Papers by Sławomir Piontek

Kontext zu lesen ist kein allzu originelles Unterfangen mehr, dicse Art der Lektűré ist in den An... more Kontext zu lesen ist kein allzu originelles Unterfangen mehr, dicse Art der Lektűré ist in den Analysen zum Text seit seinem Erscheinen prasent. 1 Bereits 1996 sieht Hubert Orlowski im Ransmayrschen Geschichtsmodcll das Schcitem der "Bildungsutopie Moor" 2 (244), was er als "den intendierten Subvcrsionsdiskurs der allgemein verbindlichcn Fortschrittsidee" 1 interpretiert und kritisiert. Ein Jahr spater erkennt Konrád Paul Liessmann im Kontext des "zentralen Problemfs] aller Kunst nach Auschwitz: ob das Entsetzliche dargestellt werden kann" 4 das geschichtsphilosophische Thema des Romans, das hciBt "die Unmöglichkeit von Zukunft angesichts einer unverganglichcn Vergangenheit" 5 , wobei er geneigt ist, den Text mehr als poetische "Parabcl fiir die schockhafte Zentralerfahrung des 20. Jahrhunderts" und ein "Modell dafiir" zu sehen, "was angesichts dieser Erfahrung fiir Kunst noch möglich ist" 4 als einen Bezúg auf konkrété historische Erfahrung. Carl Niekerk hált die "negatíve Teleologie" 7 fiir das Hauptanliegcn des Romans, wobei er den erschöpften Steinbruch von Moor als Anzeichen kommender ökologischer Katastrophe deutet und den Text als einen Versuch versteht, "die vergangene Katastrophe, die Erfahrungen des Drittcn Reiches auf die Konsequenzen fiir die zukünftige Katastrophe hin, die ökologische Problcmatik, zu befragen"*. Für Ian Forster liegt die Aufgabe der kontrafaktischen Geschichtsdarstellung in der Verfremdung der allzu ,vertrauten' Geschichte der Shoah und somit in der Gewin-1
Journal of Austrian Studies, 2022

Convivium. Germanistisches Jahrbuch Polen
Die Konjunktur von Fragen nach Funktionen und Bedeutung der Grenzen dauert fast seit einem halben... more Die Konjunktur von Fragen nach Funktionen und Bedeutung der Grenzen dauert fast seit einem halben Jahrhundert in vielen Forschungsdisziplinen an. Wichtige Impulse für die Entwicklung von border studies lieferten um die Jahrtausendwende 2000 demokratische Transformationen in Mitteleuropa, die nicht nur politisch-administrative Funktionen mittelosteuropäischer Grenzen nachhaltig veränderten, sondern auch zu einer intensiven Reflexion über deren historische, geographische, politische, soziologische, rechtliche und nicht zuletzt anthropologische Bedeutung anregten. Die Prozesse in Mittelosteuropa können zu einem großen Teil als Prozesse der Entgrenzungen gesehen werden. Die Öffnung der Grenzen innerhalb des ehemaligen ‚Ostblocks' und vor allem gegenüber dem ‚Westen', der konsequente Abbau von Restriktionen, die sowohl die persönliche Mobilität als auch eine freie Gestaltung von Arbeits-und Handelsmärkten beeinträchtigten, begleitet von strategischen politischen Entscheidungen (Grenz-und Nachbarschaftsverträge, EU-Erweiterung etc.) haben sowohl praktisch als auch emotional die Bedeutung von Staatsgrenzen zu einer eher administrativ-theoretischen Notwendigkeit schrumpfen lassen. Nicht zuletzt dadurch trat die europäische sprachliche, kulturelle, historische und mentale Vielfalt stärker in Erscheinung, die aber nicht nur zu einer Reflexion über den verbindenden Charakter von Grenzen einlud, sondern auch Anlass zu einem neuen Grenzdenken bot. Die die europäische Entwicklung überlagernden Globalisierungsprozesse, die unter anderem eine Krise der Nationalstaaten oder ein wiedererwecktes Interesse an Imperien zur Folge haben (FRANÇOIS, SEIFARTH, STRUCK 2007:7), zeigen weitere Konsequenzen von Entgrenzungsprozessen auf-und zwar in einer großen Skala. Das Auflösen und Demontieren von Grenzen scheint nicht nur in politischgeographischer Hinsicht ein Signum der Jahrtausendwende zu sein. Dabei sind Entgrenzungen nicht nur Gegenstand theoretischer Reflexionen, sondern auch ein Teil der kulturellen, sozialen oder sprachlichen Lebenspraxis. So werden Grenzen etwa identitätsstiftender Kollektive (Generationen, Nationen) weitgehend durchlässiger, auch Konsequenzen, die sich aus bisher mehr oder weniger als obligat angesehenen Dependenzverhältnissen ergaben, erscheinen immer häufiger als diskutabel (siehe etwa die postulierte Orthographiefreiheit auf Internetforen). Zu fragen wäre, inwiefern Entgrenzungsprozesse als Resultat des
Journal of Austrian Studies
Colloquia Germanica, 47 (2014), H. 4, 2017
Der Beitrag analysiert den Roman von Gerhard Fritsch „Fasching“ im Kontext österreichischer Ident... more Der Beitrag analysiert den Roman von Gerhard Fritsch „Fasching“ im Kontext österreichischer Identitätsdiskurse, die sich in der Nachkriegszeit aufgrund der sogenannten Opferthese entwickelt haben. Diese Diskurse beziehen sich auf die Rolle Österreichs während der NS-Zeit und im zweiten Weltkrieg. Die narrative Konstruktion des Textes, in der drei wichtigste Aspekte dieser Diskurse zusammengeführt werden – Diffamierung der Deserteure aus dem deutschen Militär, der Mythos der ‚sauberen Wehrmacht‘ und die Frage des österreichischen Widerstandes – zeugt davon, dass der Roman programmatisch eine Demontage österreichischer Gründungs- und Identitätsmythen ansteuerte.

Die Rampe, 3, 2017
Texts by Martin Pollack which were published in 2014 and 2016 can be read in the context of proce... more Texts by Martin Pollack which were published in 2014 and 2016 can be read in the context of processes which have been diagnosed for approximately 15 years as the gradual end of postmodernism and have been intensively discussed in the philosophy, cultural sciences, architecture, visual arts and a number of other disciplines.
The reflection on the end of postmodernism in the context of historicisation of the Shoah can be observed in the literature very well. Apart from questions on the importance of witnesses, authenticity of ‚testimonies’, transformations of the forms of memory etc., scholars also relate very much to the transformation of experience in the text. It seems that precisely this process which is a fundamental principle of postmodernism, causes a real discomfort the very moment it actually starts off. The thesis is that the radicality with which the postmodernism proclaimed textualization of reality, was only possible because there were still witnesses of the Shoah who acted as real correlates of these proclamations and could refer to their own experiences. In contrast, the discomfort starts off at the very time, when the proclamations actually come true, viz. when there are no more witnesses and the Shoa is to be reduced to a text which is open for interpretation.
The article adresses first opinions and proposals on overcoming of postmodernism, subsequently it refers shortly to one of many novels which have been focusing on the reflexion on the borders of postmodernism ever since the 1990s and have been implementing it poetologically. Finally, interpretations of the last two texts by Martin Pollack, „Kontaminierte Landschaften“ and „Topografie der Erinnerung“, are being presented in this context.

Zwischen ‚Einflussangst‘ und ‚Einflusslust‘. Zur Auseinandersetzung mit der Tradition in der österreichischen Gegenwartsliteratur. Hrsg. v. Joanna Drynda, Alicja Krauze-Olejniczak, Sławomir Piontek. Wien: Praesens, 2017
Arnold Geiger's novel can be read as a family saga which in the same time analyzes the communicat... more Arnold Geiger's novel can be read as a family saga which in the same time analyzes the communicative and cultural memory of the fictitious family Sterk. However, the present article perceives the novel as the voice in the discussion concerning the postmodern condition of the recent times. The constructive principles of the setting and the main protagonist can be understood as direct referencing of the chosen postmodern theories onto the novels fictional universe. The boundary condition that is achieved this way (rejecting the past, historical immobility, lack of energy) critically point to the possible consequences of modeling the world according to the postmodern assumptions.
Studia Germanica Posnaniensia. Hrsg. v. Andrzej Denka, Magdalena Kardach. Poznań: Wydaw. Naukowe UAM, 2016
The article analyzes the transformations of German stereotypes of Poles in current prose of Polis... more The article analyzes the transformations of German stereotypes of Poles in current prose of Polish immigrant authors in Germany. The authors show a particularly keen awareness of the long term stereotypes and try to change their meaning by means of detachment, humor and irony.
Keywords: stereotypes, the long term, migration, German literature, Polish authors

STIMULUS. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Germanistik 2014. Wien: Präsens Verlag , 2016
Elemente des kulturpolitischen und institutionellen Voraussetzungssystems der Literatur in Österr... more Elemente des kulturpolitischen und institutionellen Voraussetzungssystems der Literatur in Österreich in den zwei ersten Nachkriegsjahrzehnten sind bereits Gegenstand mehrerer literaturwissenschaftlicher Analysen geworden. Einer der Bereiche, in dem Selbstbestimmungsversuche junger Schriftstellerinnen und Schriftsteller unmittelbar nach dem Krieg gegenwartsnah artikuliert werden konnten, war die Institution der (Kultur)zeitschriften, die besonders in der frühen Nachkriegszeit sich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen in einer konkurrenzlosen Position gegenüber anderen Medien, wie etwa Büchern, befanden. Die Debatten in der Zeitschrift Neue Wege etwa, die zwischen 1947 und 1958 zum wichtigsten Forum der Auseinandersetzungen geworden ist, bezeugen, dass viele Meinungsverschiedenheiten sich als Differenzen voller Spannung und Dynamik erweisen. Im folgenden Beitrag stehen zur Diskussion einige ausgewählte Aspekte der Selbstbefragung und Selbstreflexion der jungen Generation, die in den ersten zehn Nachkriegsjahren im Spannungsverhältnis zwischen Erinnerung, Analyse und Postulat artikuliert wurden, wobei die im Fokus stehenden Debatten in den 'Neuen Wegen' durch Seitenblicke auf Stimmen aus anderen Zeitschriften ergänzt werden.

Die ‚Wende‘ von 1989 und ihre Spuren in den Literaturen Mittelosteuropas. Hrsg. v. Alicja Krauze-Olejniczak, Sławomir Piontek. Frankfurt am Main: Lang, 2017
Texte von in Polen lebenden Autoren (Andrzej Stasiuk, Kazimierz Brakoniecki) als auch von solchen... more Texte von in Polen lebenden Autoren (Andrzej Stasiuk, Kazimierz Brakoniecki) als auch von solchen, die in Deutschland ihren festen Wohnsitz haben und dort schreiben (Brygida Helbig, Krzysztof Niewrzęda, Maria Kolenda) lassen imagologische Lesarten zu und nicht wenige Rezensenten und Kritiker dekonstruieren geschickt Spiele mit Stereotypen. Bezüge auf das kommunikative Kulturmodell und auf postkoloniale Deutungsansätze ermöglichen jedoch eine andere Perspektive auf diese Texte und machen Übereinstimmungen sichtbar, die die Reflexionen über die gegenseitige deutsch-polnische Wahrnehmung der letzten 25 Jahre begleiten. Deutliche Dominanten dieser Wahrnehmung sind: Kommunikationsstörungen, Homogenisierungsängste und emanzipatorisches Differenzbewusstsein

Odysseen des Humanen. Antike, Judentum und Christentum in der deutschsprachigen Literatur. Festschrift für Prof. Dr. Maria Kłańska zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Katarzyna Jaśtal, Paweł Zarychta, Anna Dąbrowska. Frankfurt am Main: Lang, 2016
Der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist die Beobachtung Theodore Ziolkowskis, dass d... more Der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist die Beobachtung Theodore Ziolkowskis, dass die Rezeption der Antike in der deutschen Literatur als Indikator für die Verstehens- und Deutungsweise der deutschen Geschichte und Befindlichkeit zum jeweiligen Zeitpunkt der Rezeption betrachtet werden kann, d. i., dass „die literarische Behandlung antiker Autoren und Themen in einer überraschenden Parallelität die Hauptstadien der deutschen Geschichte sowie die Hauptbelange deutschsprachiger Schriftsteller […] reflektiert“. Im Folgenden wird analysiert, wie das odysseisch präfigurierte Narrativ der Heimkehr in zwei Romanen von Bernhard Schlink parallel zur deutschen historiographischen Metapher der ‚Heimkehr‘ aus dem zweiten Weltkrieg gesetzt und daraus ein Deutungsmuster für die historische und gesellschaftliche Selbstreflexion entwickelt wird.

Bis zum Ende der Welt. Ein Symposium zum Werk von Christoph Ransmayr. Hrsg. v. Attila Bombitz. Wien: Praesens Verlag, Nov 1, 2015
Den Roman 'Morbus Kitahara' von Christoph Ransmayr im erinnerungskulturellen
Kontext zu lesen ist... more Den Roman 'Morbus Kitahara' von Christoph Ransmayr im erinnerungskulturellen
Kontext zu lesen ist kein allzu originelles Unterfangen mehr, diese Art der Lektüre ist in den Analysen zum Text seit seinem Erscheinen präsent. Der vorliegende Beitrag lädt zu einer Lesart ein, die den Roman auf die Erinnerungsdiskurse der 1990er Jahre bezieht und ihn von der Dynamik
der Vergangenheitsdebatten und -narrative dieser Jahre geleitet sieht. Die These lautet: Der Roman kreiert keine alternative Geschichte, die auf mögliche Entwicklungslinien und Folgen hin untersucht wird, sondern umgekehrt: die Bilder und Geschichten des Romans schöpfen sehr viel aus den Vergangenheitsdiskursen der 90er Jahre. Der Text fokussiert nicht das erste Vierteljahrhundert der Nachkriegszeit, sondern übersetzt die erinnerungskulturelle Beschaffenheit der 1990er Jahre samt allen Rand- und Grenzzonen in eine fiktionale Wirklichkeit der 1950er und 60er Jahre.
Ungeduld der Erkenntnis. Eine klischeewidrige Festschrift für Hubert Orłowski. Hrsg. v. Włodzimierz Bialik, Czesław Karolak, Maria Wojtczak. Frankfurt am Main: Lang, 2014
Zwischen Aufbegehren und Anpassung: poetische Figurationen von Generationen und Generationserfahrungen in der österreichischen Literatur. Hrsg. v. Joanna Drynda unter Mitarb. von Paweł Domeracki und Marta Wimmer. Frankfurt am Main: Lang, 2012

Aussiger Beiträge, 6, 2012
Der Beitrag konzentriert sich auf Identitätskonzepte, die Artur Becker in seinen Romanen "Das Her... more Der Beitrag konzentriert sich auf Identitätskonzepte, die Artur Becker in seinen Romanen "Das Herz von Chopin" und "Wodka und Messer" für eine Migrantenexistenz vorschlägt. Das herkömmliche Modell (Überdruss an der neuen, Sehnsucht nach der verlassenen Heimat) wird von Becker verworfen. Stattdessen entwickelt er das Konzept der Parallelität der Intensität, des gleichzeitigen Einwirkens der Erfahrungen aus verschiedenen Zeitebenen, das weder eine volle Integration noch die Rückkehr möglich macht. Diese Gespaltenheil wird in den Texten poetologisch als Poetik der Verdoppelung inszeniert, wobei die Raumsemantik eine eminente Rolle spielt. Der Zustand der Krise, in der sich die Protagonisten befinden, wird im Beitrag als ,vorhybrider Zustand' apostrophiert, wobei das Erreichen einer hybriden Identität von Becker angezweifelt wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine ,Interferenzkrise', deren Überwindung zwar vom Autor in Aussicht gestellt, aber gleichzeitig als verdächtiges Idyll desavouiert wird.

Orbis Linguarum, vol. 38, 2012
Die Geschlagenen by Hans Werner Richter written in 1949 was one of the first literary texts explo... more Die Geschlagenen by Hans Werner Richter written in 1949 was one of the first literary texts exploring the themes of WWII and the Nazi past. It was published in the time when the defi nitions and patterns of interpretation of the recent past had only started to take shape. It was addressed to former participants of the war and offered structural patterns of self-perception and auto interpretation. Experience, memory and narration are interrelated to create a literary image of the participation in the war, where the most essential mechanism here is the rules of selection and the combination of material from these three areas. These rules – which are what constitutes the thesis of this article – are a fictional transposition of the concept of the German “young generation” co-coined by H. W. Richter. As a consequence the image of war is constructed according to a traditional matrix foreclosing ideological, racial and political components. The rejection of diachrony and thinking in terms of cause and effect can however be understood as the price, which the author pays for the desire to stop the dissociation trend in German society, as well as maintaining the impetus to carry out the democratic transformation which was imposed on Germany after WWII.
Österreichische Literatur ohne Grenzen. Hrsg. von Atilla Bombitz, Reneta Cornejo, Sławomir Piontek, Eleonora Ringler-Pascu. Wien: Praesens Verlag, 2009
Convivium, 2006
The following article presents a literary model of settling accounts with Nazism in German prose ... more The following article presents a literary model of settling accounts with Nazism in German prose based on a metaphorical configuration of two main protagonists, a woman and a man, and on their mutual relationships determined by eroticism. This model appears in slightly different forms both in German and Austrian as well as in Swiss literature. The author of this article analyzes the relationships between invariant characteristics of the abovementioned interpretative pattern and its respective applica-tion in each given historical context.

Nationale Identität : Aspekte, Probleme und Kontroversen in der deutschsprachigen Literatur. Łódź : Wydaw. Uniw. Łódzkiego, 1998
Poznan DIE IDEE DER ÖSTERREICHISCHEN IDENTITÄT IM ROMAN VON ALBERT PARIS GÜTERSLOH SONNE UND MOND... more Poznan DIE IDEE DER ÖSTERREICHISCHEN IDENTITÄT IM ROMAN VON ALBERT PARIS GÜTERSLOH SONNE UND MOND Das Motto von Heraklit: "Ein Haufen aufs Geratewohl hingeschütteter Dinge ist die schönste Weltordnung", das dem Roman Sonne und Mond (1962) von Albert Paris Gütersloh vorangeht, soll darüber nicht hinwegtäuschen, daß der Roman doch eine innere Struktur besitzt. Die Vielfalt und Verstrickung der von Gütersloh behandelten Probleme ruft zwar den Eindruck der Strukturlosigkeit und Unüberschaubarkeit hervor. Nimmt man aber verschiedene thematische Bereiche einzeln unter die Lupe, so zeigen sie erstaunliche Kohärenz und Konsequenz in der literarischen Realisierung. Eine der Analysen, die in bezug auf den Roman möglich sind, ist die Analyse der Idee der Österreichischen Identität, die im Roman entwickelt wird. Diese Analyse reduziert die Komplexität des Romans auf nur eine der möglichen Lesarten, die aber für die Gesamtdeutung nicht unwichtig zu sein scheint. Der Grund der Hinwendung Güterslohs zur Identitätsproblematik ist vor allem im Zerfall der Donaumonarchie und in der damit verbundenen Umwertung der Identitätsvorstellungen bzw. sogar dem Defizit an Identitätsgefühlen zu suchen. Im Kurzgefaßten Prolog zu meinen Schriften spricht Gütersich direkt vom Untergang der Donaumonarchie als vom Beweggrund für seine literarische Tätigkeit: Man muß Zeuge eines verlorenen Prozesses gewesen sein. Man muß genau wissen, worum es in ihm gegangen ist. Und man muß unaufhörlich, wenn auch anscheinend vergeblich, gegen das Urteil berufen. Dieses Sichbeschäftigen mü dem Berufen füllt das Heute voll aus, und verbindet so die Gegenwart aufs innigste mit der Vergangenheit. 1 Die im Mittelpunkt des Romans stehende Schloß-Geschichte wurde in der Literaturforschung zurecht mit der Problematik des Machtwechsels in Österreich in Verbindung gebracht. 2 Darüber hinaus findet man im Roman
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Papers by Sławomir Piontek
The reflection on the end of postmodernism in the context of historicisation of the Shoah can be observed in the literature very well. Apart from questions on the importance of witnesses, authenticity of ‚testimonies’, transformations of the forms of memory etc., scholars also relate very much to the transformation of experience in the text. It seems that precisely this process which is a fundamental principle of postmodernism, causes a real discomfort the very moment it actually starts off. The thesis is that the radicality with which the postmodernism proclaimed textualization of reality, was only possible because there were still witnesses of the Shoah who acted as real correlates of these proclamations and could refer to their own experiences. In contrast, the discomfort starts off at the very time, when the proclamations actually come true, viz. when there are no more witnesses and the Shoa is to be reduced to a text which is open for interpretation.
The article adresses first opinions and proposals on overcoming of postmodernism, subsequently it refers shortly to one of many novels which have been focusing on the reflexion on the borders of postmodernism ever since the 1990s and have been implementing it poetologically. Finally, interpretations of the last two texts by Martin Pollack, „Kontaminierte Landschaften“ and „Topografie der Erinnerung“, are being presented in this context.
Keywords: stereotypes, the long term, migration, German literature, Polish authors
Kontext zu lesen ist kein allzu originelles Unterfangen mehr, diese Art der Lektüre ist in den Analysen zum Text seit seinem Erscheinen präsent. Der vorliegende Beitrag lädt zu einer Lesart ein, die den Roman auf die Erinnerungsdiskurse der 1990er Jahre bezieht und ihn von der Dynamik
der Vergangenheitsdebatten und -narrative dieser Jahre geleitet sieht. Die These lautet: Der Roman kreiert keine alternative Geschichte, die auf mögliche Entwicklungslinien und Folgen hin untersucht wird, sondern umgekehrt: die Bilder und Geschichten des Romans schöpfen sehr viel aus den Vergangenheitsdiskursen der 90er Jahre. Der Text fokussiert nicht das erste Vierteljahrhundert der Nachkriegszeit, sondern übersetzt die erinnerungskulturelle Beschaffenheit der 1990er Jahre samt allen Rand- und Grenzzonen in eine fiktionale Wirklichkeit der 1950er und 60er Jahre.
The reflection on the end of postmodernism in the context of historicisation of the Shoah can be observed in the literature very well. Apart from questions on the importance of witnesses, authenticity of ‚testimonies’, transformations of the forms of memory etc., scholars also relate very much to the transformation of experience in the text. It seems that precisely this process which is a fundamental principle of postmodernism, causes a real discomfort the very moment it actually starts off. The thesis is that the radicality with which the postmodernism proclaimed textualization of reality, was only possible because there were still witnesses of the Shoah who acted as real correlates of these proclamations and could refer to their own experiences. In contrast, the discomfort starts off at the very time, when the proclamations actually come true, viz. when there are no more witnesses and the Shoa is to be reduced to a text which is open for interpretation.
The article adresses first opinions and proposals on overcoming of postmodernism, subsequently it refers shortly to one of many novels which have been focusing on the reflexion on the borders of postmodernism ever since the 1990s and have been implementing it poetologically. Finally, interpretations of the last two texts by Martin Pollack, „Kontaminierte Landschaften“ and „Topografie der Erinnerung“, are being presented in this context.
Keywords: stereotypes, the long term, migration, German literature, Polish authors
Kontext zu lesen ist kein allzu originelles Unterfangen mehr, diese Art der Lektüre ist in den Analysen zum Text seit seinem Erscheinen präsent. Der vorliegende Beitrag lädt zu einer Lesart ein, die den Roman auf die Erinnerungsdiskurse der 1990er Jahre bezieht und ihn von der Dynamik
der Vergangenheitsdebatten und -narrative dieser Jahre geleitet sieht. Die These lautet: Der Roman kreiert keine alternative Geschichte, die auf mögliche Entwicklungslinien und Folgen hin untersucht wird, sondern umgekehrt: die Bilder und Geschichten des Romans schöpfen sehr viel aus den Vergangenheitsdiskursen der 90er Jahre. Der Text fokussiert nicht das erste Vierteljahrhundert der Nachkriegszeit, sondern übersetzt die erinnerungskulturelle Beschaffenheit der 1990er Jahre samt allen Rand- und Grenzzonen in eine fiktionale Wirklichkeit der 1950er und 60er Jahre.
Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs meldet sich in Österreich eine neue Generation von Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu Wort. Geboren ungefähr zwischen 1920 und 1926, erlebten sie den Krieg als einen gewaltigen Einschnitt. Die vorliegende Arbeit analysiert Nachkriegsromane der jungen Generation, die sich auf das Problem der Teilnahme des Einzelnen und der Gesellschaft am Krieg und am Nationalsozialismus beziehen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erweist sich im generationellen Querschnitt als nicht frei von Ambivalenzen und Widersprüchen. Zugleich erfolgt jedoch eine kritische Internalisierung des Nationalsozialismus in das Kontinuum der österreichischen Geschichte. Aus dieser Perspektive können österreichische Gründungsmythen der Nachkriegszeit literarisch verifiziert werden. Die Analyse literarischer Diskurse der jungen Generation innerhalb anderer öffentlicher, v. a. historischer und medial-politischer Diskurse zur österreichischen Nachkriegsidentität, die in den 50er und 60er Jahren stattfanden, ist eines der Hauptanliegen dieses Buches.
Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs meldet sich in Österreich eine neue Generation von Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu Wort. Geboren ungefähr zwischen 1920 und 1926, erlebten sie den Krieg als einen gewaltigen Einschnitt. Die vorliegende Arbeit analysiert Nachkriegsromane der jungen Generation, die sich auf das Problem der Teilnahme des Einzelnen und der Gesellschaft am Krieg und am Nationalsozialismus beziehen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erweist sich im generationellen Querschnitt als nicht frei von Ambivalenzen und Widersprüchen. Zugleich erfolgt jedoch eine kritische Internalisierung des Nationalsozialismus in das Kontinuum der österreichischen Geschichte. Aus dieser Perspektive können österreichische Gründungsmythen der Nachkriegszeit literarisch verifiziert werden. Die Analyse literarischer Diskurse der jungen Generation innerhalb anderer öffentlicher, v. a. historischer und medial-politischer Diskurse zur österreichischen Nachkriegsidentität, die in den 50er und 60er Jahren stattfanden, ist eines der Hauptanliegen dieses Buches.
Die Frage, worin diese Neuheit bestehen kann, führt zu der anspruchsvollsten, ergiebigsten und interessantesten Fragestellung, die in Bezug auf die ‚Migrationsliteratur‘ formuliert werden kann, nämlich jener nach ihrer poetologischen Identität. In diesem Sinn versteht sich der vorliegende Band als ein Beitrag mit dem Ziel, auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer solchen Neuperspektivierung hinzuweisen, ohne den Anspruch, ein fertiges und kohärentes analytisches Instrumentarium bereitzustellen. Die bisherigen Fragen nach den Modi der Erfahrungscodierung oder nach thematologischen Varianten haben in ihm genauso Platz, wie etwa Fragen nach sprachlichen Transformationsprozessen oder nach der Translation der Kulturbilder. Der Verweis auf diese Aspekte bedeutet somit sowohl einen Befreiungsversuch aus der biographisch-thematischen Verstrickung als auch einen Schritt nach vorne, indem die ‚Migrationsliteratur‘ als eine historische und prozessuale Variable verstanden wird, als eine Form der kommunikativen literarischen Praxis, die ihre Legitimation sowohl aus der erfahrungsgesättigten Erzählerperspektive als auch aus der imaginativen Fremdenschau schöpfen kann.
Conference: ECREA 6th European Communication Conference November 9-12 2016, At Prague, Czech Republic
Die Reflexion über das Ende der Postmoderne im Kontext der Historisierung der Shoah lässt sich sehr gut in der Literatur beobachten. Sie bezieht sich neben Fragen der Bedeutung von Zeugen, der Authentizität von ‚Zeugnissen’, Wandlungen von Gedächtnisformen usw. auch sehr stark auf die Transformation von Erfahrung in Text. Es scheint, dass gerade dieser Prozess, der ja ein Grundprinzip der Postmoderne ist, eben in dem Moment, in dem er tatsächlich einsetzt, wirkliches Unbehagen zu wecken beginnt. Die These würde lauten: Die Radikalität, mit der die Postmoderne die Vertextung der Wirklichkeit proklamierte, war nur dadurch möglich, dass es gleichzeitig Zeugen der Shoah gab, die wirkliche, erfahrungsgesättigte Korrelate dieser Proklamationen bildeten. Das Unbehagen setzt dagegen gerade zu jenem Zeitpunkt ein, an dem die Proklamationen tatsächlich wahr werden, d.h. als die Zeugen nicht mehr da sind und die Shoah zu einem Text reduziert werden soll, der für Interpretationen freigegeben wird.
Im Referat wird zunächst auf Stimmen und Vorschläge zur Korrektur/Überwindung der Postmoderne eingegangen, anschließend kurz auf einen der vielen Romane verweisen, die schon seit den 1990er Jahren die Reflexion über die Grenzen der Postmoderne zu ihrem Hauptthema machen und sie poetologisch umsetzen (Christoph Ransmayrs "Morbus Kitahara", man könnte aber auch Bernhard Schlinks "Die Heimkehr" oder Arno Geigers "Es geht uns gut nennen"). Abschließend werden in diesem Kontext Lesarten für die zwei letzten Texte von Martin Pollack, "Kontaminierte Landschaften" und "Topografie der Erinnerung", vorgeschlagen.
Conference: German Studies Association Fortieth Annual Conference, September 29 – October 2, 2016, San Diego, California
Im vorliegenden Beitrag werden vor dem Hintergrund einer kurzen Rekonstruktion der Kontroverse (erster Teil des Beitrags) zwei weitere typologisch verwandte Figuren einer Analyse unterzogen: Antrittsreden bzw. Besuche der Kommissionspräsidenten in Auschwitz und der Holocaust als Gründungsmotiv der EGKS/EWG/EG/EU (zweiter Teil). Wiewohl für den Nachweis der Impossibilität dieser Figuren ein Rückgriff auf allgemeine Studien zur Geschichte Europas nach 1945 genügen würde, wird die Analyse insofern spezifiziert, als Quellenmaterialien, d. h. Archivdokumente der EGKS/EWG/EG/EU herangezogen werden. Da die Lektüre der Dokumente die Behauptungen Menasses widerlegt, d. h. die These von der ‚empathischen Lektüre‘ zwangsläufig falsifiziert wird, wird für eine neue Lesart des Romans „Die Hauptstadt“ der Kontext der Historisierung der Shoah vorgeschlagen (dritter Teil). Im abschließenden vierten Teil des Textes werden Thesen zur Mythisierung der Europäischen Union und der Shoah im Roman formuliert und Möglichkeiten sich aus dieser Perspektive ergebenden neuen Lesarten angezeigt.