreiecks liegen dabei im Fokus, der auch in der strategischen Partnerschaft mit der Universität Paris 1 Panthéon Sorbonne seinen Ausdruck findet. Dies war besonderer Anlass, sich mit den Attentaten als Ausdruck eines Konflikts um „westliche“, europäisch geprägte Werte zu befassen.
Circa 80 Studierende, Dozierende, Professor_innen und Mitarbeiter_innen kamen am Dienstag, den 20.01. um 16 Uhr in das Logenhaus der Europa-Universität Viadrina um sich bei dieser kurzfristig anberaumten Veranstaltungen über die Ereignisse zwischen dem 7. und 9. Januar und die möglichen Folgen und Fragen eines Danach auszutauschen. Die Attentate wurden einhellig verurteilt.
Die Gastprofessoren Nicolas Hubé (Paris 1) und Thomas Serrier (Paris 8) gaben zu Beginn einen kurzen Einblick in die französischen Debatten und Perspektiven. So charakterisierte Nicolas Hubé das Magazin Charlie Hebdo als eine insgesamt antireligiöse, aber nicht islamfeindliche Zeitschrift und verwies auf das für die französische Demokratie wesentliche Prinzip der Laizität, dem sich das Magazin verpflichtet sieht. Auch merkte er an, dass Satire und politische Karikaturen insbesondere im Kontext der französischen Kultur- und Presselandschaft für eine kritische Debatte unerlässlich seien.
Daran anschließend wurde diskutiert, ob satirische Kommentare zu innenpolitischen Themen und international umstrittenen Themen (wie der Frage der Mohammed-Karikaturen) unterschiedlich zu bewerten seien und ob in bestimmten Fällen gemäßigte Darstellungen geboten seien. So wurde unter anderem auch auf die Problematik der De- und Rekontextualisierung von Stellungnahmen in nationalen Debatten unter den Bedingungen globaler medialer Vernetzung hingewiesen. Mit Bezug auf das berühmte Zitat Kurt Tucholskys wurde darüber gesprochen, inwiefern Satire tatsächlich alles darf.
Daneben wurde der Blick auch nach Deutschland gewandt: Unter dem Eindruck der Pegida-Bewegung wurde erörtert, inwiefern die mediale Rezeption der Attentate Diskurse der Ausgrenzung und Diskriminierung von Einwanderern fördere.
Im Hinblick auf die Rolle der Universität, als Institution an der diskutiert wurde ebenso wie als umfassender wissenschaftlicher Diskursort, wurde darüber debattiert, inwiefern die Diskussion kritischer Argumente unabhängig von einer öffentlichen Positionierung möglich ist. Hiermit wurde die Bedeutung der Universität betont - als ein der responsiven medialen Debatte entzogener Raum.
Myriam Bienenstock hat seit 1997 den Lehrstuhl für Deutsche Philosophie an der Université François Rabelais in Tours, Frankreich, inne. Zuvor war sie Professorin für Philosophie an der Université Pierre Mendès-France (Grenoble III) und ist als Gastprofessorin in Jerusalem, Frankfurt am Main, Münster und Zürich bekannt. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen sowohl bei Hegel und dem Deutschen Idealismus, als auch im Bereich des Jüdischen Denkens im 19.- 20. Jahrhundert, bes. Hermann Cohen, Franz Rosenzweig und Emmanuel Levinas.
Norbert Waszek habilitierte 1998 an der Université Paris 1 Pantheon-Sorbonne. Von 1999 bis 2003 war er Professor für deutsche Zivilisation und Ideengeschichte an der Universität Rouen. Seit 2003 ist er an Université Paris VIII Saint-Denis, wo er 2006 er zum professeur de première classe und 2012 in die classe exceptionnelle befördert wurde. Seine Forschungsschwerpunkt liegen in der Philosophie- und Ideengeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Er publizierte unter anderem zur Aufklärung, zum Deutschen Idealismus und zur Hegelschen Schule.
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Das Seminar soll gemeinsam mit den Studierenden sowohl einen ideengeschichtlichen Einblick in diese Besonderheit der Kulturwissenschaften an der Viadrina bieten, als auch diese diskutieren und durch zu erarbeitenden Fallstudien am Prozess der Selbstverständigung teilnehmen. In Anlehnung an das Konzept des Forschenden Lernens sollen die Studierenden durch die Fallstudien (als mgl. Vergleichsstudien, Profilbeiträge, WiKi-Einträge oder historische Analysen, ..) den Blick auf ihr Studium schärfen und sich am stetigen Reformprozess der Kulturwissenschaften beteiligen können.
Das Seminar will eine ideengeschichtliche Vermessung dieser politischen Differenz vornehmen und sich nach einer eingängigen begriffshistorischen Spurensuche mit den aktuellen Autor_innen beschäftigen, die zu unterschiedlichen Ansätzen von Kritik und eines Zweifel am Bestehenden gelangen.